Putins Schattenflotte: Bedrohung durch möglicherweise hunderte russische Spionageschiffe
Nach Sabotage an einem Ostsee-Stromkabel ermitteln finnische Behörden. Putin könnte nordische Gewässer mit hunderten Frachtern bedrohen.
Helsinki – Destabilisiert Putins Schattenflotte Europas Infrastruktur? Nach der Beschädigung eines Stromkabels auf dem Grund der Ostsee rätselt Europa über das Ausmaß der Bedrohung durch russische Sabotage. Die finnische Behörde für Verkehr und Kommunikation will den Öltanker „Eagle S“ inspizieren, der mit dem Vorfall in Verbindung gebracht wird.
Das meldete die finnische Nachrichtenagentur STT unter Berufung auf die Behörde Traficom. Bei der sogenannten Hafenstaatkontrolle geht es darum, ob internationale Vorschriften zum Betrieb eingehalten werden. Im Zweifel kann das Schiff so lange festgehalten werden, bis etwaige Mängel behoben sind. Die Inspektion werde durchgeführt, sobald die polizeilichen Ermittlungen es erlauben, so der Bericht.
Bedroht Putins Ukraine-Krieg Europa? Russlands Schattenflotte könnte aus hunderten Schiffen bestehen
Die „Eagle S“ gehört laut EU zur russischen Schattenflotte. Gemeint sind damit Tanker und andere Frachtschiffe, die Russland benutzt, um Sanktionen infolge der Invasion in die Ukraine zu umgehen, etwa beim Öltransport. Die Schiffe fahren im Auftrag Russlands unter fremder Flagge und haben oft komplizierte Eigentümerstrukturen.
Laut einem Bericht des Spiegel könnte Putins Schattenflotte aus hunderten Schiffen bestehen, einschließlich zahlreicher ziviler Schiffe, die nordische Gewässer durchkämmen. Diese Schätzung stammt von skandinavischen Forschern. Die gesammelten Daten, so berichtet der dänische Fernsehsender DR, gelangen teilweise zu einer geheimen Einheit für Tiefseeforschung, die unmittelbar dem russischen Verteidigungsministerium Bericht erstattet.
Kabel beschädigt: Finnische Behörden vermuten Sabotage – länderübergreifender Aktionsplan zum Schutz
Derzeit liegt die „Eagle S“ östlich von Helsinki vor Anker. Am ersten Weihnachtsfeiertag war das Stromkabel Estlink 2 zwischen Finnland und Estland beschädigt worden. Die finnischen Behörden vermuten Sabotage und setzten den unter der Flagge der Cookinseln fahrenden Öltanker fest. Seit Tagen halten finnische Ermittler das Schiff fest, um die Fragen zu klären. Inzwischen haben sie am Meeresboden eine verdächtige Schleifspur entdeckt. „Die Spur ist Dutzende Kilometer lang“, sagte der zuständige Ermittler Sami Paila.
Nach dem Ausfall des Unterseekabels Estlink 2 wollen die baltischen und nordischen Staaten die Überwachung von Schiffsbewegungen in der Ostsee verstärken. Die Länder arbeiten nach Angaben von Litauens Regierungschef Gintautas Paluckas an einem Aktionsplan, um den Schutz der Energieinfrastruktur sicherzustellen. Litauen selbst wird nach der Beschädigung von Estlink 2 zusätzliche Maßnahmen zur Überwachung ergreifen, wie Energieminister Zygimantas Vaiciunas ankündigte. Die Regierung in Vilnius hatte zuvor bereits Anfang Dezember beschlossen, dass die Sicherheitsbehörden von 2025 an mehrere Objekte stärker schützen werden, die für die Energieversorgung des baltischen EU- und Nato-Landes wichtig sind.
Gezielte Angriffe auf europäische Infrastruktur durch Russland seit Beginn des Ukraine-Kriegs
Neu sind die Sabotageakte an europäischer Energieversorgung nicht. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte laut Spiegel, dass Schiffe in der Ostsee inzwischen nahezu monatlich wichtige Unterseekabel beschädigen. Anfang Dezember wurde etwa ein Datenkabel, das Finnland und Schweden miteinander verbindet, in Mitleidenschaft gezogen. Ein Unterseekabel, das Schweden und Litauen miteinander verbindet, wurde Mitte November durchtrennt, vermutlich von einem chinesischen Handelsschiff mit russischem Kapitän.
Am vergangenen Wochenende wurde ein weiteres Schiff in der Nähe von Estlink 2 gesichtet. Finnische Medienberichte identifizieren das Schiff als den Öltanker „M/T Line“, der offiziell unter der Flagge von Guinea-Bissau segelt, aber von Ermittlern ebenfalls der sogenannten russischen Schattenflotte zugeordnet wird. Laut EU-Chefdiplomatin Kaja Kallas seien die Angriffe keine Einzelfälle, wie sie der Welt sagte. Sie seien Teil eines Musters von absichtlichen und koordinierten Aktionen, um Europas Digital- und Energieinfrastruktur zu beschädigen. Sie hätten seit Beginn des Ukraine-Kriegs zugenommen. (lm/dpa)