Lehrkräfte und KI-Experten diskutieren in Weilheim über zukünftigen Unterricht – ein klares Ja für KI-Einsatz
Besser Aufsätze schreiben, individualisierte Nachhilfe, kritisches Nachhaken – wie KI in Schule und Bildung konstruktiv und gleichzeitig wertebasiert genutzt werden kann, war Thema auf einem Lehrerkongress in Weilheim. Fazit: KI könnte einen Quantensprung in Sachen Unterricht bedeuten, wenn Offenheit und Verantwortung zusammenspielen.
Weilheim/Region – KI-Forum. Schule – klang unspektakulär, hatte es aber in sich. Die Wilhelm-Conrad-Röntgen-Mittelschule Weilheim – seit Jahren KI-innovativ im Unterricht unterwegs – hatte einen Lehrerkongress zum KI-Einsatz in der Schule organisiert: mit prominenten Referenten und zahlreichen Workshops. Gekommen waren rund 200 Lehrkräfte aus ganz Bayern. Thema: KI wird den Alltag immer mehr beeinflussen. Schüler müssen frühzeitig ein grundlegendes Verständnis von KI erwerben, um Chancen/Risiken dieser Technologie einschätzen zu können. Gleichzeitig kann KI ein effektives Werkzeug für den Unterricht sein.

Ein paar Beispiele: In Englisch steht laut Lehrplan das Thema Bildbeschreibung an. Schüler geben ihre Beschreibung in ein bildgenerierendes KI-Tool ein und auf dem Bildschirm entsteht ein Foto nach den Schüler-Angaben. Schaut das generierte Foto so aus wie das Original-Bild? Oder müssen jetzt alle grinsen? „So etwas beeindruckt und motiviert die Kids ungemein“, beschrieb eine Realschullehrerin aus Gauting ihre Erfahrung über den KI-Einsatz im Klassenzimmer. Denn die Qualität der Ergebnisse, die von einer generativen KI ausgegeben werden, hängt stark von den Prompts ab, also den Eingaben der Nutzer. Und das müssen die Schüler (und auch die Lehrkräfte) erst lernen.
Auch das Thema Aufsatzschreiben könnte komplett anders aufgezogen werden. Bettina Bucher, Lehrkraft und Beratungsrektorin Systembetreuung an der WCR-Mittelschule Weilheim: „Wieso lassen wir unsere älteren Schüler nicht einfach eine Erörterung per Diktierfunktion erstellen und dann mit PEER (siehe Infokasten) bewerten, wo der Aufsatz verbessert werden muss? Oder eben mit ChatGPT zum Thema XY einen Artikel erstellen lassen und dann selbst überprüfen, ist das alles Internetgeschwurbel oder faktenbasiert, sind Textformalien eingehalten und alle Quellen richtig zitiert worden?“ Schüler arbeiteten außerhalb der Schule schon längst mit KI-Tools bei ihrer Informationsbeschaffung. Wieso nicht diese Realität in den Unterricht holen? Anstatt zu überprüfen, ob die Hausarbeit mit KI erstellt wurde, aktiv diese einbinden, so Buchers Credo. Das Dilemma dabei: In der Schule wird immer noch auf ‚analoge‘ Abschlussprüfungen hingearbeitet, digitale Hilfsmittel sind nicht erlaubt.
Als solche sind KI-Tools aber wenigstens schon für Lehrkräfte möglich. „Wo macht mein Schüler immer die gleichen Fehler? Was sind die effektivsten Übungen für ihn?“ Gerade in der individualisierten Nachhilfe könne KI sehr effizient sein, glaubt Referentin Eva Stolpmann von der ministeriumsnahen Stiftung Bildungspaket Bayern. Dabei hat natürlich der Datenschutz eine hohe Priorität. Stolpmann forderte ein neues Bewusstsein in der Schule vor dem Hintergrund, dass „60 Prozent der akademischen Berufe durch KI ersetzt werden könnten, die Schüler müssen jetzt wissen, wie sie ihre Jobs in Zukunft gestalten.“

Dass KI oft Misstrauen und Ablehnung hervorruft, weiß auch Hauptredner Max Thinius, Zukunftsgestalter, Unternehmensberater sowie Gast im wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung. Sein Vortrag zielte darauf ab, Berührungsängste gegenüber KI abzubauen und Bildung neu zu denken. Dafür müsse sich zunächst die Einstellung ändern: „In China verschicken die Schulen Elternbriefe, dass die Kinder für Hausarbeiten, Tests und Projektarbeiten bitte unbedingt KI nutzen, da sonst das neue Leistungsniveau nicht mehr erreicht werden kann. Und wir diskutieren, ob WLAN im Klassenzimmer abgeschaltet wird.“
Meine news
Braucht‘s KI in der Schule?
Mit dem Wissen der KI könne der Mensch kaum konkurrieren, wohl aber bei der Anwendung dieses Wissens. Dabei richtete der Futurologe einen besonderen Fokus auf: „Was müssen wir wirklich lernen, um mit KI umgehen zu können? Sind das technologische Skills oder geht es vielleicht auch oder eher um Werte, Kommunikation, normativ-ethisches Verständnis?“ Die KI agiere nicht nach dem Grundgesetz, bestenfalls rechtskonform. Für Thinius bestehe hier auch die Stärke Europas gegenüber den Technik-Riesen Asien und USA. „Wir hinken nicht hinterher, wir haben die Vielfalt, wir können das Soziale, unsere Werte in die KI reinbringen. Und das müssen wir auch den Kids beibringen. Wir dürfen ihnen nicht ein IPad in die Hand geben ohne zu zeigen, wie man damit verantwortungsvoll umgeht.“ Für Schule und Ausbildung sehe er mittels KI große Chancen: „Nicht mehr ‚Schuster bleibe bei deinen Leisten‘, sondern optimiere die Leisten mithilfe der Information über Träger, Gebrauch und Nachhaltigkeit – möglichst wertebasiert und auch verantwortungsvoll im Umgang mit persönlichen Daten.“
Einig waren sich in der anschließenden Podiumsdiskussion die Experten aus Wissenschaft, Politik und Lehrerverband. Ein reines Abprüfen von Wissen/Methodenkompetenz werde es in der Schul-Zukunft kaum mehr geben. Es gehe nicht mehr um richtig oder falsch, sondern wie KI-Wissen – angewandt „mit Herz und Charakter“ – das Leben und die Arbeitswelt besser machen könne.
PEER
Hier geht es nicht darum, Aufsätze schreiben zu lassen, sondern zu erkennen, ob man selbst gut geschrieben hat. PEER ist ein KI-Tutor, der an der Technischen Universität München entwickelt wird. Er ist derzeit als Prototyp kostenlos verfügbar. Dieser kann Aufsätze verschiedener Aufsatzarten nach Klassenstufen analysieren. Unter www.peer-ai-tutor.streamlit.app/ können Schüler ihren Aufsatz hochladen (auch als Foto) und dann verbessern lassen. Sofortiges Feedback, das motivieren soll.
Mit den Newslettern von Kreisbote und Das Gelbe Blatt täglich zum Feierabend sowie mit den neuen Apps von Kreisbote und Das Gelbe Blatt immer aktuell über die wichtigsten Geschichten informiert.
Auch interessant
Kommentare
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
wir erweitern den Kommentarbereich um viele neue Funktionen. Während des Umbaus ist der Kommentarbereich leider vorübergehend geschlossen. Aber keine Sorge: In Kürze geht es wieder los – mit mehr Komfort und spannenden Diskussionen. Sie können sich aber jetzt schon auf unserer Seite mit unserem Login-Service USER.ID kostenlos registrieren, um demnächst die neue Kommentarfunktion zu nutzen.
Bis dahin bitten wir um etwas Geduld.
Danke für Ihr Verständnis!