Sorge um Autobahnen und Schienen: Länder warnen jetzt Wissing – und rütteln an der Schuldenbremse
Vor der Verkehrsministerkonferenz machen Bundesländer Druck auf Verkehrsminister Wissing. Muss die Schuldenbremse für wichtige Projekte aufgeweicht werden?
Berlin – Ramponierte Straßen, marode Brücken und eine unpünktliche, kaputtgesparte Bahn: Um die deutsche Verkehrsinfrastruktur steht es schlecht. Für die Bundesländer liegt die Lösung auf der Hand: Es braucht mehr Geld. Vor der Verkehrsministerkonferenz in dieser Woche fordern mehrere Bundesländer auf Anfrage von IPPEN.MEDIA größere Investitionen vom Bund – und sogar ein Aussetzen der Schuldenbremse für wichtige Verkehrsprojekte. FDP-Entscheider Volker Wissing hat aber andere Pläne.
Wissing spricht dieser Tage gerne von einem Infrastrukturfonds. Darin könnten die Finanzmittel für den Ausbau von Schienen, Straßen und Wasserwegen gebündelt werden. Auf die Frage, wie der Fonds finanziert werden solle, sagte ein Sprecher des Verkehrsministeriums zuletzt, es gehe nicht um die „kurzfristige Aufweichung der Schuldenbremse“, sondern um die „große Frage, wie wir langfristig unsere Infrastruktur finanzieren“. Gerade auf diese große Frage scheint es aber keine einfache Antwort zu geben.
Bundesländer kritisieren „ideologisches Festhalten an der Schuldenbremse“
Mehrere Bundesländer fordern ein Umdenken beim Thema. „Das ideologische Festhalten am Prinzip der Schuldenbremse kann sich als ein Entwicklungshemmnis erweisen“, teilte das Linke-geführte Thüringen IPPEN.MEDIA mit. Auch mehrere SPD-Länder machen Druck. Aus Niedersachsens Regierung von Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) heißt es: „Gerade im Verkehrsbereich darf die Schuldenbremse nicht zur Bremse der Mobilitätswende werden.“
Das saarländische Verkehrsministerium erklärte: „Die Schuldenbremse entwickelt sich immer mehr zu einer Investitions- und damit einer Zukunftsbremse. Sie muss deshalb dringend modernisiert und an die aktuellen Herausforderungen angepasst werden.“ Sonst drohe durch den Sanierungsstau eine „massive Hypothek für zukünftige Generationen“. Ähnlich argumentierte Bremen: „Es ist geboten, die Schuldenbremse auszusetzen, denn eine nicht mehr funktionsfähige Infrastruktur ist eine größere Last für die kommende Generation als eine höhere Staatsverschuldung.“
Landesminister klagt: „Wir haben das marodeste Schienennetz in Deutschland“
Aus Sachsen heißt es, die Frage nach einer möglichen Lockerung der Schuldenbremse werde „zu Recht zunehmend diskutiert“. Diese Diskussion dürfe sich allerdings nicht nur auf den Verkehrsbereich konzentrieren. In Dresden führt die CDU das Zepter – Verkehrsminister ist aber der SPD-Politiker Martin Dulig. Hamburgs Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) forderte einen „ökonomisch sinnvollen Vorschlag, wie wir langfristig unsere Verkehrsprojekte und Verkehrsinfrastruktur finanzieren können“. Mecklenburg-Vorpommern begrüßte Investitionsankündigungen, ist aber noch unsicher, wie das gelingen kann.
Gespalten ist auch Schleswig-Holstein. „Die Schuldenbremse ist an sich gut und richtig, in ihrer jetzigen Form erschwert sie aber die Krisenbewältigung“, sagt CDU-Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen und klagt über den schlechten Infrastrukturzustand seines Bundeslandes: „Wir haben das marodeste Schienennetz in Deutschland, in den Nord-Ostseekanal muss dringend investiert werden und wir warten seit 30 Jahren auf den Weiterbau der A 20.“

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Bayern-Kritik an Wissing-Plan: „haushaltspolitischer Taschenspielertrick“
Wenig überraschend gegen ein Aufweichen der Schuldenbremse spricht sich Rheinland-Pfalz aus. Hier führt die auch im Bund pro-Schuldenbremse auftretende FDP das Verkehrsministerium. Auch das CDU-geführte Verkehrsministerium Brandenburgs ist skeptisch. „Eine generelle Aufweichung der Schuldenbremse sehen wir kritisch.“ Es brauche aber mehr Geld vom Bund. „Die Debatte über einen Infrastrukturfonds ist wichtig und sollte weiterverfolgt werden.“
Bayern ist vom aktuellen Plan weniger überzeugt. „Verkehrsminister Wissing ist nun gefordert, einen Vorschlag, der Hand und Fuß hat, vorzulegen“, sagte CSU-Verkehrsminister Christian Bernreiter unserer Redaktion. „Ich fürchte aber nur einen neuen haushaltspolitischen Taschenspielertrick der Ampel.“
Konferenzchef Krischer: „Wir dürfen nicht die Fehler der Vergangenheit wiederholen“
Für den Vorsitzenden der Verkehrsministerkonferenz, Nordrhein-Westfalens Grünen-Minister Oliver Krischer, ist klar, dass in den Verkehr investiert werden muss. „Wir dürfen nicht die Fehler der Vergangenheit wiederholen, wie dies ab den 90er-Jahren etwa der Fall war“, sagte Krischer IPPEN.MEDIA. „Da war auch das Geld knapp und gespart wurde vor allem bei den Erhaltungsinvestitionen. Das rächt sich heute und wir zahlen die Zeche für die verfehlte Investitionspolitik der Vergangenheit.“

Die aktuellen Vorschläge bewertete Krischer positiv. „Ich unterstütze ausdrücklich das Konzept von Bundesverkehrsminister Wissing, den Erhalt und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur mithilfe eines Infrastrukturfonds zu finanzieren“, so der Verkehrsminister. „Ich würde mich freuen, wenn wir auf der anstehenden Verkehrsministerkonferenz darüber reden und vielleicht auch schon Beschlüsse fassen können.“
Die Tagesordnung der am 17. und 18. April stattfindenden Konferenz liegt IPPEN.MEDIA bereits vor. Thema ist unter anderem die „Auswirkung der Kürzungen im Bundeshaushalt 2024“ auf Verkehrsprojekte. Bei der jüngsten Verkehrsministerkonferenz drehte sich noch viel um das Deutschlandticket. Nach langem Streit konnten sich die Länder darauf einigen, dass der Preis für 2024 konstant bleibt. Wie es in Zukunft aussieht, ist fraglich. Die Länder beraten dazu ein „Konzept zur Durchführung des Deutschlandtickets ab dem Jahre 2024“. (as)