Die 55-Jährige aus Dorfen engagierte sich in Sport, Familie und Ehrenamt – ihr Tod bewegt Freunde und Weggefährten tief.
Dorfen - Sie liebte die Natur und insbesondere die Berge. Vor mehr als 30 Jahren begann Kerstin Schüler mit dem Klettern. Zusammen mit ihrem Ehemann Werner (56) erklomm sie auf vielen Fernreisen weltweit unzählige Gipfel, darunter auch mehrere 5000er, wie den Kilimanjaro. Anfang September verunglückte die 55-Jährigen aus Dorfen in den Bergen tödlich. Zurück bleiben neben ihrem Ehemann die beiden Töchter Rona (23) und Jana (21).
Der Witwer Werner Schüler und eine Freundin der Familie, Gudrun Bergdolt, erinnern sich an einen außergewöhnlichen Menschen.
„Kerstin war unglaublich sportlich, sie schwamm, joggte, fuhr Mountainbike. Sie war einfach gerne draußen“, erzählt Schüler. In allen Disziplinen hatte sie Erfolg. So war sie als Jugendliche Westfalen-Meisterin im Mehrkampf mit Spezialisierung auf Speerwurf und Hochsprung, war beim Chiemsee-Langstreckenschwimmen dabei und absolvierte zusammen mit ihrem Mann die olympische Distanz im Triathlon.
„Wenn sich die beiden etwas vorgenommen haben, haben sie es durchgezogen“, erzählt Bergdolt voller Bewunderung für ihre Freunde und meint: „Kerstin war dabei oft der Motor.“ Schüler stimmt zu: „Ja, ich war häufig eher der Laute und Kerstin die Leise. Aber sie war immer diszipliniert, hat mich oft in die richtigen Bahnen gelenkt und so einen besseren Menschen aus mir gemacht.“
Seit 36 Jahren ein starkes Team
Er habe am Wochenende manchmal ausschlafen wollen. Das habe seine Frau selten durchgehen lassen. Um 7.30 Uhr war Joggen angesagt. Sie war sehr auf eine gesunde Ernährung bedacht. „Kerstin wollte auch mich von ihren grünen Smoothies überzeugen“, sagt der 56-Jährige schmunzelnd, „allerdings ohne Erfolg.“ Die beiden waren seit 36 Jahren ein starkes Team. „Kerstin und Werner gab es nur als Einheit“, bestätigt Bergdolt.
Das Paar lernte sich am 1. Oktober 1989 kennen. Da begannen beide ihr Studium der Wirtschaftsinformatik an der Berufsakademie Stuttgart bei Mercedes-Benz. „Am 5. Oktober kamen wir zusammen“, erzählt der 56-Jährige mit leuchtenden Augen. Es habe sofort gefunkt. „Selbst wenn wir uns mal gezankt haben, unsere Beziehung haben wir all die Jahre nie infrage gestellt. Da war einfach ein Grundvertrauen da.“
Töchter musizieren auf Beisetzung
Auch im Studium und später im Berufsleben glänzte Kerstin Schüler mit Bestnoten und Auszeichnungen. Sie war bei den Kollegen für ihren analytischen Verstand bekannt. „Man kann schon sagen, dass Kerstin außergewöhnlich talentiert war“, meint der Witwer. Sie habe ihr umfassendes Wissen aber nie für sich behalten, sondern stets mit anderen geteilt.
Die Verstorbene ist im Münsterland geboren und aufgewachsen. Nach gemeinsamen Stationen in Stuttgart, North Carolina, München und im Silicon Valley wurde das Paar schließlich 2002 in Dorfen ansässig. Es bezog ein Haus und baute ein Nest für sich und die beiden Töchter. „Kerstin war auch ein inniger Familienmensch“, erinnert sich ihr Mann. Sie sei immer für die Töchter da gewesen, habe mit ihnen gekocht und Plätzchen gebacken.
Den Eltern war es wichtig, Rona und Jana zu fördern. So hatten beide sportliche und musikalische Erfolge. Bei der Beisetzung ihrer Mutter in Maria Dorfen spielten die Töchter den Pachelbel-Kanon im Streichorchester mit, was viele der über 300 Weggefährten, die Kerstin Schüler die letzte Ehre erwiesen, als sehr berührend empfanden. Auch mit der Familie in Westfalen sei die Verstorbenen zeitlebens in engem Kontakt gestanden.
In Dorfen engagierte sie sich ehrenamtlich in der Orchester Akademie, in der Wasserwacht, in der Leichtathletik, im Alpenverein und im Rotary Club. „Ja, Dorfen ist zu unserer Heimat geworden“, sagt Schüler.
Nachdem die Kinder fürs Studium nach Innsbruck und München gezogen waren, hatten sich die beiden auf einen neuen Lebensabschnitt eingerichtet. „Wir waren so froh, dass wir uns hatten“, sagt der Witwer traurig.
Dass er mit seiner Frau in ihrem viel zu kurzen Leben so viel erlebt hat, wie manch andere nicht in drei Leben, wie es sein Bruder ausgedrückt habe, könne ihn momentan noch nicht trösten. Doch er sei „dankbar, dass Kerstin in meinen Töchtern weiterlebt“. Sie sind beide ein Ebenbild ihrer außergewöhnlichen Mutter.