Höchste Arbeitslosenquote seit fast 20 Jahren: „Wirtschaftslage ist nicht rosig“
Christoph Winkelkötter, Chef der Wirtschaftsfördergesellschaft gwt, spricht über die Wirtschaftslage, die auch im Landkreis Starnberg schwierig ist. Die Arbeitslosenzahl ist so hoch wie lange nicht.
Landkreis - „Die Zwanzigerjahre dieses Jahrhunderts, das wird das wirtschaftlich schlechteste Jahrzehnt seit Gründung der Bundesrepublik.“ Das prophezeite Manfred Gößl, Chef des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags, dieser Tage. Die negativen Nachrichten aus der Wirtschaft häuften sich in jüngster Vergangenheit auch im Landkreis Starnberg: Der Automobilzulieferer Webasto gibt den Standort Gilching auf und engagiert einen externen Sanierer. Das Gilchinger Laser-Kommunikationsunternehmen Mynaric ist ebenfalls ein Sanierungsfall. Investoren retten das Flugtaxi-Start-up Lilium aus Oberpfaffenhofen im letzten Moment vor der Pleite. Und die Arbeitslosenquote ist mit vier Prozent statistisch so hoch wie seit fast 20 Jahren nicht mehr. Höher lag sie zuletzt 2006 (4,2 Prozent im Jahresschnitt). Frappierend ist der Anstieg um 18 Prozent im Vergleich zu vor einem Jahr.
Wie schätzt der oberste Wirtschaftsförderer im Landkreis die Lage ein? Ein Gespräch mit Christoph Winkelkötter, Geschäftsführer der Gesellschaft für Wirtschafts- und Tourismusentwicklung gwt.
Herr Winkelkötter, wie sehr besorgt Sie die aktuelle wirtschaftliche Situation im Landkreis?
Die Lage ist nicht rosig, aber ich will jetzt auch nicht schwarzmalen. Wir haben natürlich einige Themen gerade, die uns Grund zur Besorgnis geben. Etwa der Anstieg der Arbeitslosenzahl. Selbst wenn nicht alle von ihnen Ihren Arbeitgeber im Landkreis haben: Man muss sich schon vor Augen führen, dass knapp 3000 Leute nicht in Lohn und Brot sind. Es gibt einige Unternehmen, denen es nicht gut geht und die Kurzarbeit angemeldet haben, gerade aus der Automobilindustrie oder jene, die viel Energie für die Produktion benötigen.
Gibt es Branchen im Landkreis, bei denen die Probleme gerade besonders groß sind?
Nein, das kann man so nicht sagen. Nur dass, wenn gekürzt wird, meist die Management-Ebene betroffen ist. Aus dem produzierenden Sektor hören wir, dass die Aufträge zwar da wären, aber mangels Personal nicht immer erfüllt werden können.
Und was macht Ihnen Hoffnung?
Die Unternehmen, denen es so gut wie nie geht. Auch aus der Automobilzulieferer-Industrie habe ich zuletzt mit Firmenchefs gesprochen, die gesagt haben, dass sie seit Januar wieder mehr Aufträge haben. Gerade Unternehmen, die stark exportlastig sind, die in den arabischen, amerikanischen oder asiatischen Raum liefern, geht es sehr gut. Der Region kommt zugute, dass sie nicht nur einen großen Wirtschaftszweig hat wie etwa Ingolstadt mit dem Thema Automobil. Mir macht Hoffnung, dass wir breit aufgestellt sind und auch noch ein starkes Handwerk haben. Und den Tourismus als Wirtschaftsfaktor. Wir haben gute Voraussetzungen, die müssen wir nutzen.
Was wünschen Sie und die Unternehmen sich von der nächsten Bundesregierung?
Die politische Lage besorgt einige. Die innerparteilichen Diskussionen und die über Koalitionen nach der Wahl müssen schnell zu einem Ende kommen – dass wieder Politik gemacht wird, dass für die Unternehmen Klarheit herrscht, dass sie planen können. Ein wichtiges Anliegen ist ihnen neben den Energiepreisen der Bürokratieabbau und die Digitalisierung. Bei der Digitalisierung müssen wir aufholen, etwa im Vergleich zu den baltischen Ländern.
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Lässt die Nachfrage nach Gewerbeflächen im Landkreis nach?
Die Kommunen im Landkreis hatten 2024 sehr gute Gewerbesteuereinnahmen. Wir merken einen Schwenk weg von reinen Büroflächen – die werden so gut wie gar nicht mehr nachgefragt derzeit – hin zu gemischt genutzten Flächen, also sogenannten Büroservicehallen. Ich hatte zuletzt Kontakt zu einem Unternehmen, das deshalb stark an der Region interessiert ist. Ein Standortvorteil ist, dass wir ausreichend Flächen für die Produktion haben. Ein ganz konkretes Beispiel für eine Neuansiedlung ist die Firma Beissbarth, die Präzisions-Messgeräte für die Autoindustrie und Werkstätten herstellt und im März von München an den Air-Tech-Campus Oberpfaffenhofen ziehen wird. Mit ungefähr 100 Mitarbeitenden, von denen schon einige bei uns wohnen.
Wie sehr besorgen Sie globale Faktoren wie die Zölle-Drohungen von US-Präsident Trump?
Wir werden im Landkreis Starnberg jetzt nicht Trumps Zölle verhindern können. Aber man kann sich darauf vorbereiten, indem man neue Absatzmärkte sucht. Das müssen viele Unternehmen sowieso, weil der Binnenmarkt stagniert.