Die Münchner Villa Stuck wird renoviert. Nun eröffnet ihr Interimsquartier in der Goethestraße 54. Und dort ist Einiges geboten.
Die Farbe ist der Knaller. In einem Orange, das man im Nagelstudio „radioactive“ nennen würde, hat Michael Buhrs die Tür streichen lassen, die in sein Museum führt. Jetzt keinen Schreck bekommen, liebe Denkmalschützer: Nicht die Pforte der ehrwürdigen Villa Stuck, dessen Direktor Buhrs ist, knallt jetzt mit der Sonne um die Wette; das prächtige historische Gebäude an der Prinzregentenstraße 60 wird wie berichtet gerade renoviert. Nein, sie leuchtet im Haus an der Goethestraße 54, wo Buhrs und sein Team am 3. Mai 2024 ihre Interimsstätte eröffnen. Einfach dem fröhlichen Orange folgen. Und sich freuen über das, was hier in kürzester Zeit (Umbaubeginn: Januar 2024, sic!) entstanden ist.
Das Interim der Villa Stuck liegt im Münchner Bahnhofsviertel
Südliches Bahnhofsviertel. Alles bisschen rougher als im hübsch abgezirkelten Haidhausen. Auch das Haus selbst, wo man sich auf drei Etagen und in einem 80 Quadratmeter großen Rückgebäude eingerichtet hat, scheint mit seinen unverputzten Wänden, dem abgerockten Treppenhaus wie das glatte Gegenteil der vornehmen Villa Stuck. Und gerade deshalb wie geschaffen für ein inspirierendes Übergangsjahr voller kreativem Um-die-Ecke-Denken.
Michael Buhrs und seine engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten es sich hier ja auch einfach während der Renovierung, die bis Frühling 2025 abgeschlossen sein soll, gemütlich machen können. „Ein Jahr nur Ablage, klar, das wäre eine Möglichkeit gewesen“, meint Buhrs. Und schmunzelt. Weil das für ihn in Wahrheit natürlich überhaupt keine Möglichkeit gewesen wäre. Als klar war, dass die Villa renoviert werden muss, dachte er nicht nur: Wohin mit der Sammlung und den Büros zu dieser Zeit? Sondern auch: Wo weiter Programm anbieten? „Das ist unsere Aufgabe.“ Die Sammlung zu zeigen, wäre aus klima- und sicherheitstechnischen Gründen nicht möglich. Deshalb gingen sie die Extrameile und haben ein eigenes Programm entwickelt; das noch dazu stetig verändert und erweitert wird.
Das Eröffnungswochenende
Jetzt geht’s rund! Das Team der Villa Stuck weiß, wie man sich neuen Nachbarn vorstellt. An Eröffnungswochenende 3. bis 5. Mai 2024 bieten sie ein buntes Eröffnungsprogramm. Am Freitag, 3. Mai 2024, von 16 bis 24 Uhr, am Samstag, 4. Mai 2024, von 12 bis 24 Uhr und am Sonntag, 5. Mai 2024, von 12 bis 20 Uhr. Am Samstag gibt’s beispielsweise den offenen Kinder- und Familienworkshop „Alles neu macht der Mai“ (15 bis 18 Uhr). Von 17 bis 20 Uhr kann man sich von Künstlerinnen wie Barbara Yelin im „lebendigen Porträt-Automaten“ zeichnen lassen. Samstagabend legt ab 21 Uhr DJ Jhorman Peña auf. Das ganze Programm findet man hier.
Zu Beginn schlagen sie ein Kapitel Münchner Geschichte auf, das bisher überblättert wurde. Als sie zur Vergangenheit des Hauses recherchierten, tauchte die Anschrift Goethestraße 54 erschütternd häufig im Kontext jüdischer Münchner zur Zeit des Nationalsozialismus auf. Denn damals war im Haus die Pension Patria. Hier wurden die enteigneten Menschen kurzzeitig einquartiert – auf dem Weg zu ihrer Deportation. Die bisherigen ㈠Informationen über ihre Biografien werden in einem der drei Ausstellungsbereiche präsentiert. Eine Recherche, die stetig weitergeführt wird.
In den Achtzigern wandelte sich die Goethestraße 54 von einem Zwangsraum für Menschen, die ihr Leben ließen, in einen Ort des Miteinanders. Von 1981 bis 1992 war hier der Verein rinascita ansässig. Diese Beratungsstelle für italienische Arbeitsmigranten veranstaltete ein vielfältiges kulturelles Programm. Eine Tradition, an die Buhrs und sein Team nun anschließen. Warum nicht mit den multikulturellen Restaurants aus der Nachbarschaft ein Catering im Haus anbieten? Oder andere Kooperationen eingehen? „Wir sind die Neuen hier und möchten unsere Nachbarn kennenlernen.“ Deshalb haben sie einen Community-Manager engagiert. „Wolfi“ soll dafür sorgen, dass sich auch unter denen, die vielleicht noch nie in der Villa Stuck waren, herumspricht, was im Museum und in der Interimsstätte an spannenden Programmen für alle Altersklassen geboten wird. Als Zuckerl gibt’s freies WLAN im ganzen Gebäude – und auf jeder Etage Räume zum Lesen, Verweilen, Arbeiten.
Im Interim kann man kostenlos verweilen - WLAN inklusive
Die Räume sind sämtlich gefüllt mit Möbeln aus dem Stammhaus, was hinzukam, wurde aus alten Ausstellungswänden der Villa Stuck gefertigt. An manchen Tischen und Regalen entdeckt man noch Texte der jüngsten Kafka-Schau. „Das einzig Neue, das wir anschaffen müssen, ist ein Rollcontainer für die Kasse“, erzählt Buhrs voller Freude über die wirklich einmal nachhaltige Vorgehensweise. Wobei das Wort Kasse irreleitet: Zahlen muss hier keiner. In diesem Interim ist wortwörtlich jeder willkommen – bei freiem Eintritt. Tickets gibt’s nur für die Dokumentierung der Besucherzahlen.
Meine news
Ein bisschen aufgeregt sind sie schon im Team. Vorfreudig aufgeregt. Denn in der Villa Stuck hatten sie Routine, da wussten sie beim Hängen einer neuen Ausstellung, wo ein Werk besonders stark wirkt. Und nun? Wenn die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ihn fragen, wie das künftig in der Goethestraße sein wird, gibt Michael Buhrs eine schöne ㈠Antwort: „Probiert es einfach aus. Wir haben hier ein weißes Blatt – lasst es uns befüllen!“ Ab 3. Mai 2024 in der Goethestraße 54; Di.-So. 12-20 Uhr, Eintritt kostenlos