Mit gerade mal 17 genehmigten Windrädern im letzten Jahr kommt Bayern bei der Windkraft nur schleppend voran. Im Allgäu sucht der Regionale Planungsverband händeringend nach Vorranggebieten, in denen Windkraftanlagen errichtet werden könnten – und stößt dabei auf zahlreiche Hürden. Der Ostallgäuer Robert Sing, der mit seinem gleichnamigen Ingenieurbüro unter anderem den bekannten Windpark in Fuchstal (Lkr. Landsberg) geplant hat, erklärt, warum es Windräder im Allgäu schwer haben.
Herr Sing, laut Gesetzgeber sollen auf Landesebene bis 2027 1,1 Prozent der Fläche als Vorranggebiet für Windenergie ausgewiesen sein, bis 2032 sogar 1,8 Prozent. Sind diese Zahlen auch im Allgäu realistisch?
Sing: „Ja, der Regionale Planungsverband wird diese Prozentzahlen zusammenbekommen. Da bin ich zuversichtlich.“
Wie geht man bei der Suche nach Vorranggebieten vor?
Sing: „Zuerst werden um alle Ortschaften, Weiler und Einzelwohnhäuser Abstandskreise gezogen. Dann werden Straßen, Stromtrassen usw. berücksichtigt und Sicherheitsabstände eingetragen. Diese Flächenkulisse wird dann weiter geprüft und reduziert.“
Was sind dabei die größten Herausforderungen für die Planer?
Sing: „Da gibt es eine ganze Reihe. Sehr massive reduzierende Faktoren sind die Restriktionsbereiche durch die Bundeswehr – der Militärflugplatz Lagerlechfeld etwa führt derzeit zu Ausschlussflächen, die in den Süden bis nach Obergünzburg ragen. Auch das Drehfunkfeuer in Kempten verhindert im Umkreis von 15 Kilometern noch immer jede Windkraftanlage. Das ist derzeit übrigens die einzige Anlage in ganz Deutschland, bei der die Deutsche Flugsicherung keine Reduzierung der Schutzbereiche von 15 auf sieben Kilometer vorgenommen hat.
Zu berücksichtigen sind auch Sichtachsen zu bedeutenden Baudenkmälern, die frei von Windenergieanlagen bleiben sollen. Auch artenschutzrechtliche Belange schränken die Planungsflächen weiter ein. Und nicht zuletzt ist eine Pufferzone nördlich der Alpen von Windenergieanlagen freizuhalten.“
Warum genau?
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Sing: „Primär zum Schutz des Landschaftsbildes, aber auch aus Gründen der Wirtschaftlichkeit macht das meist großen Sinn. Denn der Raum unmittelbar nördlich der Alpen liegt in der sogenannten Lee-Zone, einer der Hauptwindrichtung abgekehrten Seite.
Zudem spielt bei den noch übrigen Flächen die Windhöffigkeit – also die zu erwartende Verteilung der Windgeschwindigkeiten auf Nabenhöhe – eine zentrale Rolle. So sind Tallagen für den Windenergieausbau in der Regel uninteressant. Der Planungsverband hat hier allerhand zu berücksichtigen.“
...und als wäre das nicht genug, war beim jüngsten Treffen des Planungsverbandes zu hören, dass seltene Rauhfußhühner die Standortsuche weiter erschweren. Hat es die Windenergie im Allgäu besonders schwer?
Sing: „Es gibt im Allgäu in der Tat eine ganze Häufung an potentiellen Restriktionen, die es dem Ausbau der Windenergie nicht gerade leicht machen. Dass der Artenschutz bei seltenen bzw. störungsempfindlichen Vogelarten im südlichen Allgäu eine Rolle spielt, war zu erwarten. Doch fast in allen Windenergieprojekten werden die Vögel als Instrumentarium genutzt, um ein Projekt zu verhindern.
Vor zehn Jahren schon haben die Windkraftgegner aus einem Nachbarort von Lamerdingen geklagt, dass hier so viele Mirabellen herumflögen, weshalb sie gegen Windenergie seien. Als ich entgegnete, dass Mirabellen am Baum wachsen und selten in der Luft fliegen, verbesserte sich der Herr und bezeichnete das Objekt der erhofften Verhinderung mit ‚Milan‘.“
Hatte der Mann Recht?
Sing: „Ganz im Gegenteil. In Lamerdingen hat sich die Rotmilan-Population seit dem Bau der beiden Bürgerwindräder im näheren Umfeld sogar vervielfacht und die Windkraftgegner-Argumente haben sich alle nicht bewahrheitet. Gleiches sehen wir in Fuchstal.“
Ein weiteres Argument vieler Windkraftgegner ist der Anwohnerschutz. Wie berechtigt ist diese Sorge im Allgäu?
Sing: „Den Anwohnerschutz prüft der Planungsverband durch Puffer-Abstände, die je nach Zuordnung der Siedlungsflächen unterschiedlich groß sind. Damit die Windenergie im Allgäu zusammen mit der Bürgerschaft gelingen kann, braucht es immer eine gute informelle und am Ende auch finanzielle Bürgerbeteiligung. Nur wenn Bürger und Kommunen von den Anlagen in ihren Gemeinden profitieren, wird sich eine breite Akzeptanz in der Bürgerschaft einstellen. Gruppierungen, die grundsätzlich gegen die Windenergie sind, wird es immer geben.“
Was muss passieren, damit es mit dem Bau von Windrädern schneller vorangeht?
Sing: „Die Landratsämter benötigen als zuständige Genehmigungsbehörden mehr Personal. Das gilt für die Abteilungen Immissionsschutz und Naturschutz gleichermaßen. Außerdem hängt die Ausbaugeschwindigkeit nun maßgeblich von der Fortschreibung der Regionalpläne bzw. der Ausweisung von sogenannten Konzentrationsflächen für Windkraft durch die Gemeinden ab.“
Bayern will das Luftverkehrsgesetz lockern, um den Windkraftausbau zu vereinfachen. Auch in Ihrer Heimat Lamerdingen und in Mindelheim waren neue Windkraftprojekte jüngst an Vorgaben der Bundeswehr gescheitert. Welche Erfolgschancen räumen Sie der Gesetzesänderung ein?
Sing: „Dass die Bundesratsinitiative der Bayerischen Staatskanzlei Erfolg haben wird, sehe ich verhalten optimistisch. Aber ich bin um den Vorstoß dankbar, da er den Willen zeigt.
Das Projekt in Lamerdingen ist, wie auch Mindelheim, aus meiner Sicht noch nicht gescheitert. Hier laufen Gespräche mit dem Bundeswirtschafts- und Bundesverteidigungsminister über Möglichkeiten, den weiteren militärischen Flugbetrieb in Lagerlechfeld und Windenergie nebeneinander zu vereinbaren. Verlaufen die Verhandlungen positiv, wirkt sich das auf den Regionalen Planungsverband Allgäu auch positiv aus, weil er mehr Untersuchungsflächen bekommt. Wie es weitergeht, werden wir im Sommer oder Herbst wissen.“
Wir brauchen also Geduld?
Sing: „Schon bei den ersten zwei Bürgerwindrädern in Lamerdingen kam es am Ende aufs Durchhalten an. Erst nach 26 Bauvoranfragen und einer Petition im Bundestag haben wir die militärische Zusage zur Genehmigung erlangt. Danach standen uns elf Klagen gegenüber und heute ist alles gut. Wir bleiben dran!“
Vielen Dank für das Gespräch.
Interview: Marco Tobisch
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