Neue Wege in Kochel: Bürgermeister Jens Müller zieht nach 100 Tagen erste Bilanz
Ende Januar wurde mit Jens Müller (56) erstmals ein Mitglied der Unabhängigen Wählergemeinschaft Kochel (UWK) auf den Chefsessel im Kochler Rathaus gewählt. 100 Tage sind nun vergangen, und Müller hatte bereits einige Hürden zu meistern. Der Tölzer Kurier hat sich mit ihm zum Gespräch getroffen.
Kochel am See – Im Interview mit unserer Zeitung spricht Jens Müller darüber, wie er sich eingearbeitet hat und welche Projekte er in diesem Jahr anpacken möchte.
Herr Müller, seit 100 Tagen sind Sie jetzt im Amt. Wie geht’s Ihnen?
Gut! Es war natürlich viel los. Während des Wahlkampfs ahnte man zwar schon, dass man viel zu tun kriegt, aber das man wirklich zu 200 Prozent eingespannt ist, das muss man erst mal physisch und auch mental hinkriegen. In meinem Alter ist man zum Glück noch belastbar!
Sie sind bei vielen Terminen präsent. Konnten Sie das vorher so abschätzen?
Über den Umfang war ich schon überrascht, aber es ist ja auch eine sehr vielfältige Arbeit. Und ich war ja vorher nicht untätig. Aber man hatte doch mehr geordnete, planbare Freiräume, die hat man jetzt definitiv nicht mehr. Urlaub hab’ ich bislang immer lax genommen, aber jetzt gewinnt die Planung eine neue Bedeutung. Diese Zeit wird dann ab und zu auch notwendig sein.
Thematisch ging es in Kochel gleich richtig zur Sache, zum Beispiel mit dem Zustand der Heimatbühne. Derzeit laufen dort Untersuchungen des Landesamts für Denkmalpflege. Was können Sie dazu aktuell sagen?
Die Untersuchung läuft, und wann wir ein Ergebnis mitgeteilt bekommen, kann ich nicht sagen. Ich bin auf jeden Fall offen für das, was kommt. Diese Entscheidung müssen wir ohnehin akzeptieren. Es wird vielleicht auch gar nicht so viel verändern an dem, was wir jetzt sowieso vorhaben, denn eine Grundsanierung des Gebäudes muss erfolgen. Unsere Verwaltung geht derzeit mit dem Brandschutzplaner durch, was gemacht werden kann, was sinnvoll ist und wo man mit kostengünstigen Maßnahmen das Maximum erreichen kann. Eine Idee ist zum Beispiel, dass man den Saal wieder ohne Heizung betreibt. Das funktionierte bis 1975 auch. Die Sanierung der Heizungsanlage würde uns nämlich sehr viel Geld kosten. Aber wenn wir die Lüftungsanlage rausnehmen und die Wanddurchbrüche zumachen, dann ist der Brandschutz wieder gewährleistet. Der Saal wäre dann halt im Winter weniger in Betrieb. Man könnte auch von außen zuheizen. Es gibt Unternehmen, die so etwas anbieten, und es ist auch vergleichsweise günstig. In meinen Augen wäre das eine akzeptable Zwischenlösung, die müssen wir natürlich noch prüfen lassen. Aber Kino und Restaurant sind in trockenen Tüchern. Wir haben auch noch rausgefunden, dass bis 200 Personen netto im Saal zugelassen sind. Man muss also die Beteiligten auf der Bühne nicht mit einrechnen. Das macht auch noch einen Unterschied aus. Hätten wir das vor dem Frühjahrskonzert der Blaskapelle gewusst, hätten wir gar keine Sondergenehmigung beantragen müssen.
Die Tatsache, dass das Gebäude eventuell unter Denkmalschutz gestellt wird, ist für Sie also kein Albtraum, verstehe ich das richtig?
Die Kochler Bürger hängen sehr an der Heimatbühne, das höre ich immer wieder in vielen Gesprächen. Ein Abriss käme für viele Menschen gar nicht in Frage. In dem Haus steckt sehr viel Geschichte. Sollte das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt werden, kanalisiert diese Entscheidung ja schon, welchen Weg wir als Gemeinde einzuschlagen haben. Wenn es dann auch noch finanzielle Förderungen bei der Sanierung gibt, haben wir nichts dagegen (schmunzelt).
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In der jüngsten Gemeinderatssitzung haben Sie reichlich Gegenwind bekommen, als es um die Neubesetzung der Referentenposten ging. Offensichtlich hatten Sie das Thema im Vorfeld unterschätzt.
Ich habe unterschätzt, was die Personen mit dem Amt verbinden, auch in ihren bisherigen Funktionen. Was ich nicht klar genug deutlich gemacht habe: Es ging ja erst mal um die Neubildung der Referate, nicht um die personelle Besetzung. Die neue Aufteilung meiner Meinung nach ist zeitgemäß, wir hatten beispielsweise bislang kein Referat für Tourismus. Und die sozialen Bereiche sind nun unterteilt, wie es gewünscht wurde. Ich hatte als Idee dazu eine Personenliste geschrieben, aber diese Vorschläge waren wohl zu viel. Es war gut gemeint, aber es war dann in der Sitzung leider nicht mehr zu trennen, dass das eine nichts mit dem anderen zu tun hat. Trotzdem: Ich verstehe bis heute nicht, warum der Antrag auf Nichtöffentlichkeit kam. Da habe ich auch Kopfschütteln bei den Zuschauern bemerkt. Ich nehme jeden Tagesordnungspunkt unter die Lupe, ob er nicht doch öffentlich behandelt werden kann, und selbst, wenn ich ihn dann aufteilen muss. Aber das ist mir wichtig.
Wie geht es jetzt weiter?
Ich fand, in der Sitzung herrschte eine sehr eigenartige Stimmung – so, als wolle man testen, wie reagiert der neue Bürgermeister denn, wenn’s mal nicht gut läuft. Ich bin die Ruhe in Person geblieben und habe nicht auf den Tisch gehauen. Ich hoffe, das hat viele überzeugen können. Ich habe jetzt dem Gemeinderat vorgeschlagen, dass wir eine Klausur machen, wie von einigen gefordert. Dabei wird es an einem Samstagnachmittag um die Referate und um den Umgang miteinander gehen. Ich bin angetreten, um einen gewissen Frieden in den Gemeinderat zu bringen, und da arbeite ich dran. Auch ich bin manchmal schnell flapsig, ich weiß. Ich nehme mich da selbst nicht aus.
Apropos Frieden einkehren lassen: Für Aufmerksamkeit hat gesorgt, dass Sie Ihrem Schlehdorfer Amtskollegen Stefan Jocher den Vorsitz der Verwaltungsgemeinschaft überlassen, zum ersten Mal in der Geschichte der VG. In der Vergangenheit herrschte zwischen den Gemeinden nicht eitel Sonnenschein – und jetzt dieses Zeichen nach außen.
Zu Stefan Jocher habe ich ein gutes Verhältnis. Als Kochler Gemeinderat habe ich leidvoll mitbekommen, wie das Verhältnis schlechter wurde. Politik hat in meinen Augen sehr viel mit Symbolen zu tun. Es war bislang immer „Gesetz“, dass Kochel als größere Gemeinde den VG-Vorsitz stellt, und ich wollte damit zeigen, dass das eben kein Gesetz ist. Außerdem hat es sachliche Hintergründe. Ich möchte mich erst mal als Bürgermeister einfinden, und Stefan Jocher hat in diesem Amt schon viel Erfahrung. An der täglichen Arbeit im Rathaus ändert die Tatsache, dass Schlehdorf jetzt den VG-Vorsitz innehat, übrigens gar nichts.
Vor zwei Jahren waren die Schlehdorfer sehr enttäuscht, weil ihnen die Jahresparkkarte für Einheimische in Kochel verweigert wurde. Wollen Sie das ändern?
Bei dieser Entscheidung hatte ich damals als Gemeinderat ein schlechtes Gewissen. Es hieß immer, es ginge rechtlich nicht. Jetzt haben wir in der VG besprochen, wie der Ablauf erfolgen muss, damit es eben doch geht. Schlehdorf könnte ebenfalls ein Konzept erstellen, damit wir als VG das Parkraumkonzept über alles stülpen können. Schlehdorf wird das jetzt prüfen.
Bleiben wir beim Thema Parkticket. Wird es auch mit der Gemeinde Jachenau bald eine neue, gemeinsame Regelung für Einheimische und Urlauber geben?
Für mich gibt es hier eine Prioritätenliste. Schlehdorf war mir sehr wichtig, wir bilden zusammen eine VG, und auch unsere Vereine arbeiten zusammen. Ich weiß, den Walchenseern ist das Thema sehr wichtig. Wir werden sicher darüber sprechen, vielleicht in ein, zwei Jahren. Es sind im Vorfeld nämlich noch einige rechtliche Fragen zu klären. Letztlich ist es auch eine Frage zum Thema Verkehrslenkung. Generell wäre es ja schön, wenn die See-Anrainer oder Urlauber im Ort mehr mit dem Fahrrad machen, etwa, wenn sie zum Badestrand wollen.
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In Ihrem Wahlkampf sprachen Sie davon, den Tageskurbeitrag abschaffen zu wollen. Wie sieht’s damit aus?
Der Kämmerer würde mir die Rübe runterreißen, wenn ich den von heute auf morgen abschaffe (lacht). Aber im Ernst: Dafür brauche ich natürlich die Zustimmung des Gemeinderats. Ich sehe den Tageskurbeitrag nach wie vor in jeder Beziehung kritisch. Eine Entscheidung zur Abstimmung will aber sauber vorbereitet sein, und es sollen auch Ideen für einen Ersatz oder eine neue Vorgehensweise entwickelt werden, Stichwort Lenkungsfunktion im Tourismus. So würde ich in einem ersten Schritt gerne Tagestouristen, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Fahrrad zu uns kommen, vom Tageskurbeitrag befreien.
Apropos ÖPNV: Vor wenigen Tagen war die MVV-Sitzung, in der besprochen wurde, ob Urlauber in Kochel weiterhin mit der Gästekarte kostenlos in den Landkreis Garmisch-Partenkirchen fahren können. Wie wurde entschieden?
Die Gästekarte darf jetzt wieder im Nachbarlandkreis benutzt werden. Das ist durch, so war es uns auch angekündigt worden. Darüber bin ich sehr froh.
Welche Projekte werden heuer in Kochel wichtig?
Über die Heimatbühne haben wir ja schon gesprochen. Am Walchensee wird auf dem Flake-Areal wieder die Badewiese hergestellt. In Kochel ist zudem eine weitere Kindergartengruppe von großer Wichtigkeit. Sie wird im Gebäude des ehemaligen St.-Anna-Schulheims, wo jetzt schon die neue Krippengruppe ist, untergebracht. Die Räumlichkeit ist also kein Problem. Als Betreiber würden wir gerne wieder mit Montessori zusammenarbeiten. Bei der Krippe läuft das jetzt wunderbar, und für unsere Kochler Kindertagesstätte KoKiTa sind sie schon lange keine Konkurrenz mehr, sondern es gibt ein schönes Miteinander. Der nächste wichtige Punkt ist das Verstärkeramt. Wir haben ja jetzt im Gemeinderat wieder darüber diskutiert. Die jetzige Planung ist einige Jahre alt. Der Umzug des Bauhofs ist wirklich ein drückendes Problem. Außerdem sind hier 16 kommunale Wohnungen sowie Räume für Jugendliche und die Unterbringung von Obdachlosen geplant. Aber für sie hat sich mittlerweile eine andere, schnellere Möglichkeit aufgetan.
Welche?
Im Anbau der Heimatbühne. Dort gibt es unten eine relativ große Wohnung, rund 100 Quadratmeter, mit zwei Bädern. Sie ist nicht im Bestzustand, aber in einem baulich so adäquaten Zustand, dass man mit kleinen Renovierungsmaßnahmen rasch Wohnraum hat. Eigentlich ist es eine zur Heimatbühne gehörende Betriebswohnung, wird aber vom Restaurantpächter nicht genutzt. Wir haben eine Übereinkunft getroffen, dass die Gemeinde sie wieder übernimmt und sozial Bedürftigen zur Verfügung stellt. Es sind mindestens zwei Wohnungen, die wir daraus machen können. Auch in Walchensee werden wir etwas verändern. Dort ist die Notunterkunft in den Räumen über der Tourist-Info. Ich halte das für nicht sinnvoll, weil es wirklich sehr abgelegen ist. Die Idee ist, die Räume als reguläre Wohnungen zu vermieten. Das alles schafft neue Gedankenspiele fürs Verstärkeramt. Aber letztlich müssen wir mit Blick auf den Haushalt natürlich auch schauen, was wir uns leisten können.
In Ihrem Wahlkampf haben Sie auch versprochen, Ratssitzungen in den Ortsteilen abzuhalten. In Walchensee war sie schon, wann ist der Termin in Ried?
Im Herbst, im September oder Oktober. Wir werden dann sicher auch Themen behandeln, die Ried betreffen.