Leerstand und Neubau-Flaute trotz Wohnungsnot: „Das Letzte, was sich Deutschland jetzt erlauben darf“
Aktuelle Zahlen zeigen: In Deutschland stehen Millionen Wohnungen leer, der Neubau stockt – derweil herrscht Wohnungsmangel. Verbandschefs äußern harsche Kritik.
München – In Deutschland steht jede 23. Wohnung leer – und das, obwohl die Nachfrage nach Wohnraum so hoch ist. Auch München ist betroffen. Denn viele Besitzer schrecken laut einer aktuellen Analyse vor einer Sanierung ihrer leerstehenden Wohnung zurück. Experten und Verbandschefs sehen nun die Politik in der Pflicht.
Gespaltener Immobilienmarkt in Deutschland: Immobilien auf dem Land stehen leer
Nach Erhebungen des aktuellen Zensus gibt es in Deutschland rund 1,9 Millionen Wohnungen, die aus unterschiedlichen Gründen nicht genutzt wurden. Das entspricht einer Leerstandsquote von 4,3 Prozent, wie das Statistische Bundesamt berichtet. „Die Zensus-Zahlen erschrecken uns alle“, sagt Ralph Henger, Ökonom für Wohnungspolitik und Immobilienökonomik am Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln) im Juli. Die hohen Leerstände zeigten, dass der Immobilienmarkt gespalten sei. Während es in den Ballungszentren enormen Wohnungsmangel gebe, stünden in vielen ländlichen Regionen Immobilien leer.
Das Problem bestehe deutschlandweit. „Ostdeutschland ist dabei aber besonders betroffen, da dort die Abwanderung junger Bevölkerungsschichten stärker ist“, erklärt Henger. Dort gebe es teilweise Leerstände von mehr als zehn Prozent. Auch Regionen in Westdeutschland seien davon betroffen, etwa in der Eifel, Franken oder im Saarland.
Leerstand: Angst vor Sanierungen häufiger Grund
Doch ebenso sind extrem beliebte Metropolen, eigentlich bekannt für eklatante Wohnungsnot, davon betroffen. Der aktuelle Zensus registriert für München immerhin rund 22.400 Wohnungen, die nicht genutzt werden, schreibt das Pestel-Institut in einer aktuellen Mitteilung. Das seien 2,7 Prozent vom gesamten Wohnungsbestand in der Stadt. Ein Großteil davon stehe sogar schon seit einem Jahr oder länger leer.
„Das sind immerhin rund 32 Prozent vom Leerstand. Dabei geht es allerdings oft um Wohnungen, die auch keiner mehr bewohnen kann. Sie müssten vorher komplett – also aufwendig und damit teuer – saniert werden“, sagt Matthias Günther, Leiter des Pestel-Instituts. Es sei sehr schwer, solche lange leer stehenden Wohnungen, wieder auf den Markt zu bringen.
Denn viele Hauseigentümer halten sich laut Pestel-Institut mit einer Sanierung zurück: „In ihren Augen ist eine Sanierung oft auch ein Wagnis. Sie sind verunsichert. Sie wissen nicht, welche Vorschriften – zum Beispiel bei Klimaschutz-Auflagen – wann kommen. Es fehlt einfach die politische Verlässlichkeit. Ein Hin und Her wie beim Heizungsgesetz darf es nicht mehr geben“, kritisiert der Leiter des Pestel-Instituts. Außerdem sei eine Sanierung natürlich auch immer eine Geldfrage. Dazu kämen weitere Gründe wie Erbstreitigkeiten oder die Sorge, mit einem Mieter vielleicht nicht auszukommen. Günther zieht daraus ein klares Fazit: „Am Neubau von Wohnungen führt daher auch in München kein Weg vorbei.“
München braucht neue Wohnungen – Verbandschefin kritisiert Ampel
Und davon braucht es laut Wohnungsbau-Prognose des Pestel-Instituts Tausende: Bis 2028 ist in München ein Neubau von rund 11.900 Wohnungen nötig – und zwar pro Jahr. „Der Neubau ist notwendig, um das bestehende Defizit – immerhin fehlen in München aktuell rund 10.500 Wohnungen – abzubauen: Aber auch, um abgewohnte Wohnungen in alten Häusern nach und nach zu ersetzen“, so Günther.
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Das Pestel-Institut hat die Regional-Analyse zum Wohnungsmarkt im Auftrag des Bundesverbandes Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB) durchgeführt. Für dessen Präsidentin Katharina Metzger macht die Untersuchung laut Mitteilung eines deutlich: „Es ist eine Milchmädchenrechnung, die leerstehenden Wohnungen gegen den aktuellen Bedarf an Wohnungen gegenzurechnen. Das funktioniert so nicht. Politiker, die das gerade versuchen, betreiben Augenwischerei“, sagt sie.
Aktuell erlebe die Wohnungsbau-Branche „einen regelrechten Absturz“. Viele Unternehmen hätten bereits Kapazitäten abbauen müssen. „Die Neubau-Zahlen gehen in den Keller. Mauerstein-Hersteller zum Beispiel schließen Werke. Die Entlassungswelle rollt: Der Bau verliert Beschäftigte – darunter gute Fachkräfte. Dabei ist das das Letzte, was sich Deutschland jetzt erlauben darf“, so Metzger.
Bundeshaushalt 2025: Laut Analyse fehlen Milliarden für Wohnungsneubau
Auch der Wohnungswirtschaftsverband GdW beklagte unlängst ein „Trauerspiel ohne Ende“ im Wohnungsbau. „Von politischer Seite passiert viel zu wenig, um dem entgegenzuwirken“, sagte GdW-Präsident Axel Gedaschko. Der Verband vertritt im Wesentlichen die Interessen von Wohnungsgenossenschaften und städtischen Unternehmen, die ihre Wohnungen meist günstiger vermieten als private Gesellschaften. Laut einer kürzlichen GdW-Umfrage unter diesen Mitgliedsunternehmen wollen oder können in diesem Jahr zwei Drittel keine neuen Wohnungen bauen.
Der geplante Bundeshaushalt für 2025 lässt dabei nicht gerade hoffen: Darin fehlen laut Pestel-Institut dringend notwendige Fördermittel für den Wohnungsneubau – allen voran für den sozialen Wohnungsbau. Der benötigt nach Berechnungen der Experten mindestens zwölf Milliarden Euro pro Jahr von Bund und Ländern. Der Bund stelle für 2025 jedoch lediglich 3,5 Milliarden Euro bereit. Mit Material der dpa