Ein Talk mit Zündstoff: Das ZDF widmet Richard David Precht und der Politologin Martyna Linertas 44 Minuten zur Frage, wie viel soziale Gleichheit Demokratie braucht – und ob radikale Besteuerungen bis hin zu 90 Prozent Erbschaftsteuer der richtige Weg sind.
- Der vollständige Artikel von Josef Seitz, auf den sich die folgende Kommentar-Analyse bezieht, ist hier verfügbar: Um Mitternacht macht das ZDF mit Precht-Talk auf Sozialismus
Der Artikel über die nächtliche Diskussionsrunde stößt bei Lesern auf eine leidenschaftliche Debatte. Während viele die drastischen Steuerforderungen als wirtschaftsgefährdend und ungerecht verurteilen, verteidigen andere die Notwendigkeit von mehr Gleichheit und stellen das bestehende Steuersystem infrage. Daneben dominieren Skepsis gegenüber sozialistischen Modellen, heftige Kritik an Medien und Parteien sowie Zweifel an der Fähigkeit des Staates, Vermögen sinnvoll zu verwalten.
Kritik an hoher Erbschaftssteuer
Mit einem Anteil von 27 Prozent machen zahlreiche Leser deutlich, dass sie die vorgeschlagene hohe Erbschaftssteuer als ungerecht, wirtschaftlich schädlich und für Mittelstand sowie Familien existenzbedrohend empfinden. Besonders kritisiert werden doppelte Besteuerung und negative Auswirkungen auf Familienunternehmen sowie kleine Sparer.
"Rechnen wir einmal: Mindestlohn netto nach Abzug aller Abgaben = ca. 1.550 Euro. [...] Und wie es der Zufall so will, versterben Sie just vor Eintritt in den wohlverdienten Ruhestand. Und neben dem Kummer und Verlust, den die Ehefrau zu verkraften hat, reduziert sich nicht nur das gemeinsame Einkommen, der Staat zieht noch 90 % vom Ersparten des Verstorbenen ab. 105.462 Euro von 117.180 fallen an den Staat - wenn Sie in einer Mietwohnung wohnen und sonst nichts haben. Ist das sozial?" Zum Originalkommentar
"Nochmals: Jemand mit Anspruch auf 1.500...2.000 Euro Pension oder Rente ist genauso reich wie jemand ohne diesen Anspruch mit 1 Mio. Euro erarbeitetem Geld. Gerade Familienunternehmer quasi zu enteignen führt zu Wissensverlust und Verantwortungsverlust." Zum Originalkommentar
"Ab 100.000 Euro also 90 Prozent Steuern? Sprich, fast jeder, der eine Wohnung erbt, muss verkaufen, weil er sich die Steuer gar nicht leisten kann? Oder sie am besten gleich an den Staat abgeben und dann die 100.000 Euro abwohnen und danach Miete in der eigenen Wohnung bezahlen? Oder wie stellt die sich das vor?" Zum Originalkommentar
Einordnung der Kritik im aktuellen steuerrechtlichen und politischen Kontext:
Derzeit gilt in Deutschland, geregelt im Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, ein Freibetrag von bis zu 500.000 Euro für Ehepartner beziehungsweise eingetragene Lebenspartner, 400.000 Euro für Kinder. Die Steuersätze für den übersteigenden Betrag reichen je nach Steuerklasse von 7 % bis maximal 50 %. Somit stimmt die Wahrnehmung vieler Leser, wonach Steuerlasten bei hohen Vermögenswerten beträchtlich sein können. Gleichzeitig muss differenziert werden: Eine Steuerbelastung von etwa „90 % vom Ersparten“ – wie in einem Leserbeitrag dargestellt – entspricht nicht dem gesetzlichen Regelfall, sondern würde nur bei extremen Zusammensetzungen und Unterschieden zwischen Verkehrswert, Freibeträgen und Steuerklasse eintreten. Ein direkter „Verkauf gezwungen, um Steuer zu zahlen“ kann im Einzelfall auftreten, insbesondere bei immobilienlastigem Erbe und geringer Liquidität. Politisch ist zu beobachten, dass neben Forderungen der Opposition zur Erhöhung der Erbschaftssteuer auch Stimmen warnen, dass höhere Belastungen Familienunternehmen schädigen könnten.
Grundsätzliche Ablehnung sozialistischer Ideen
Rund 20 Prozent der Leser lehnen sozialistische Ansätze fundamental ab, verweisen auf historische und gegenwärtige Misserfolge sozialistischer Systeme und sehen darin eine Gefahr für Wirtschaft und Gesellschaft.
"Schickt sie & ihre Supporter mal für 1 Jahr nach Kuba, Venezuela, Nordkorea und dann reden wir noch mal, ok?" Zum Originalkommentar
"Sozialismus ist dysfunktional! Punkt!" Zum Originalkommentar
"Es gibt kein Land der Welt, in dem der Sozialismus erfolgreich war. Trotzdem gibt es noch Menschen und Parteien, die diesen Irrweg gehen wollen. Er führte immer in den wirtschaftlichen Untergang." Zum Originalkommentar
Kritik am ZDF und an Precht
Einige Leser (13 Prozent) wenden sich gegen öffentlich-rechtliche Medien und werfen ihnen politische Einseitigkeit, fragwürdige inhaltliche Ausrichtung und persönliche Antipathie insbesondere gegenüber Precht vor – oft mit sarkastischem oder frustriertem Unterton.
"Darf der Kumpel von Lanz jetzt auch ran, prima, dann ist er wenigstens gut versorgt. Den Rest kann man sich getrost sparen." Zum Originalkommentar
"Philosophen sollten daheim vor sich hin philosophieren, sich das Leben erträumen und die Öffentlichkeit meiden wie Diogenes. Precht ist bei mir so ein Triggerwort, dass ich sofort zu lesen aufhöre." Zum Originalkommentar
"Es gibt nicht nur ein soziales Ungleichgewicht, sondern auch ein informatives. — Durch den politisch einseitigen Journalismus im ÖRR wird der eigentliche Auftrag nicht mehr erfüllt. - Da stellt sich schnell die Frage: Ist der ÖRR noch „legitimationswürdig“?" Zum Originalkommentar
Forderung nach Steuergerechtigkeit
Weitere zwölf Prozent kritisieren die bestehende Steuerpolitik als ungerecht, insbesondere die hohe Belastung für Arbeitende und Rentner. Sie fordern Schließung von Steuerschlupflöchern und gezielte Steuerentlastungen, lehnen aber pauschal hohe Erbschaftsteuern ab.
"Erbschaftssteuer: Für jeden Ziegel, für jede Kelle Mörtel habe ich nach Abzug der Sozialabgaben nochmal 19 % Steuer bezahlt. Ebenso für jeden Euro, von dem nur 50 Cent auf dem Konto ankommen." Zum Originalkommentar
"Die Politiker sollten erst einmal die Steuerschlupflöcher schließen und Abschreibungen bei der Ekst abschaffen, Möglichkeiten, wo die Angestellten nicht haben. [...] Möchte nicht wissen, wie sich Politiker arm rechnen bei deren Steuernabgabe. FDP-Bundestagsabgeordnete machte sogar letztes Jahr noch ein Seminar, wie Steuervermeidung geht." Zum Originalkommentar
"Wenn die normalen Bürger wie die Zitronen ausgequetscht werden, bis kein müder € mehr herauskommt, warum sollen dann die Reichen in Deutschland vor Vermögenssteuern verschont bleiben? Es ist freilich ungerecht, wie es in unserem Land zugeht." Zum Originalkommentar
Diskussion über soziale Ungleichheit
Neun Prozent thematisieren ausdrücklich die zunehmende Vermögensungleichheit in Deutschland, kritisieren die niedrige Wohneigentumsquote und plädieren für einen neuen Blickwinkel, um soziale Unterschiede besser zu begreifen.
"Ich stimme ihr zu - das Vermögen ist ungleichmäßig verteilt, während Arbeiter 52 % vom Einkommen an den Staat abdrücken, Rentner mit 67 Jahren und 40 % Rente gehen, es so wenig Wohneigentum und Vermögen wie sonst nirgends in der EU gibt, wirft der Staat das Geld mit vollen Händen aus dem Fenster." Zum Originalkommentar
"Welche Erkenntnisse würde wohl ein einwöchiger Rollentausch zwischen einer repräsentativen Auswahl von Reichen und Armen bringen?" Zum Originalkommentar
"Naja, nehmen wir doch erstmal die Fakten. Ist Reichtum in Deutschland sehr einseitig verteilt und wächst diese Ungleichheit? Ja. Wird Arbeit in Deutschland hoch besteuert? Ja. Wird Vermögen hoch besteuert? Nein. Das sind einfach Fakten. Welche Schlüsse man daraus zieht, ist etwas anderes und 90 % Steuern übertrieben. Aber das Steuersystem in Deutschland ist eindeutige Klientelpolitik." Zum Originalkommentar
Kritik an Ideologien und Parteien
Mit immerhin 7 Prozent vertreten einige Leser eine scharfe Ablehnung linker und grüner Politik, warnen vor ideologischer Vereinnahmung und prognostizieren als Reaktion darauf ein Erstarken der politischen Ränder wie der AfD.
"Das sind genau die Gesprächsrunden, die die AfD immer weiter nach vorne bringen!" Zum Originalkommentar
"Nicht Sozialismus - Precht will Kommunismus." Zum Originalkommentar
"Damit ist auch der Beweis erbracht, dass die Grünen eine gesichert linksextremistische Partei sind, also Verbotsverfahren und weg damit, übrigens für ÖRR-Sender, die einen solchen Mist senden, gehört die Zwangsabgabe gestrichen." Zum Originalkommentar
Ironisch-unterhaltsames Sonstiges
Mit einem Restanteil von 32 Prozent äußern sich Leser vor allem mit Ironie, Sarkasmus oder persönlicher Frustration über die immer wiederkehrenden Sozialismus- und Erbschaftsdebatten sowie über einzelne Akteure. Häufig schwingt dabei eine grundsätzliche Politikmüdigkeit oder Überdruss über die Debatte mit.
"Noch so 'ne Neidi Reichenschreck!" Zum Originalkommentar
"Wie oft soll das denn noch diskutiert werden? Nächstes Jahr werde ich 60 Jahre alt und muss mein gesamtes Leben mit dieser Erbschaftssache bis heute verschwenden. Herr Precht ist der beste Beweis für überflüssige nutzlose Diskussionen ... Deswegen bleibt vieles in Büchergeschäften liegen von solchen Menschen, weil das nichts mit Kreativität, sondern große Langeweile zu tun hat." Zum Originalkommentar
"Der Sozialismus ist in der Theorie sicher denkbar. Leider ist das Streben nach Leistung eine Antriebsfeder der menschlichen Entwicklung. ... Gleichheit für alle kann man in sozialistischen Ländern sehen. Ich war auf Kuba. Alle kriegen das gleiche Gehalt und keiner arbeitet so richtig." Zum Originalkommentar
Diskutieren Sie mit: Ist die Debatte um die Erbschaftssteuer längst überfällig – und wäre eine radikale Umverteilung gerecht, gefährlich oder gar wirkungslos? Oder erweist sich der Sozialismus-Vergleich als übertrieben und lenkt von den eigentlichen gesellschaftlichen Baustellen ab? Schreiben Sie uns Ihre Meinung zum ZDF-Talk, zur Steuerpolitik und zur sozialen Ungleichheit – die Perspektiven sind vielfältig.