Flüssigerdgas für EU-Staaten: LNG-Geschäft mit Russland brummt
Flüssiggas aus Russland spielt für die EU-Staaten trotz Sanktionen nach wie vor eine große Rolle. Selbst als Umschlagplatz wird mit LNG Geld verdient.
Brüssel/München - Auf EU-Ebene lautet das Vorhaben, sich von russischen Energielieferungen loszusagen, den Kreml damit zu schwächen und schließlich für Europa die Wende hin zu erneuerbaren Energien beschleunigen. In der Realität ist dieses Vorhaben jedoch ein schwieriger und langwieriger Prozess: Denn während der Import von Öl und Kohle nahezu komplett eingestellt wurde, spielt verflüssigtes Erdgas (LNG) eine immer größere Rolle.
Zwar bereiten die Mitgliedsländer der europäischen Staatengemeinschaft derzeit das zwölfte Sanktionspaket gegen Russland vor, doch erreichen dieses Jahr voraussichtlich mehr LNG-Importe als zuvor von Russland aus die Häfen der EU. Zwar sind die Einfuhren fossiler Brennstoffe durch Embargos verboten worden, Erdgas ist davon jedoch ausgenommen – und erreicht die Häfen der Länder Belgien, Frankreich und Spanien. Das erklärt die Financial Times und mit Bezug auf Daten des amerikanischen Instituts für Energiewirtschaft und Finanzanalyse (IEEFA) sowie des europäischen Rohstoff-Analyseunternehmens Kpler aus Brüssel.
EU-Länder importieren für Milliarden Euro Flüssigerdgas aus Russland
Nach der Auswertung seien in den ersten neun Monaten des Jahres 2023 rund 17,8 Milliarden Kubikmeter Erdgas aus Russland in die EU verschifft worden. Die Menge entspricht einem Liefervolumen im normalen Gaszustand – verflüssigt handelt es sich um etwa 30 Millionen Kubikmeter LNG. Dabei sollen die umweltschädlichen Flüssiggas-Importe die Loslösung von der Abhängigkeit zu Russland eigentlich vorantreiben, zuvor gelangte die Energie über Pipelines durch die Ostsee in die Bundesrepublik und andere Länder – doch die wurden bekanntlich gesprengt.
Ausgehebelt wird die Strategie durch die Politik, aber auch die Industrie: Energiekonzerne wie Total aus Frankreich kaufen große Mengen LNG aus Russland, laut der Financial Times beschaffen EU-Importeure in diesem Jahr Rekordmengen an russischem Flüssiggas (LNG). Laut der Nichtregierungsorganisation Global Witness beträgt der Wert von importiertem Flüssigerdgas aus dem Land des Kremls für die ersten sieben Monate des laufenden Jahres 5,3 Milliarden Euro.
Bei den Einzelmärkten seien Belgien und Spanien nach China die größten Abnehmer von LNG aus Russland, auch in Frankreich machen russische Frachtschiffe Station, um Flüssigerdgas in den Westen zu liefern. Den Angaben zufolge beziehen die genannten EU-Länder „erhebliche Mengen“ aus der sibirischen Förderanlage Yamal LNG. Deren größte Anteilseigner sind der russische Erdgasproduzent, China National Petroleum Corporation sowie das französische Energieunternehmen TotalEnergies.
LNG-Importe aus Russland: EU-Staaten als Umschlagsplatz
Der Hintergrund: Von den bisherigen Sanktionen gegen Russland ist der Rohstoff ausgenommen. Liquefied Natural Gas (LNG) ist Erdgas, das in einem aufwändigen Prozess bei Temperaturen von bis zu minus 164 Grad Celsius verflüssigt wird. Russland ist derzeit für etwa 16 Prozent der LNG-Importe in die Europäische Union verantwortlich, den größten Anteil liefern mittlerweile offenbar die USA. Auch Häuser in Deutschland werden nach wie vor (auch) durch LNG-Gas aus Russland gewärmt.
Erstaunlicherweise wird in den EU-Staaten nicht nur mehr LNG-Flüssigerdgas denn je aus Russland importiert: Europäische Händler verdienen auch noch, wenn russische LNG-Importe auf andere Frachtschiffe für den Weitertransport gelangen. Offenbar sind Zeebrügge in Belgien sowie Montoir-de-Bretagne in Frankreich jene Häfen, in denen im laufenden Jahr bislang die größten Mengen von russischem LNG landeten - und von dort aus auch in andere Kontinente gelangten: Nach Angaben des Institute for Energy werden von dem importierten Flüssigerdgas in die EU mehr als ein Fünftel in Nicht-EU-Länder weiterbefördert, darunter nach China, Japan und Bangladesch. Lediglich in Großbritannien sowie den Niederlanden sei der Weitertransport von russischem Flüssigerdgas rechtlich untersagt.
Zu den wichtigsten LNG-Lieferanten für Europa zählen mittlerweile die USA, obgleich der Folgen für die Umwelt:
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Europa benötigt LNG aus Russland - „Versorgungssicherheit nicht gefährden“
Laut der Süddeutschen Zeitung wird die EU im laufenden Jahr zwischen zehn und 15 Prozent ihres Gasbedarfs aus Russland decken. Im Vergleich zu der Zeit vor Kriegsbeginn handelt es sich jedoch um eine deutliche Reduzierung: Da lag der Wert noch bei etwa 40 Prozent. Der Bericht in der Financial Times zitiert derweil einen Sprecher des belgischen Energieministeriums: „Wir sind uns bewusst, wie wichtig es ist, einen Weg zu finden, der die Versorgungssicherheit des europäischen Kontinents nicht gefährdet.“ Man sammele Informationen über wirksame Ansätze und sei „entschlossen, dieses Problem anzugehen“.
Im November hatte sich das EU-Parlament nun für ein Importembargo von russischem Flüssiggas ausgesprochen. Die Abgeordneten riefen in Brüssel dazu auf, die Einfuhr von Flüssiggas (LNG) sowie Autogas (LPG) aus Russland zu stoppen. Das zwölfte Sanktionspaket der EU-Länder gegen das Land von Wladimir Putin nach der Invasion in der Ukraine soll noch im Dezember geschnürt werden. Womöglich könnte dort auch das Thema Flüssigerdgas beinhaltet sein.
EU-Staaten planen Abkehr von Russland - neues Sanktionspaket gegen Russland
Die Europäische Union bleibe einer der größten Abnehmer fossiler Brennstoffe aus Russland, kritisierte das Parlament. Dies liege an fortgesetzten Importen von Pipeline-Gas und Flüssiggas wie auch zahlreichen Ausnahmen von dem Einfuhrembargo für Rohöl und Ölprodukte.Laut Agence France-Press (AFP) sei ein LNG-Verbot weiterhin nicht realistisch. Zu groß scheint die Sorge, dass der Wegfall russischer Energie nicht ausreichend kompensiert werden kann.
Zudem wurden vor Beginn des Ukraine-Kriegs teils langfristige Verträge geschlossen, deren Bruch dafür sorge, dass europäische Unternehmen hohe Entschädigungen an Russland zahlen müssen. Eines davon sei Fluxys aus Belgien, das noch bis 2039 an Yamal LNG gebunden sei. Interessant ist in diesem Zusammenhang, ob sich damit das Ziel der EU umsetzen lässt, 2027 komplett auf russische fossile Energie zu verzichten. (PF)