Deindustrialisierung in vollem Gange – Streit um Wachstumsgesetz löst Entsetzen aus

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Immer mehr Unternehmen verlagern ihre Standorte ins Ausland. In der Bundesrepublik verlieren Tausende Menschen ihre Jobs. Was kann den Wirtschaftsstandort Deutschland retten?

Berlin – Es droht ein Kahlschlag bei der Bahn-Tochter DB Cargo, der Automobilzulieferer ZF baut Stellen ab, Miele verlegt Teile seiner Produktion nach Polen, Continental streicht ebenfalls Arbeitsplätze. Kaum ein Tag vergeht ohne neue Meldungen von „Sparprogrammen“ oder Abwanderungen von Unternehmen. Quer durch die Branchen schlagen Verbände Alarm, vielerorts ist die Politik aufgerufen, ein Konzept zur „Rettung“ des Wirtschaftsstandortes vorzulegen. Die zuständigen Ministerien aber können sich nicht einigen. Welche Schritte müsste die Bundesregierung ergreifen? Aus Wirtschaft und Politik kommen dazu unterschiedliche Stimmen.

Union will Wirtschaftsstandort stärken – Habeck kann sie „nicht ernst nehmen“

Julia Klöckner, wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion, verwies auf „zahlreiche Vorschläge“ der Union. „Die transformative Angebotspolitik von Habeck ist in der Sackgasse gelandet“, zitierte die Wirtschaftswoche die Politikerin. Von Bürokratieabbau über wettbewerbsfähige Unternehmenssteuern und Sozialabgaben bis hin zur Senkung der Energiesteuern habe die Union viele Ansätze zur Stärkung vom Wirtschaftsstandort Deutschland eingebracht. „Die Bundesregierung muss endlich handeln.“

Bundespressekonferenz in Berlin - Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck präsentiert Jahreswirtschaftsbericht 2024 -;Bu
Robert Habeck in Berlin. In der Bundesrepublik verlieren Tausende Menschen ihre Jobs. Was kann den Wirtschaftsstandort Deutschland retten? © IMAGO / Chris Emil Janßen

Beim Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) kam das nicht gut an. Bei der Veröffentlichung des Jahreswirtschaftsberichts sagte Habeck, er könne nicht verstehen, wie die Union Vorschläge für mehr Wirtschaftswachstum „herausposaunt“, aber gleichzeitig Maßnahmen im Parlament „blockiert“, die genau das tun würden. „Ich kann die Opposition da nicht ernst nehmen“, so der Minister. 

Handelsverband verlangt Umsetzung von Wachstumschancengesetz

Vonseiten des Handelsverbands Deutschland (HDE) hieß es, die Bundesregierung müsse dringend das Wachstumschancengesetz verabschieden. Der Verband fordert „mehr Entschlossenheit“ und „eine zügige Verabschiedung“ auch im Bundesrat. „Natürlich wäre eine große Steuerreform, wie die Union sie fordert, und die zu spürbar mehr Wettbewerbsfähigkeit aller deutschen Unternehmen führt, schön. Das erscheint aktuell in der verbleibenden Zeit vor den nächsten Bundestagswahlen nicht mehr realistisch“, sagte Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des HDE, in einer Verbandsmeldung dazu.

Daher sollte „zumindest“ das bereits vorliegende Wachstumschancengesetz durch den Bundesrat gehen. „Die Unternehmen brauchen Entlastungen“, erklärte Genth. Der Verband hob Maßnahmen wie die Investitionsprämie zur Förderung klimafreundlicher Investitionen und die Verbesserung der Verlustverrechnung als besonders wichtig für die Wirtschaft hervor.

Regierung muss die „entfesselte Bürokratie“ bekämpfen

Der Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) warnte ebenfalls vor Einbußen und einer schwierigen Auftragslage in der ganzen Branche. Im Jahr 2024 steht der Elektro- und Digitalindustrie ein Produktionsrückgang um zwei Prozent bevor, eine „leichte Wachstumsdelle“ sei zu erwarten. ZVEI nahm ebenfalls die Politik in die Pflicht. „Will die EU zwischen den USA und China weiterhin eine eigenständige Rolle einnehmen, muss sie den Binnenmarkt konsequenter auf Wachstum ausrichten und von industriefremder Regulierung wie dem EU-Lieferkettengesetz ablassen“, sagte Dr. Gunther Kegel, Präsident des Verbands, dazu.

Außerdem müsse die Ampel-Koalition den „Regulierungs-Tsunami“ und die „entfesselte Bürokratie“ stoppen. Diese schwäche die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen enorm. Kegel führte aus: „Wir brauchen jetzt eine Europäische Union, die industrielle Wertschöpfung in den Fokus stellt.“

Steuern sollten auf „internationales Niveau“ sinken

Zuletzt verlangen viele Akteure branchenübergreifend eine deutliche Absenkung der Steuerlast. „Die Unternehmen des Großhandels wollen nichts weiter, als ihren Job machen zu dürfen“, sagte Dirk Jandura, Präsident des Bundesverbands Groß- und Außenhandel, dazu. „Wir brauchen klare Signale und nicht noch mehr Umverteilung über das Steuersystem. Deswegen plädieren 49 Prozent der Großhandelsunternehmen für eine grundlegende Steuerreform, die die Belastungen auf das internationale Niveau von 25 Prozent senkt.“

Aktuell sieht es danach aus, als käme Deutschland „langsamer aus der Krise als gehofft“. So teilte es Minister Habeck am Mittwoch bei der Vorlage des Jahreswirtschaftsberichts mit. Für das Jahr erwartet die Regierung ein Mini-Wachstum von 0,2 Prozent – in der Herbstprognose waren es noch 1,3 Prozent gewesen. Hauptsächlich sei dafür das „historisch niedrige Wachstum“ des Welthandels verantwortlich. Gerade einer Exportnation wie Deutschland tue das weh. Anfang Februar hatten Christian Lindner (FDP) und Robert Habeck angegeben, Deutschland sei nicht mehr wettbewerbsfähig. Eine Einigung über das Wachstumschancengesetz steht derzeit noch aus.

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