China nimmt mutmaßlichen MI6-Agenten fest: Xi Jinping verstärkt Kampf gegen Spionage
Chinas Staatssicherheit macht die Enttarnung eines mutmaßlichen Spions des britischen Geheimdienstes MI6 öffentlich. Peking schwört die Bevölkerung auf einen Kampf gegen Agenten ein.
Chinas Ministerium für Staatssicherheit hat nach eigenen Angaben einen mutmaßlichen Spion des britischen Auslandsgeheimdienstes MI6 enttarnt und festgenommen. Der MI6 habe ab 2015 eine Person mit Nachnamen Huang aus einem Drittstaat für die Informationsbeschaffung in China angeworben, teilte das Ministerium am Montag mit. Huang soll demnach in mehreren Fällen Staatsgeheimnisse und nachrichtendienstlich relevante Berichte an den MI6 geliefert haben. Huang habe keine chinesische Staatsbürgerschaft und arbeite in leitender Funktion in einer ungenannten internationalen Beraterfirma außerhalb Chinas. Man habe bereits strafrechtlich relevante Beweise.
„Der MI6 wies Huang mehrmals an, nach China einzureisen, und leitete ihn an, seine öffentliche Identität als Tarnung zu nutzen, um für die britische Seite zu spionieren“, schrieb das Ministerium. Sein Auftrag sei gewesen: „Informationen über China sammeln und Personen identifizieren, die der MI6 ‚umdrehen‘ könne.“ Die Außenministerien Chinas und Großbritanniens lehnten eine Stellungnahme zunächst ab. Die Meldung folgt auf zwei Festnahmen mutmaßlicher Spione für den US-Geheimdienst CIA vor ein paar Monaten.
China verstärkt Vorgehen gegen Spionage: Auch zwei mutmaßliche CIA-Agenten festgenommen
Peking und London haben sich in den vergangenen Monaten wiederholt gegenseitig Spionage vorgeworfen. Das Vereinigte Königreich beschuldigt China, vermehrt Regierungsbeamte auszuspionieren, was Peking abstreitet. Auch hatten britische Sicherheitskräfte 2023 einen wissenschaftlichen Mitarbeiter des britischen Parlaments unter Berufung auf den Official Secrets Act festgenommen. Der Mann wies die Vorwürfe zurück, für China tätig gewesen zu sein.
Peking verstärkt derweil den Kampf gegen Spionage – unter anderem durch die 2023 in Kraft getretene Verschärfung des Anti-Spionagegesetzes. Es schützt nun nicht mehr nur Staatsgeheimnisse, sondern auch sehr vage definierte „nationale Interessen“. Auch verbietet es Erwerb und Weitergabe von „Dokumenten, Daten, Materialien oder Gegenständen im Zusammenhang mit der nationalen Sicherheit“ und erleichtert Razzien und Festnahmen ohne Gerichtsbeschluss. Die schwammigen Formulierungen sorgen für große Nervosität bei ausländischen Unternehmen: Können damit schon ganz normale Nachforschungen über mögliche Geschäftspartner („Due Diligence“) als Spionage angesehen werden? Mehrere Razzien bei ausländischen Unternehmensberatungen trugen nicht gerade zur Entspannung bei.
Signal aus Peking an die Menschen: Der Westen spioniert in der Volksrepublik
Mit der öffentlichen Bekanntgabe des Falles sendet China derweil Signale nach außen und nach innen. Nach außen zeigt die Regierung, dass der sich regelmäßig über chinesische Cyberspionage echauffierende Westen in der Volksrepublik ebenfalls spioniert, und das ganz oldschool mit freiberuflichen Agenten. Der Bevölkerung signalisiert Peking: Seht her, die Bedrohung ist real! In den vergangenen Monaten hatte die Kommunistische Partei die Chinesen immer wieder aufgerufen, die Augen offenzuhalten und Verdächtiges zu melden.
So forderte die Polizei in der zentralchinesischen Provinz Henan laut Bloomberg zum Beispiel die Menschen auf, Nachbarn, denen sie misstrauen, über Popkultur zu befragen, um deren Patriotismus zu überprüfen. Staatsmedien der Provinz Shandong klebten Plakate mit dem Slogan „Spione könnten überall sein!“ Mehrere Universitäten kündigten im September 2023 an, dass ab sofort ein Crashkurs über die Ergreifung von Spionen zum Lehrplan gehöre. Selbst Grundschüler bekommen nach Berichten der Staatsmedien solche Schulungen.
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Xi Jinping will Schwerpunkt der Sicherheitspolitik im öffentlichen Bewusstsein verankern
Im August 2023 hat das notorisch schweigsame Ministerium – Chinas einziges ohne offizielle Website – begonnen, auf WeChat zu posten, was es zur Stärkung der nationalen Sicherheit unternimmt, und das fast täglich. Gleich im August gab es zweimal die Festnahme je einer Person bekannt, die beide in China für den US-Geheimdienst CIA spioniert haben sollen. Eine Person namens Hao soll einen Vertrag unterzeichnet und an US-Trainings teilgenommen haben, um China auszuspionieren. Die andere Person, mit Nachnamen Zeng, soll der CIA gegen einen hohen Geldbetrag „sensible Informationen über das Militär“ verschafft haben. Ob die öffentlichen Festnahmen eine Antwort sind auf Aussagen von CIA-Direktor William Burns, dass die USA ihr Spionagenetzwerk in China wieder aufbauen würden, ist ungewiss.
Die zunehmende Sichtbarkeit der Staatssicherheit dient dem Ziel, die nationale Sicherheit als oberste Priorität in der Politik der Regierung zu verankern und das auch die Menschen wissen zu lassen. Staats- und Parteichef Xi Jinping macht seit Jahren klar, dass dieses Thema für ihn neben dem Machterhalt absoluten Vorrang hat – noch vor der wirtschaftlichen Entwicklung. Damit setzt sich Xi klar von seinen Vorgängern ab, die stets vor allem Wirtschaft und wachsenden Wohlstand gepuscht hatten.