Am 1. Mai ist wieder Tag der Arbeit. Passend dazu lädt die Pinakothek der Moderne in ihrem neuen Rotundenprojekt zum „Social Seating“: Da legst di nieda.
Jetzt mal kurz kein Getöse. Jetzt mal nicht erreichbar sein, nicht auf einen Bildschirm ㈠starren. Jetzt mal keinen Input, keinen Output. Jetzt mal einfach nur hier sitzen.
Da hat sich die Neue Sammlung – The Design Museum ein feines Rotundenprojekt ausgedacht. In regelmäßigen Abständen darf ein anderes der vier Museen in der Pinakothek der Moderne das große Atrium des Hauses kreativ bespielen. Das Team von Angelika Nollerts Design-Department entschied sich für eine Einladung: Bitte setzen.
„Social Seating“ ist das inzwischen neunte Rotundenprojekt überschrieben, das man mehr als ein Jahr lang – bis 11. Mai 2025 – besuchen kann. Und dies völlig kostenlos, denn der große Eingangsbereich ist ohne Ticket zugänglich.
Die Pinakothek der Moderne lädt dazu ein, ins Gespräch zu kommen
15 Sitzobjekte nach Entwürfen internationaler Designer aus den Fünfzigerjahren bis heute stehen jetzt in der Rotunde der Pinakothek der Moderne. So angeordnet, dass die darauf Hockenden einander zugewandt sind. Vor dem Hintergrund wachsender sozialer Entfremdung durch die zunehmende Digitalisierung des gesellschaftlichen Lebens soll dieses Projekt ein Anstoß sein, in direkten Kontakt mit seinem Gegenüber zu treten. Ins Gespräch zu kommen, verrückte Idee: ganz analog.
Designern wie Verner Panton (1926-1998) gelang es, Möbel zu schaffen, die mehr sind als bloße Sitzgelegenheiten. Pantons „Cloverleaf“ (1969) schlängelt sich in lebensbejahenden Orange-, Rot-, Violett- und Pink-Tönen vor den Kassen entlang und lädt dazu ein, sich niederzulassen. Man tut’s mit Freuden. Und beginnt, so völlig für sich, mal nachzuspüren, wie das ist: zu sitzen. Tun wir ständig, manchmal stundenlang, ohne Unterbrechung. Wie fühlt sich der Popo an, wie die Oberschenkel, und was machen die Füße? Locker baumeln oder fluchtbereit stehen? Und das Möbelstück selbst? Simon Stanislawskis „Social Softy“ (2024) wirkt schroff wie eine blau eingefärbte Lavalandschaft; doch ist in Wahrheit überraschend weich. Der Hamburger Künstler, den man in München etwa durch die Highlights-Messe vom Stand der Galerie Wunderkunst kennt, möchte der Materialvergeudung eine nachhaltige Ästhetik entgegensetzen. Sein „Social Softy“-Sofa ist aus dem Inneren von abgenutzten Schaummatratzen gefertigt, die sonst auf der Mülldeponie gelandet wären.
Auch eine Bierbank steht in der Rotunde der Pinakothek der Moderne
Weich und verspielt auch der „Pratone forever Greener“ (1966/2021) des italienischen Designkollektivs Gruppo Strum. Wie gepflanzt aus grün eingefärbtem Polyurethanschaum. Wer sich traut, wirft sich mit dem ganzen Körper hinein. Leg dich nieder. Verwundert wird manch einer dagegen an der schnöden Bierbank vorbeilaufen – das soll Design sein? Aber hallo. Die Innovation hinter den Tischen und Bänken, die heute in jedem Biergarten stehen, hat einst Rudolf Kurz entwickelt: das Klappmöbelschloss. Durch diese Erfindung ließen sich die stabilen Möbel zusammenklappen und leicht verstauen. Zuvor hatten Gastronomen mit schweren Steckverbindungen hantieren müssen. Bis 1952 Kurz mit seinem Klappschloss daherkam.
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So ist diese Ausstellung auch eine Erinnerung daran, dass wir im Alltag umringt sind von genialen Ideen. Und ein Appell dazu, die Augen dafür zu öffnen und genau hinzuschauen. Deshalb sollte man den dem gesamten Projekt irritierend entgegenlaufenden Plakat-Hinweis auf kostenlosen WLAN-Zugang in der Rotunde geflissentlich ignorieren. Sie wollen einfach nur hier sitzen? Bitte sehr. Bis 11. Mai 2025 in der Rotunde der Pinakothek der Moderne