Ausgleich für Verluste: Rekrutierung neuer Soldaten sorgt für Zoff in Selenskyj-Regierung
Die Ukraine braucht mehr Soldaten für den Krieg. Die Rekrutierung neuer Soldaten ist jedoch schwierig – und wird jetzt zum Problem für das Land.
Kiew – Angesichts hoher Verluste im Krieg gegen Russland ist in der Ukraine eine hitzige Debatte über einen Gesetzentwurf zur Mobilisierung von Soldaten und über die Wehrpflicht entbrannt. Nachdem die Regierung der Werchowna Rada (ukrainisches Parlament) einen Gesetzentwurf über die Änderung bestimmter Rechtsakte der Mobilmachung, der militärischen Registrierung und des Militärdienstes vorgelegt hatte, sehen viele Abgeordnete noch einen großen Redebedarf. Unter anderem mahnte der Vorsitzende des Ausschusses für nationale Sicherheit, Verteidigung und Geheimdienste des Parlaments, Oleksandr Zavitnevich, Änderungen am Gesetzesentwurf an.
Seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs vor zwei Jahren ist der anfängliche Enthusiasmus vieler Soldaten bereits verflogen. Sie seien nahezu ununterbrochen im Einsatz, ihre Familien können sie nur für kurze Besuche sehen, viele haben bereits Verluste erlitten. Doch einfach abziehen kann man die Soldaten nicht. Deswegen will die Regierung mehr Nachschub organisieren. Der Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, Walerij Saluschnyj hatte bereits vor einiger Zeit Wolodymyr Selenskyj vorgeschlagen, bis zu 500.000 zusätzliche Soldaten zu mobilisieren. Doch in der Gesellschaft stößt das auf Widerstand.
Ukraine: Neuer Gesetzesentwurf zur Mobilisierung und Wehrpflicht der Ukrainer
Die Rekrutierung neuer Soldaten gestaltet sich schwierig. Viele Männer haben bereits das Land illegal verlassen oder sind der Mobilisierung durch Schmiergeldzahlungen entkommen, berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Berichte über Korruption in den lokalen Wehrersatzämtern schlugen so hohe Wellen, dass sich Selenskyj bereits im August dazu veranlasst sah, die Chefs aller Rekrutierungsbüros auf einen Schlag zu entlassen. In Kiew kam es zu Kundgebungen, bei denen Frauen die Demobilisierung ihrer Angehörigen forderten.

Doch jetzt will die Regierung handeln. Der vorgelegte Gesetzentwurf vor, das Wehrpflichtalter von 27 auf 25 zu senken und Vorladungen digital zuzustellen. Bisher ist es in schriftlicher Form geschehen. Strafen für Wehrdienstverweigerer sollen verschärft und in ein Schuldnerregister eingetragen werden. Studenten sollen nur noch von der Wehrpflicht ausgenommen werden, wenn sie ein Vollzeitstudium absolvieren, hieß es in Medienberichten. Zudem ermöglicht der Entwurf eine Demobilisierung für Armeeangehörige, die drei Jahre am Stück an der Front gewesen sind oder aus Kriegsgefangenschaft zurückkehren. Auch auf die ins Ausland geflohenen Ukrainer soll der Druck zur Rückkehr erhöht werden.
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Die Opposition hat jedoch angekündigt, im Parlament gegen den Entwurf zu stimmen. Der Verteidigungsausschuss diskutiert seit vergangenem Donnerstag über den Entwurf. Viele Mitglieder des Ausschusses seien gegen den vorgelegten Entwurf. Der Menschenrechtsbeauftragte des Parlaments, Dmytro Lubynetz, kritisiere zuvor bereits öffentlich den Entwurf, da bestimmte Aspekte mit den Bestimmungen der Verfassung in Konflikt stehen würden, kritisierte er in der Ukrainska Pravda. (jek)