Der Abholer (23) wurde bei einer in Wolfratshausen fingierten Geldübergabe festgenommen. Vor dem Münchner Gericht erhielt der Ukrainer eine lange Haftstrafe.
München/Wolfratshausen – Die nackten Zahlen zuerst: 3,5 Millionen Euro Schaden entstanden im südlichen Oberbayern 2024 durch 62 vollendete Schockanrufe. Mit der Masche versuchen Betrügerbanden vor allem Senioren abzuzocken. Bis zu 100 Versuche gibt es täglich, nur einzelne funktionieren – dann aber mit oft sechsstelligen Summen. Und die Situation spitzt sich weiter zu, erklärte eine erfahrene Ermittlerin gestern vor dem Münchner Amtsgericht. Dort wurde der Fall eines Abholers verhandelt.
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Von Polen aus war der Ukrainer Mikhaylo V. (23) im Anfang November 2024 zunächst nach München gekommen, um sich an der Masche des Schockanrufs zu beteiligen. Seine Hintermänner telefonierten Senioren mit althergebrachten Namen wie Rudolf oder Ilse ab und wurden bei einem 78-Jährigen scheinbar fündig: Er schien die Lügen-Masche zu glauben, dass ein Enkel von ihm einen tödlichen Unfall verursacht hatte und er jetzt sofort die Kaution zahlen müsse. Rund 60 000 Euro verlangten die Betrüger von Rolf G. (Name geändert).
Doch der Senior war schlauer und rief zwischendrin die Polizei (wir berichteten). Beamte hörten die Gespräche später mit und nahmen Mikhaylo V. bei einer fingierten Geldübergaben auf frischer Tat vor der Haustür fest. Ihn verurteilte das Münchner Amtsgericht gestern zu zwei Jahren und vier Monaten Haft.
Strafe soll abschrecken: Täter müssen mindestens ein Jahr in Haft
Im Prozess hatte V. gestanden und angegeben, er hätte gedachte, nur ein Paket abzuholen – für Freunde. Die hätten ihm einen Job angeboten, „und zu dieser Zeit hätte ich wirklich jeden angenommen“, sagt der junge Mann. Alkohol und Armut hatten sein Leben bestimmt. Und so habe er von den „Freunden“ auch kein Geld für den Auftrag gewollt, „sondern wir vereinbarten, dass sie meine Familie aus der Ukraine nach Polen holen. Das war mir wichtiger.“
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Diese Geschichte fiel schnell in sich zusammen. Denn Ermittler fanden bei Mikhaylo V. vier Handys, über die er Kontakt zur Bande hielt. „Abholer wie er sind ein wichtiger Bestandteil der Bandenstruktur, ohne sie würden die Taten nicht funktionieren“, so eine Ermittlerin. Entsprechend hart werden sie bestraft: nie unter ein Jahr Knast. Das soll abschrecken.
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Geschulte Betrüger übernehmen das Gespräch: Auf Senioren wird Druck ausgeübt
Doch tut es das? Vor Gericht äußerte die Ermittlerin daran Zweifel: Vom Ausland, teils aus normalen Wohnhäusern, rufen die Keiler täglich bei bayerischen Senioren an – oft zur Mittagszeit. In 85 Prozent der Fälle legen sie sofort auf, weil Rentner die Maschen erkennen. Doch nicht immer. Geschulte Betrüger übernähmen dann das Gespräch.
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„Im Hintergrund hört man ein schreiendes Kind, auf die Senioren wird enormer Druck ausgeübt“, sagt die Ermittlerin. „Die älteren Menschen glauben an die Justiz und sind später völlig schockiert, dass sie reingelegt wurden.“ Die Banden hingegen: sehr organisiert und gerissen. Abholer wie Mikhaylo V. „warten in der Gegend auf ihren Einsatz“ Und nehmen Geld oder Schmuck der Senioren an sich, das sie – einmal weggegeben – dann nie wieder sehen.