Sag mir, wo die Bäume sind – Kaufbeurer Grüne diskutieren Baumfällungen
Für einen Aufschrei in der Kaufbeurer Bevölkerung und heftige Debatten sorgten zuletzt einige Baumfällungen, wie zum Beispiel auf dem alten Postareal (wir berichteten) oder in den Wertachauen. Wie es künftig gelingen kann, Artenschutz und Bebauung gut auf den Weg zu bringen, und was die Bürger für mehr Stadtgrün tun können, wurde jüngst bei einer Veranstaltung der Grünen Kaufbeuren im Hotel Hasen diskutiert.
Kaufbeuren – Der Kahlschlag in der Bismarckstraße bei der ehemaligen Post löste bei vielen Bürgern Unverständnis aus. Der private Grundeigentümer, eine Immobilienfirma aus Sonthofen, ließ die Bäume aus Sicherheitsgründen fällen. Auch für den Bau des Behördenzentrums gegenüber dem Bahnhof mussten Bäume gefällt werden – entsprechende Ersatzpflanzungen sind allerdings vorgesehen. Immer wieder gehen wegen derlei Fällaktionen im städtischen Bauhof Anrufe verärgerter Bürger ein. Bei aller „Emotionalität“, die das Thema mit sich bringt, sei es wichtig, verschiedene Standpunkte zu berücksichtigen, rief Bürgermeister Oliver Schill zum Dialog auf. Es gelte, beim Interessenkonflikt zwischen dem Erhalt von Grünflächen und der Schaffung von Wohnraum gemeinsam Kompromisse zu finden.
Kahlschlag Postareal – Massaker Wertachauen: Naturschutz versus Verkehrssicherheit
Ob ein Baum aus Sicherheitsgründen gefällt werden muss, sei laut David Nißle, Kreisfachberater für Gartenkultur und Landespflege am Landratsamt, eine Einzelfallentscheidung. Dazu sei die Expertise eines Fachmanns gefragt, der beurteilt, ob ein Baum standsicher ist – Verkehrssicherheit gehe in solchen Fällen vor. Dem gegenüber stehe der Artenschutz, der dabei immer beachtet werden muss, bieten Bäume doch für Vögel, Fledermaus, Käfer und Co. einen ganzjährigen Lebensraum.
Insbesondere bei ortsbildprägenden Bäumen können laut Nißle Gutachten Aufschluss darüber geben, ob ein Baum gefällt werden muss oder erhalten bleiben kann. Solche Gutachten seien allerdings kostspielig und erforderten „viel Fingerspitzengefühl“. Bei alldem sei aber die „Kommunikation, Transparenz und die Bereitschaft, miteinander zu reden das Wichtigste“, so Nißle.
Kahlschlag Postareal – Massaker Wertachauen: Der Wert der Bäume
Dass Bäume, gerade auch solche mit Schäden, sowie Totholz, als Lebensraum für Tiere einen enormen Stellenwert haben, stellte der Baumexperte klar. Aber auch auf die eigene Wahrnehmung und das seelische Wohlbefinden hätten Bäume große Auswirkungen. Unter anderem bedingt durch die Angst vor Stürmen und damit verbundenen Gefahren habe die Wertschätzung für Bäume in der Gesellschaft abgenommen, bedauerte Nißle. Umso wichtiger sei es, Menschen wieder mehr für die grünen Wunder zu begeistern, fand auch Grünen-Stadträtin Ulrike Seifert:
Zum Beispiel, indem man mehr Anreize schafft, neue Bäume zu pflanzen und alte Bäume zu pflegen. Oder, indem man dem alten Apfelbaum im Garten die Chance auf ein langes Leben gibt – “auch, wenn er keine Äpfel mehr trägt.“ Andrea Gimple vom städtischen Umweltamt forderte indes vor allem in der Innenstadt mehr Baumpflanzungen, sorgen diese doch für kühle Luft: „Wer mag schon in die Stadt zum Shoppen, wenn man dabei ständig am Schwitzen ist?“
Kahlschlag Postareal – Massaker Wertachauen: „Grünflächen zurückerobern“
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„Wir müssen jetzt was tun und für mehr grün in unserer Stadt kämpfen“, stand Gimple mit ihrer Ansicht nicht alleine da. Unter den Besuchern erhitzten „totgeschnittene Sträucher“ und das „Massaker“ in den Wertachauen die Gemüter. Derartige „Frevel gegen die grüne Natur“ müssten für die Verantwortlichen „massive Strafen“ nach sich ziehen, forderte ein Besucher.
„Es ist Zeit zu handeln“, rief eine andere Besucherin die Bürger Kaufbeurens dazu auf, sich nach dem Vorbild von Städten wie München die „Grünflächen zurückzuerobern“. Was das Schicksal der Wertachauen als Naherholungsgebiet angeht, schaute Schill optimistisch in die Zukunft: Der Bürgermeister stellte in Aussicht, die Wertachauen zu erwerben und damit in öffentlichen Besitz zu bringen, „falls sich die Möglichkeit dazu ergibt“.
Um mehr Transparenz in Sachen Fällungen zu schaffen, hat die Stadt vor wenigen Tagen zu einem Ortstermin in den Wertachauen mit dem Förster geladen.