China-Frachter in der Ostsee - Wegen mysteriöser Route von Russen-Schlepper hegen Ermittler jetzt bösen Verdacht
Der Besuch auf der Yi Peng 3 dauerte ganze fünf Stunden – mit Einsatzkräften aus Deutschland, Schweden, Dänemark und Finnland. Doch auf dem chinesischen Frachter mitten im Kattegat waren die Nato-Partner am Donnerstag nur Gäste.
Für den Präsidenten des Bundespolizeipräsidiums war es dennoch eine „beispielhafte Zusammenarbeit“. Eine Kooperation, die Dieter Romann zufolge ohne die chinesischen Partner „nicht möglich gewesen wäre“.
Denn die Untersuchungen auf dem unter Spionageverdacht stehenden Frachter leitet kein Nato-Land, sondern Peking.
Auslandsnachrichtendienst verschärft Ton gegenüber China
Das unter chinesischer Flagge fahrende Schiff ankert in internationalem Gewässer. Den angrenzenden Nato-Ländern fehlt die rechtliche Befugnis, eigenständig zu ermitteln.
Der dänische Politikwissenschaftler Andreas Bøje Forsby glaubt denn auch nicht, dass die am Donnerstag durchgeführte Begutachtung der Yi Peng 3 zur Aufklärung beiträgt.
„Angesichts der offensichtlichen Grenzen dieser Inspektion ist es unwahrscheinlich, dass wir Antworten auf die Frage finden, ob die Yi Peng 3 eine direkte oder indirekte Rolle bei der Beschädigung der Unterseekabel gespielt hat“, sagt der China-Experte dem Tagesspiegel.
Im Visier zahlreicher Ostseeanrainer ist die mehr als 220 Meter lange Yi Peng 3 seit Mitte November.
Damals soll der Frachter mutwillig zwei Datenkabel in der Ostsee zerstört haben, in der Nacht auf den 18. November wurden innerhalb kürzester Zeit an zwei Leitungen zwischen Rostock und Helsinki sowie Schweden und Litauen Schäden festgestellt.
Zu den wahrscheinlichen Tatzeiten befand sich die Yi Peng 3, die nur wenige Tage zuvor aus dem russischen Ostseehafen Ust-Luga ausgelaufen war, öffentlich einsehbaren Schiffsdaten zufolge ganz in der Nähe beider Kabel.
Schnell sprachen die betroffenen Länder von Sabotage, möglicherweise orchestriert aus dem Kreml mit Unterstützung aus Peking?
Erst am Mittwoch verschärfte Dänemarks Auslandsnachrichtendienst FE in seinem Jahresbericht den Ton gegenüber China. Peking und Moskau hätten sich im zurückliegenden Jahr weiter angenähert und eine enge Achse der Autokraten gegründet, Chinas Beziehung zum Westen werde dadurch immer konfliktreicher. Deutlicher als üblich warnte der FE vor der Gefahr aus Peking.
Wohl auch deshalb hat Dänemark – gemeinsam mit Marinebooten aus Deutschland und Schweden – die Yi Peng 3 in den vergangenen vier Wochen nicht aus den Augen gelassen.
Ich kann mir vorstellen, dass das russische Boot die Kommunikation auf der Yi Peng 3 überwacht hat.
Doch nicht nur von der Nato scheint die Yi Peng 3 beobachtet zu werden.
Am Dienstag berichteten verschiedene dänische Medien, dass der russische Rettungsschlepper „Evgeniy Churov“ fast 24 Stunden an der Yi Peng 3 mit langsamer Geschwindigkeit im Kattegat vorbeifuhr – und dabei seine Funksignale zeitweise abstellte.
Hochrangige Diplomatie im Hintergrund
In Nordeuropa wird bereits gemutmaßt, dass der Schlepper den Frachter bespitzelt haben könnte. „Ich kenne die Ausrüstung nicht genau, aber ich kann mir vorstellen, dass das russische Boot die Kommunikation auf der Yi Peng 3 überwacht hat“, sagte der dänische Militäranalyst Jens Wenzel Kristoffersen dem Fernsehsender TV2.
Nur zwei Tage später betreten am Donnerstag Ermittlerinnen und Einsatzkräfte aus vier Nato-Staaten das Schiff.
„Die Chinesen könnten zu diesem Zeitpunkt – nach wochenlangen Verhandlungen und direkten öffentlichen Aufforderungen zur Zusammenarbeit seitens der beteiligten Staaten – kaum zulassen, dass das chinesische Schiff den Ort verlässt, ohne dass irgendeine Inspektion durchgeführt wird“, betont der dänische Politologe Andreas Bøje Forsby.
Seit langem wird vermutet, dass die Kabelschäden die jüngsten in einer Reihe von Angriffen auf kritische Infrastruktur in der Ostsee sind – ein Teil von Moskaus hybrider Kriegsführung im Nato-Meer, mithilfe vom engen Verbündeten aus Peking. Doch Russland wie auch China bestreiten jegliche Sabotage.
Dabei wirken die Umstände der Yi Peng 3 auffällig bekannt: Im Oktober 2023 zog das chinesische Schiff „New Polar Bear“ seinen Anker durch die Ostsee, eine Erdgaspipeline zwischen dem damals neuen Nato-Mitglied Finnland und Estland wurde zerstört.
Peking leugnete jegliche Verstrickung, stufte den Vorfall später als Unfall ein – und reagierte nie auf Rechtshilfeersuchen aus Helsinki oder Tallinn.
Jetzt zeigt sich China gesprächsbereiter – wohl auch, weil es hinter den Kulissen in den vergangenen Tagen zu hochrangigen multilateralen Treffen gekommen ist.
Dänemarks Außenminister Lars Løkke Rasmussen bestätigte dem dänischen Rundfunk, dass es Anfang der Woche mehrere Gespräche zwischen den vier Ostseeanrainern und China gab.
Am Donnerstag gipfelte dieser diplomatische Einsatz dann in einem fünfstündigen Besuch internationaler Ermittler:innen auf der Yi Peng 3. Ergebnisse können weder die deutsche noch die schwedische Polizei dem Tagesspiegel „aus einsatztaktischen“ Gründen mitteilen.
Dabei kam es der Bundespolizei zufolge zu einer „gemeinsamen sachkundigen Inaugenscheinnahme relevanter Schiffsausrüstung und Unterlagen sowie einer gemeinsamen informatorischen Befragung der Crew“ – unter Leitung Chinas.
„Dadurch, dass die Chinesen die volle Zuständigkeit für die Inspektion behalten und wochenlang Zeit hatten, sich vorzubereiten, machen sie eine Geste des guten Willens, die sie anscheinend nicht viel kostet“, betont Andreas Bøje Forsby. „Letztendlich war es sehr schwierig, mit den Chinesen eine bessere Vereinbarung zu treffen, solange sie die volle Zuständigkeit haben.“
Anders ausgedrückt: Peking leitet die Ermittlungen, befragt die Besatzung und führt technische Untersuchungen durch – und vier Nato-Länder schauen als Beobachter mitten im Kattegat zu.
Von Maxi Beigang
Das Original zu diesem Beitrag "„Unwahrscheinlich, dass wir Antworten finden“: Rätsel um chinesischen Frachter Yi Peng 3 noch immer nicht gelöst" stammt von Tagesspiegel.