Trotz Sanktionen: Wie Russland mehr LNG in die EU liefert als vor dem Ukraine-Krieg

  • VonMax Schäfer
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Russland liefert mehr Flüssiggas nach Europa als vor Beginn des Ukraine-Krieges. Für Putin ein gefundenes Fressen. Der Kreml will seine Strategie noch ausbauen.

Moskau – Ende Februar hat die EU die Sanktionen gegen Russland erneut verschärft. Die Staatengemeinschaft wollte im laufenden Ukraine-Krieg ein Zeichen setzen. Ziel der Sanktionen ist laut Union, Russlands „Möglichkeiten zur Fortsetzung der Aggression wirksam zu vereiteln“. Bei der Wirksamkeit stellen sich jedoch Fragen. Das liegt unter anderem an Putins LNG-Strategie, die nun von einer Recherche offengelegt wurde.

Bisher gibt es keine Sanktionen, die den Import von russischem Gas in die EU verhindern. Seit Beginn des Krieges sind die Lieferungen jedoch stark eingebrochen. Von 155 Milliarden Kubikmeter 2021 hat die Staatengemeinschaft 2023 noch 27 Milliarden Kubikmeter importiert.

Russland kann trotz Ukraine-Krieg und Sanktionen Flüssiggas-Exporte erhöhen

Der Import von russischem Flüssiggas (LNG) in die EU hat sich dagegen um 38 Prozent erhöht. Das geht aus Zahlen der Büsseler Denkfabrik Bruegel hervor. Im Januar 2024 hat die EU fast 20 Prozent ihres LNGs aus Russland bezogen. Die größten Abnehmer sind dabei Spanien, Frankreich und Belgien. 80 Prozent der Lieferungen aus Russland kommen dort an. Von dort gelangt das Gas jedoch ins europäische Netz – auch nach Deutschland, wie die Deutsche Umwelthilfe schätzt.

Exportgut Menge 2021 Menge 2023 Prozentuale Veränderung
Rohöl 2.26 Millionen Barrel 0,22 Millionen Barrel -90
Raffinierte Ölprodukte 1,05 Millionen Barrel 0,09 Millionen Barrel -91
Gas 155 Milliarden Kubikmeter 27 Milliarden Kubikmeter -83
Flüssiggas (LNG) 13 Milliarden Kubikmeter 18 Milliarden Kubikmeter +38
Kohle 52 Megatonnen 0 -100
Quelle: Bruegel

Um die LNG-Exporte in die EU zu erhöhen, verfolgt Russland nun offenbar eine neue Strategie. Das geht aus Recherchen der Wirtschaftswoche und LiveEO hervor, die auf der Analyse von Satellitenaufnahmen und Schiffsdaten basiert. Im Fokus steht dabei der Transport des Flüssiggases auf dem Seeweg. Das soll die zerstörten Gaspipelines Nordstream ersetzen.

Eisbrechende Frachter sichern Russlands LNG-Export in die EU auch im Winter

Mit 15 LNG-Frachtern könnte demnach Putins-Regime LNG in großen Mengen nach Europa exportieren. Da die 15 Schiffe mit einer Leistung von knapp 70.000 PS auch mehr als zwei Meter dickes Eis brechen können, ist das auch im Winter möglich. Dadurch kann Russland die Wintermonate überbrücken, wenn herkömmliche Frachter nicht fahren können.

Ein herkömmlicher LNG-Frachter: Russland setzt nun 15 eisbrechende Schiffe ein, um Flüssiggas in die EU zu exportieren. (Archivfoto)

Die Schiffe starten im LNG-Terminal Sabetta am Golf von Ob und fahren schließlich in Richtung der Häfen von Belgien, Frankreich und Spanien. Der wichtigste Hafen ist dabei Zeebrügge in Belgien.

Russlands LNG-Frachter können gesprengte Nordstream-Pipeline nahezu kompensieren

Die Frachter könnten rechnerisch mehr als die Hälfte der ausgefallenen Nordstream-Pipeline kompensieren. 2021 seien im Schnitt fünf Milliarden Kubikmeter Gas nach Europa transportiert worden. Wenn jedes der 15 Schiffe monatlich zwei LNG-Ladungen nach Europa bringen, entspreche das 3,1 Milliarden Kubikmetern, erklärt die Wirtschaftswoche.

Wladimir Putin will die Transporte noch ausweiten und investiert daher fleißig in neue Schiffe. Laut Wirtschaftswoche lässt er derzeit 15 eisbrechende LNG-Frachter bauen – mit Unterstützung aus Europa. Bis zum kriegsbedingten Rückzug kamen die LNG-Tanks vom französischen Hersteller GTT. Bei vier Schiffen seien die Tanks weitestgehend fertiggestellt.

Putin will LNG-Exporte in die EU noch ausweiten und investiert – Kritik an der EU

An der Ostsee baut Gazprom derzeit ein weiteres LNG-Terminal. Ursprünglich war es in Zusammenarbeit mit Shell, ab 2019 dann gemeinsam mit dem deutschen Gaskonzern Linde vorangetrieben worden. Seit Beginn des Angriffs auf die Ukraine ist das russische Staatsunternehmen auf sich allein gestellt. Trotz Verzögerungen wegen einer unklaren Finanzierung und Probleme beim Bau einer Verbindungsleitung von den Tambey-Gasfeldern soll das Terminal in Ust-Luga 2026 in Betrieb gehen.

Durch die Importe von Flüssiggas fließt weiterhin europäisches Geld nach Russland – und kann damit zur Finanzierung des Krieges genutzt werden. Dass die EU das Gas trotz Krieg abnimmt, liegt vor allem an den günstigen Preisen. Die Deutsche Umwelthilfe hatte deshalb in einem offenen Brief zum zweiten Jahrestages des Kriegsbeginns am 24. Februar an die G7 und die EU den Importstopp von russischem Flüssiggas gefordert. (ms)

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