225 Milliarden Euro im Jahr in die Verteidigung stecken? „Halte ich für ausgeschlossen“

  1. Startseite
  2. Wirtschaft

Kommentare

Der neue Außenminister Johann Wadephul will fünf Prozent des BIP in Deutschland in die Verteidigung stecken. Eine Zahl, die auch Experten verblüfft.

Istanbul/Berlin – Deutschland rüstet auf – und wenn es nach dem Willen von Außenminister Johann Wadephul (CDU) geht, dann so richtig. Bei einem Treffen mit seinem US-Amtskollegen Marco Rubio sagte er, Deutschland folge dem Vorschlag von Verteidigungsausgaben von fünf Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP), den US-Präsident Donald Trump zu Jahresbeginn gemacht hatte. Diese Größenordnung stünde zwar laut Außenamtssprecher nicht direkt bevor. Es seien aber auch „keine Fantasiezahlen“.

Mega-Schulden für die Bundeswehr: Deutschland gefährdet die eigene Bonität

Deutschland investiert aktuell rund 2,2 Prozent seiner Wirtschaftsleistung in die Verteidigung. Nach Angaben von Kanzler Friedrich Merz (CDU) entsprächen jeder Prozentpunkt rund 45 Milliarden Euro. Fünf Prozent wären also 225 Mrd. Euro – im Jahr. Zum Vergleich: Die gesamten Ausgaben des Bundeshaushalts beliefen sich im vergangenen Jahr auf rund 466 Milliarden Euro.

Dieses Geld hat Deutschland nicht auf der hohen Kante, das ist klar. Die Ausgaben wären nur durch die Aufnahme von Schulden möglich. Dafür hatte der alte Bundestag die Schuldenbremse auch reformiert: Alles, was über ein Prozent des BIP liegt, kann mittels Schulden finanziert werden.

Diese Schulden wären aber gewaltig – und würden nach Ansicht einiger Ökonomen die Bonität des Landes nachhaltig schaden. Denn es müssen nicht nur die Schulden irgendwann beglichen werden; auch die Zinsen, die darauf entfallen, müssen gezahlt werden. Der zehnjährige Zinssatz für eine Bundesanleihe liegt aktuell bei 2,5 Prozent. Für 200 Mrd. Euro Schulden müssten also weitere fünf Mrd. Euro an Zinsen gezahlt werden, jedes Jahr. Aktuell zahlt der Bund jedes Jahr 30 Mrd. Euro an Zinsen auf Schulden zurück.

Geld soll nicht nur ans Militär gehen: Brücken, Bahn und Digitalisierung auch wichtig

Daher warnt auch Clemens Fuest, Präsident des ifo Instituts in München, in der Bild-Zeitung vor der Aufnahme solcher gewaltigen Schulden. „Eine dauerhafte Finanzierung allein durch Schuldenwürde die Bonität Deutschlands beeinträchtigen“. Um das Geld zurückzahlen zu können, würden Steuererhöhungen kommen müssen – was die Wirtschaftsleistung ausbremst.

Informelles Treffen Nato-Außenminister
Stellt sich hinter die Forderungen von Trump: Außenminister Johann Wadephul (r.), hier mit seinem US-Kollegen Marco Rubio. © Sebastian Christoph Gollnow/dpa

Allerdings soll das Geld nicht allein in die Bundeswehr oder in Rüstungsaufträge fließen. Vielmehr folgt Wadephul nach eigenen Angaben einem Vorschlag von Nato-Generalsekretär Mark Rutte: Von den fünf Prozent sollten 3,5 Prozent ins klassische Militär fließen, 1,5 Prozent in die Infrastruktur, die ebenfalls essenziell für die Verteidigungsfähigkeit sei. So brauchten Nato-Staaten auch eine gut ausgebaute Bahn, panzertaugliche Straßen und Brücken und eine gute digitale Infrastruktur.

Das ändert das Bild daher etwas, denn gute Bahnnetze, Straßen und digitale Infrastruktur können auch für zivile Zwecke genutzt werden. Der Ausbau dieser würde die Wirtschaft ankurbeln, außerdem profitieren alle Unternehmen von diesen Plänen.

Fünf Prozent für Verteidigung umstritten: „Halte ich für ausgeschlossen“

Es gibt aber auch Experten, die das fünf-Prozent-Ziel infrage stellen. Zu denen gehört auch Ulrich Kühn vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH), der gegenüber dem ZDF sagt: „Deutschland muss mehr ausgeben und Deutschland wird auch mehr ausgeben. Dass wir am Ende tatsächlich bei fünf Prozent landen, halte ich aber für ausgeschlossen.“ Diese Größenordnung habe Deutschland seit seinem Nato-Beitritt noch nie erreicht – und sogar die USA geben aktuell „nur“ 3,4 Prozent ihres BIP für Verteidigung aus.

Der Koalitionspartner SPD lehnt Wadephuls Vorstoß jedenfalls ab. SPD-Chef Klingbeil betonte in Berlin, im Koalitionsvertrag sei verabredet, dass man sich an die Nato-Fähigkeitsziele halten werde. Die Entscheidung darüber werde auf dem Nato-Gipfel getroffen. „Und dann wird sich Deutschland an diese Verabredung halten“, so der neue Finanzminister. Er rate jedem in der Koalition, sich am Koalitionsvertrag zu orientieren.

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sagte am Abend: „Entscheidend ist weniger die Prozentzahl. Entscheidend ist, dass die Nato-Fähigkeitsziele, die dann auch festgelegt werden, schnell, umfassend und zeitgerecht erfüllt werden.“ Natürlich werde am Ende über drei Prozent oder mehr geredet. 

Auch interessant

Kommentare