Putins Schattenflotte auf Kollisionskurs – Warum die EU die Russland-Sanktionen hoch halten sollte

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Russland versucht, Öl-Sanktionen mit einer Schattenflotte zu umgehen. Diese gerät zunehmend in die Krise. Für den Kreml bedeutet das Verluste.

Moskau – Seit mehreren Monaten nehmen die USA und andere westliche Industriestaaten zunehmend das russische Öltransportunternehmen Sovcomflot ins Visier, um gezielte Sanktionen einzusetzen. Sovcomflot soll mit an der russischen Schattenflotte beteiligt sein, die dafür sorgt, dass der russische Präsident Wladimir Putin trotz schweren Sanktionen Öl in die Welt verschiffen kann. Kritiker hatten Russlands Trickreichtum als Argument dafür angeführt, dass die Sanktionen nicht wirken. Aktuelle Zahlen sprechen eine andere Sprache.

Schattenflotte übernimmt Seehandel – wichtige Rolle für Russlands Wirtschaft

Eine kurze Auffrischung: Im September 2022 haben sich die Finanzminister der G7-Staaten darauf geeinigt, einen sogenannten Ölpreisdeckel einzusetzen, um die Einnahmen Russlands aus dem Ölhandel zu beschränken. Konkret hatten sie den Handel mit russischem Öl verboten, solange das Öl die Preisgrenze von 60 US-Dollar pro Barrel überstieg. Russland hatte daraufhin neue Strategien verfolgt: Erstens hatte es sich mehr an Länder wie China und Indien gewandt, weil diese die westlichen Sanktionen nicht mittrugen, zweitens hatte es auf eine sogenannte Schattenflotte gebaut, um trotzdem Öl in den Westen zu bringen.

Bildmontage aus einem Öltanker und Wladimir Putin (Symbolfoto). Russland versucht, Öl-Sanktionen mit einer Schattenflotte zu umgehen. Diese gerät zunehmend in die Krise. Für den Kreml bedeutet das Verluste. © IMAGO / Westend61 & IMAGO / SNA Graviil Grigorov

Vor allem in den sozialen Netzwerken geht häufig die Kritik um, dass die westlichen Sanktionen gegen Russland nicht im gewünschten Maße funktionieren. Auch in den Medien ist immer wieder zu hören, dass Russland viele Sanktionen umgeht, allen voran den Preisdeckel auf russisches Öl – noch im November hieß es, dass Russland Barrel-Preise von über 80 US-Dollar hatte durchsetzen können. Allerdings fällt dabei öfters unter den Tisch, zu welchem Preis Russland diese Umgehungen durchführt.

Unter Berufung auf Daten des KSE Instituts berichtete Financial Times, dass die Rolle der Schattenflotte für Russlands Exporte drastisch gewachsen ist. Im Juni 2024 verschifften die Transporter der Schattenflotte Öl im Wert von 3.272 Kilobarrel pro Tag, die „konventionell versicherte“ Flotte schaffte etwas mehr als ein Zehntel davon. Trotzdem verkaufe Russland sein Öl zu einem Discount-Preis, um nicht auf den geförderten Mengen sitzen zu bleiben. Jetzt droht sich das Engagement in die Schattenflotte zu rächen. Es sei „nicht die Zeit, die Russland-Sanktionen aufzugeben“.

USA sanktioniert einzelne Schiffe der Schattenflotte – und löst Krise aus

Die USA und ihre westlichen Verbündeten hatten längst auf diese Taktiken Putins reagiert und damit begonnen, die Schattenflotte zu sanktionieren. Craig Kennedy, ein Historiker und Russland-Experte, der auch unabhängig an der Harvard-Universität arbeitet, stellte schon im Winter 2023 fest, dass die USA geschickt sanktioniert hatten: Anstelle der Muttergesellschaften einzelner Schiffe hatten sie individuelle Schiffe mit Einschränkungen belegt, was jetzt zu einem drastischen Einbruch der Öllieferungen durch diese Schiffe führte.

Kennedy hatte in seinem Bericht „Navigating Russia“, für den er unter anderem Zahlen von P&I Clubs und Schiffsverfolgungsdaten ausgewertet hatte, dargelegt, dass Russlands Schattenflotte schon seit dem letzten Jahr zunehmend in eine Krise schlittert. Eines der Kernergebnisse: Das Wachstum der Schattenflotte hat jüngst drastisch abgenommen. Das läge keinesfalls an einer Sättigung – ihre Kapazität liege noch weit unter dem, was Russland eigentlich für eine eigenständige Flotte benötigte.

Unter anderem sollen die schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dafür verantwortlich gewesen sein. Russland hatte es schätzungsweise 8,5 Milliarden US-Dollar gekostet, um zu „Rekordpreisen“ alternde Tankschiffe aufzukaufen, die die Schattenflotte auffüllen sollten. Neue Tanker können angeblich nicht genügend Gewinne einbringen, um die enormen Ressourcen, die Russland für sie aufwendet, rechtfertigen zu können. Wirtschaftlich, so erklärt der Russland-Experte Kennedy, wäre es klüger gewesen, auf die konventionelle Flotte zu setzen.

Turbulenzen für Russlands Wirtschaft – Energiesektor wankt

Den aktuellen Zahlen nach schrumpft Russlands Energiesektor derzeit. Im Juni 2024 sind die Einnahmen des Kreml aus dem Export von fossilem Treibstoff um fünf Prozent zurückgegangen, verglichen mit dem Vorjahresmonat. Der Gewinn aus per See verschifftem Crude-Öl betrug rund 227 Millionen Euro pro Tag, was eine Stagnation bedeutete. Allerdings ging der Preis für russisches Crude Oil leicht zurück. Das berichtete das Centre for Research on Energy and Clean Air.

Beim verkauften Gas sieht es etwas kritischer aus. Gazprom, Russlands Gas-Titan, hatte im Mai zum ersten Mal seit 20 Jahren einen Verlust berichtet. Aktuell versuchen die letzten westlichen Länder, die noch an russischem Öl und Gas hängen, sich davon zu lösen. Erdöl und -gas sind zwei der wichtigsten Treiber für Russlands Wirtschaft – sie bringen Milliarden ein. Russland selbst hatte für 2023 noch ein Wachstum mitgeteilt.

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