Bürgergeld-Prämie und verschärfte Sanktionen für Totalverweigerer auf der Kippe

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Die Bundesregierung hat mehrere Bürgergeld-Reformen auf den Weg gebracht, aber noch nicht beschlossen. Nun könnten sie durch die Krise der Ampel ganz wegfallen.

Berlin – Die Ampel-Koalition steckt womöglich in ihrer tiefsten Krise bisher. Nachdem Finanzminister Christian Lindner (FDP) am Wochenende ein Forderungskatalog für eine neue Wirtschaftspolitik publik gemacht hat, wurde er kurzerhand von Kanzler Olaf Scholz (SPD) ins Kanzleramt zitiert. Weitere Gespräche folgten mit den SPD-Spitzen, in dieser Woche will Scholz auch noch mit Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) sprechen.

Durch die Koalitionskrise drohen wichtige Vorhaben der Ampel-Regierung nicht mehr final verabschiedet zu werden. Besonders hart würde das Rentner treffen, denn die Bundesregierung hat noch mehrere rentenpolitische Pläne in der Mache. Ebenfalls auf der Kippe stehen aber auch Bürgergeld-Maßnahmen, die noch den Bundestag passieren müssen.

Ampel plant mehrere Bürgergeld-Reformen: Prämie für Bürgergeld-Empfänger und mehr Sanktionen

Seit Anfang September versucht die Ampel-Koalition zentrale Maßnahmen in ihrer „Wachstumsinitiative“ auf den Weg zu bringen. Auch für das Bürgergeld sind Reformen vorgesehen:

  1. Anschubfinanzierung: Wer nach dem Bürgergeld mindestens ein Jahr lang in einem Job beschäftigt ist, soll eine Prämie von 1000 Euro erhalten.
  2. Die zumutbare Pendelzeit für die Aufnahme eines Jobs wird von zwei auf zweieinhalb Stunden pro Strecke erhöht.
  3. Wer einen Job ohne „triftigen Grund“ ablehnt, muss mit einer Bürgergeld-Kürzung um 30 Prozent für drei Monate rechnen. Wer Termine im Jobcenter nicht annimmt, soll ebenfalls bis zu 30 Prozent Leistungsminderung akzeptieren müssen
  4. Die Karenzzeit für das Schonvermögen wird auf sechs Monate verkürzt (von einem Jahr)
  5. Wer im Verdacht steht, eine Schwarzarbeit auszuüben, wird an die Zollverwaltung gemeldet

Doch nun ist fraglich, ob diese Bürgergeld-Reformen auch wirklich kommen. Das Bundeskabinett hat die Maßnahmen am 2. Oktober in Form einer Formulierungshilfe zwar beschlossen; doch bevor die Maßnahmen in Kraft treten können, müssen sie durch das Parlament. Das ist noch nicht geschehen – und steht durch die aktuelle Koalitionskrise nun auf der Kippe.

Bürgergeld-Prämie in der Kritik: Bürgergeld-Empfänger erhalten bereits Prämien

Darüber hinaus gibt es viel Kritik an den geplanten Bürgergeld-Reformen. Besonders die 1000-Euro-Prämie für Bürgergeld-Empfänger, die eine Arbeit aufnehmen, hat für Furore gesorgt. Denn bereits jetzt gibt es Prämien, die die Jobcenter auszahlen können, in Form eines Einstiegsgeldes. Eine einheitliche Höhe des Einstiegsgelds gibt es dabei nicht. Sie hängt von den individuellen Lebensumständen der Bürgergeld-Beziehenden ab und kann sich über die Dauer der Förderung verändern. Faktoren dabei sind laut Bundesagentur für Arbeit die Dauer der Arbeitslosigkeit, die Chancen auf dem Arbeitsmarkt sowie die Lebenssituation, also ob die betroffene Person eine Familie hat oder alleine lebt.

Hubertus Heil sitzt auf der Regierungsbank im Bundestag.
Hubertus Heil im Bundestag. © Bernd von Jutrczenka/dpa

Wenn frühere Erwerbslose eine Ausbildung machen und sie die Zwischen- und Abschlussprüfungen bestehen, erhalten sie die Weiterbildungsprämie. Für eine Zwischenprüfung gibt es dabei 1000 Euro, für eine Abschlussprüfung 1500 Euro – steuerfrei. Ziel dieser Prämien für Bürgergeld-Beziehende ist nicht alleine, einen Anreiz zum Beginn einer Arbeit zu schaffen. Es geht dabei vor allem darum, dass sich die Arbeit – auch in Jobs mit zu geringen Gehältern – lohnt, wenn dadurch bestimmte Sozialleistungen wegfallen.

Schärfere Sanktionen für Bürgergeld-Empfänger: Durch mögliches Ampel-Aus auf der Kippe?

Auch die verschärften Sanktionen sind nach Ansicht der Jobcenter nicht zielführend. Auch die Stimmen aus der SPD sind skeptisch, wie der damalige Generalsekretär Kevin Kühnert zusammenfasste: „Die Annahme, da säßen Hunderttausende faule Leute im Bürgergeld, die alles dafür tun, um nicht arbeiten gehen zu müssen, die ist fachlich einfach nicht richtig“. Tatsächlich sind die Zahlen der sogenannten „Totalverweigerer“ extrem niedrig: höchstens 16.000 Personen haben in den vergangenen Jahren eine Arbeit oder Maßnahme des Jobcenters abgelehnt. Genaue Statistiken werden dazu nicht erfasst.

Das Bürgergeld ist zudem einer der zentralen Punkte, über die sich die Ampel-Koalition gerade streitet. Denn der Haushalt für 2025 muss demnächst beschlossen werden und es klafft eine gewaltige Lücke im Etat. Der FDP-Chef Lindner forderte vor kurzem daher erneut Einsparungen im Ressort von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), etwa durch eine Pauschalierung der Unterkunftskosten beim Bürgergeld und durch eine Absenkung der monatlichen Zahlungen für 2025. „Neue Ausgabenwünsche können nicht erfüllt werden. Im Gegenteil: Wir müssen weiter konsolidieren.“ Dabei gehe es um ineffiziente Subventionen und die Treffsicherheit des Sozialstaates: „Konkret werden wir eine neue Diskussion über weitere Maßnahmen etwa beim Bürgergeld führen müssen.“

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