Ortstermin im Auenwald: Stadt Kaufbeuren setzt auf Transparenz bei Fällungen

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Auf einer Rodungsfläche in den Wertachauen hat Förster Stark mal wieder eine Spaziergängerin ausgemacht – seiner Ansicht nach ein äußerst riskantes Vergnügen. © Foto: Gattinger

„Transparenz wird heutzutage zurecht gefordert, wenn es um Baumfällungen geht“, erklärt der städtische Förster Richard Stark beim Ortstermin zum Eschentriebsterben in Kaufbeuren. „Doch grenzenlose Transparenz ist kaum möglich.“ Im Stadtgebiet würden jährlich Zehntausende Bäume eingeschlagen, so Stark, Zehntausende wüchsen nach. In den Wäldern des Stadtgebiets, so der Förster weiter, gebe es rund eine Million Bäume. Dennoch hatte die Stadt Kaufbeuren den Ortstermin anberaumt, um Transparenz zu schaffen in Bezug auf das Eschentriebsterben und wie man damit umgeht.

Kaufbeuren – Wir befinden uns in einem Waldstück unweit der Füssener Straße Richtung Biessenhofen neben einer halb umgestürzten Esche, die nur noch von wenigen Wurzelteilen gehalten wird. Mit dabei: Förster Richard Stark, der beauftragte Stadtrat für Bauhof und Stadtgärtnerei Karl Eichinger (FW), mehrere Bedienstete des Bauhofs, aus dem Umweltamt sowie der Liegenschaftsverwaltung.

„Wann so ein Baum final umfällt, entscheidet sich im Wurzelwerk“, erklärt der Förster, „und das können wir nicht sehen.“ Der Pilzbefall, der für das Eschensterben verantwortlich ist, beginnt in den Blättern und verursacht dann allmählich sichtbare Schäden in der Krone. Danach kommen Rinden-Nekrosen an den Stämmen hinzu.

90 Prozent aller Baumfällungen im Stadtgebiet, sagt Förster Stark, gingen auf das Konto des Eschentriebsterbens, die restlichen zehn Prozent zugunsten von Baumaßnahmen wie der Erneuerung der Eisenbahnüberführung an der Augsburger Straße oder dem Bau des Behördenzentrums in den Jordananlagen gegenüber dem Bahnhof.

Artenschutz oder Menschenschutz?

Ob man den Baum sofort fällt oder noch wartet, entscheide eine Art Hochrechnung in Bezug auf die Widerstandsfähigkeit der nicht einsehbaren Wurzeln, erklärt Stark. Diese Hochrechnung macht derjenige, der im Fall die Verantwortung trägt. Gefährlich dabei: Auch stark befallene Bäume können manchmal noch grün tragen und so für den Laien gesund aussehen. Kranke oder tote Bäume, erklärt Förster Stark, seien ohnehin nicht oder so gut wie nicht mehr in der Lage, CO2 zu binden. Wenn man sie entnimmt, schaffe man Platz für Nachwuchs und fördere die Waldverjüngung.

An stark frequentierten Orten oder in unmittelbarer Nähe zu Verkehrswegen oder gar Spielplätzen werden die Verantwortlichen logischerweise schneller zur Säge greifen als an unzugänglichen Stellen im Dickicht. Bevor man fällt, wird man in der Regel versuchen, die Stabilität des befallenen Baums durch Rückschnitt zu verlängern, sodass er noch eine Weile bleiben kann, so Stark. Das sei jedoch wesentlich teurer als eine Fällung. 1.000 Euro kämen da schnell zusammen, erklärt der Förster.

Förster stark mit toter Esche
Hier hat die Wurzel den Kampf bereits aufgegeben. Der Baum ist akut umsturzgefährdet. © Foto: Gattinger

Ein international vernetzter Bösewicht

Umweltamtsleiter Andreas Schmal zieht an dieser Stelle den Vergleich zum Ulmensterben in Deutschland vor einigen Jahrzehnten. Damals seien die Ulmen so nachhaltig dezimiert worden, dass es nennenswerte Ulmenbestände in Deutschland heute nicht mehr gebe. Das Eschentriebsterben sei ebenso dramatisch, wenn man auch hier die Hoffnung habe, dass die Esche sich gerade daran macht, Resistenzen gegen den Pilz zu entwickeln. Der kommt übrigens ursprünglich aus Japan, hat sich weltweit rasant ausgebreitet und trägt hierzulande den niedlich anmutenden Namen „Falsches weißes Stängelbecherchen“.

Ortswechsel: Wertachauen. Wir befinden uns auf dem „Areal der Verwüstung“, das bereits mehrere Wellen der öffentlichen Entrüstung provoziert hat. In 50 Meter Entfernung quert eine Spaziergängerin das Gebiet – Privatgrund übrigens. „Und wieder eine, die nicht weiß, dass sie sich in Lebensgefahr begeben hat“, kommentiert der Förster die Sichtung und versichert: Das Risiko, von einem Baum erschlagen zu werden, sei hier auch nach den Fällungen allgegenwärtig.

Beim Schlachtfeld im Auenwald

Von Reifen zemantschte Erde, kronenlose Buchenstümpfe, dazwischen jede Menge sogenanntes Totholz – bis auf die Schneise, durch welche die Bäume abtransportiert wurden – wer hier freiwillig lustwandelt, muss einen eigenartigen Geschmack haben.

Die Baumfällungen seien mit Harvestern durchgeführt worden, erklärt Schmal. Anders werde in dergleichen Gebieten schon aus Sicherheitsgründen nicht mehr gefällt. Der gebotene technische Einsatz sei auch dafür verantwortlich gewesen, dass auch etliche Buchen hätten fallen müssen, erklärt Schmal. Deren Stämme blieben jedoch auflagengemäß als „Biotopbäume“ stehen – für Spechte und Fledermäuse.

Nach der Zerstörung die Verjüngung

Und nach dem Kahlschlag? „Wenn Sie in drei Monaten wieder hierherkommen, wird das Areal ganz anders aussehen“, prophezeit Umweltamtsleiter Schmal, der angesichts des mit Totholz übersäten, wasser- und nährstoffreichen Bodens mit einem schnellen Nachwachsen der Vegetation rechnet. Für Förster Richard Stark ist die „Naturverjüngung“ der beste Weg des Wiederaufbaus, denn so entstünden die widerstandsfähigsten Arten. Falls die Verbuschung gegenüber dem Baumbewuchs in den nächsten fünf Jahren überhandnehmen sollte, erklärt Schmal, könnte es passieren, dass der Privateigentümer des Auwalds die Auflage bekommt, Bäume zu setzen.

Wann die anderen betroffenen Areale des Auenwalds durchforstet werden, steht derzeit in den Sternen. Die bisher durchgeführten Rodungen seien rechtlich als „Notmaßnahme“ erfolgt und somit örtlich begrenzt gewesen. Im Laufe des Jahres, so Schmal, werde man klarer sehen. Bis dahin bleibt der Wanderweg aufgrund der Gefahrenlage gesperrt.

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