Gebete gegen den „Schwarzen Tod“: Gebirgsschützen erinnern an Sebastiani-Verlöbnis

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An ihrem Jahrtag ehrt die Gebirgsschützenkompanie (GSK) Wolfratshausen ihren Schutzpatron St. Sebastian. „Der Jahrtag ist einer der wichtigsten Termine überhaupt im Gebirgsschützen-Jahreslauf“, betont GSK-Hauptmann Rainer Lorz. © Sabine Hermsdorf-Hiss

Vor 400 Jahren gründete sich in Wolfratshausen die Sebastiani-Bruderschaft. Laut Legende wirkten deren viele Gebete: Die Pest wurde besiegt. Am Sonntag erinnert die Gebirgsschützenkompanie an das Sebastiani-Verlöbnis.

Wolfratshausen - In den letzten Jahren des 30-jährigen Krieges, anno 1634, greift noch etwas weitaus Bedrohlicheres um sich. Die mangelhafte Ernährung der Menschen und die quasi nicht vorhandenen hygienischen Möglichkeiten begünstigen die Ausbreitung von Seuchen – darunter erneut die Pest, aufgrund des Krankheitsbilds „Schwarzer Tod“ genannt. Rund 350 Männer, Frauen und Kinder – etwa ein Drittel der damaligen Wolfratshauser Bevölkerung – sterben qualvoll. Genaue Zahlen sind nicht überliefert.

Sebastiani-Verlöbnis: Laut Legende breitete Pest sich an Loisach nicht weiter aus

Vor diesem Hintergrund gründete sich vor fast 400 Jahren die Sebastiani-Bruderschaft, eine Gebetsgemeinschaft. Die Legende besagt, dass die Gebete, die an den Heiligen gerichtet wurden, wirkten: Dem Schwarzen Tod konnte Einhalt geboten werden. Am kommenden Sonntag, 19. Januar, erinnert die Gebirgsschützenkompanie (GSK) Wolfratshausen an das sogenannte Sebastiani-Verlöbnis.

Von Sebastians Unverwundbarkeit zeugt dessen Darstellung – der Heilige ist von Pfeilen durchbohrt, gegen die er scheinbar immun war. Die Deutung der im Mittelalter gottesfürchtigen Menschen: Auch die Pfeile der Pest prallen an Sebastian ab, ergo erkoren sie ihn zum Schutzheiligen gegen den Schwarzen Tod. Um den Märtyrer gewogen zu stimmen, ließ die Sebastiani-Bruderschaft 1634 in Wolfratshausen einen zehn Kilo schweren Wachsstock anfertigen.

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Der Docht entsprach mit 300 Metern der Länge des Marktes. Die Bruderschaft versprach (Verlöbnis), dass diese besondere Kerze in allen Gottesdiensten brennt. Das Verlöbnis war von Erfolg gekrönt, laut Überlieferung breitete sich die Pest an der Loisach nicht weiter aus. Historisch belegt ist, dass das Oberland und somit auch Wolfratshausen von der inzwischen dritten Seuchenwelle in den Jahren 1634/35 relativ verschont blieb.

Sebastiani-Verlöbnis in Wolfratshausen: Gebirgsschützen erinnern an Jahrtag daran

Am kommenden Jahrtag der GSK Wolfratshausen werden der Schutzpatron St. Sebastian, die verstorbenen Kompaniemitglieder und die Kompanie selbst geehrt. „Der Jahrtag ist einer der wichtigsten Termine überhaupt im Gebirgsschützen-Jahreslauf“, betont GSK-Hauptmann Rainer Lorz.

Erster Treffpunkt am Sonntag ist zunächst um 10 Uhr der Parkplatz an der Loisachhalle. Dort formiert sich nach Abgabe von Salutschüssen der Kirchenzug, nach dem Gottesdienst in der Stadtpfarrkirche St. Andreas findet auf dem Marienplatz eine Totenehrung statt. Die traditionelle Sebastiani-Prozession durch die Altstadt beginnt gegen 18 Uhr, Treffpunkt für die GSK ist das Schützenheim, die Gewehre bleiben zuhause.

Der Jahrtag ist einer der wichtigsten Termine überhaupt im Gebirgsschützen-Jahreslauf.

Für den aktuellen Pfarrbrief der katholischen Stadtkirche Wolfratshausen hat Ewald Brückl, Ehrenhauptmann der GSK, einen ausführlichen Gastbeitrag zum Thema Sebastiani-Verlöbnis verfasst. Brückl erläutert unter anderem, warum der Märtyrer Sebastian Patron der Schützen ist. Zum einen, weil er die Prätorianer, die Leibwache des römischen Kaisers Diokletian (284 bis 305) befehligte.

Diokletian allerdings ordnete die Tötung Sebastians nach dessen Denunziation als Christ an. Doch die Pfeile, abgefeuert von numidischen Bogenschützen, verwundeten Sebastian zunächst nur. Kaiser Diokletian, mit dessen Namen die letzte und zugleich brutalste Welle der Christenverfolgung verbunden ist, ließ ihn daraufhin mit Knüppeln erschlagen.

Großer Sprung aus der römischen Kaiserzeit ins Mittelalter: Der Schwarze Tod wurde laut der Vorstellung der Menschen Anfang des 17. Jahrhunderts durch die Pfeile von Pest-Dämonen ausgelöst. Brückl: „Da Sebastian aber durch Pfeile nicht getötet werden konnte, glaubten die Menschen, er könne sie auch vor tödlichen Pestpfeilen schützen.“

Laut Recherchen des GSK-Ehrenhauptmanns gab die Sebastiani-Bruderschaft anno 1694 ein „Bruderschafts-Büchlein“ heraus, in dem sich aber nichts zur Sebastiani-Prozession im Markt finde. Dafür gebe es einen Beleg im „Pfarrsalbuch der Pfarr Wölfertshausen“, wahrscheinlich geschrieben um 1600, in dem es heißt: „Am Festtag St. Sebastiani wirdt auf St. Sebastian Alter das Hochambt gehalten (...) auch am Abendt mit einer Prozession von ainem Thor des Markts zum anderen oberen.“

Bruderschaft löste sich nach Ende des Krieges auf

Nach dem Zweiten Weltkrieg löste sich die Bruderschaft in der Flößerstadt auf, aber die jahrhundertealte Tradition lebt durch die Gebirgsschützen weiter. Das Sebastiani-Verlöbnis, bilanziert Ewald Brückl, ist für die Stadt Wolfratshausen und die GSK nicht nur eine Verpflichtung, „sondern ein wesentlicher Teil ihrer Identität“. cce

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