Nach Unwetter: Riesige Welle der Hilfsbereitschaft für blindes Hagelopfer Pit – „Kriege heute noch Gänsehaut“
Nach dem verheerenden Hagelunwetter Ende August haben viele Bürger für Hilfsprojekte im Loisachtal gespendet. Auch bei der Gemeinde Benediktbeuern gingen Spenden ein. Wie haben sich die Projekte entwickelt? Wie wird das Geld ausgeschüttet?
Benediktbeuern/Bichl – Das Hagelunwetter, das am 26. August über Teile des südlichen Landkreises zog, ist eine der schlimmsten Wetterkatastrophen in der Geschichte der Region. Privatpersonen, die durch die Folgen in eine existenzielle Notlage geraten sind, können noch bis 31. März einen Antrag auf Notstandsbeihilfe im Landratsamt einreichen. „Bis jetzt sind 20 Anträge eingegangen“, berichtet Pressesprecherin Sabine Schmid auf Anfrage.
Nach Hagel-Unwetter: Benediktbeuern richtet Hilfefonds ein – Kriterienkatalog zur Auszahlung
Die Hürden, um als Härtefall eingestuft zu werden, sind allerdings hoch. „Vorrangig müssen anderweitig zur Verfügung stehende Mittel ausgeschöpft werden, wie zum Beispiel Versicherungsleistungen, steuerliche Vorteile oder eigenes Vermögen“, heißt es in einer Mitteilung des bayerischen Finanzministeriums.
Kurz nach dem Unwetter hatte die Gemeinde Benediktbeuern als einzige der betroffenen Kommunen einen Hilfsfonds eingerichtet. Viele Menschen, aber auch Vereine, haben in den vergangenen Monaten hierfür gespendet. Mittlerweile sind 85.000 Euro eingegangen. Wer bekommt nun wie viel Geld? Das ist eine Frage, die Bürgermeister Anton Ortlieb in den vergangenen Wochen Kopfzerbrechen bereitet hat.
Mittlerweile wurde im Rathaus ein Kriterienkatalog entwickelt, der zur finalen Prüfung auch der Rechtsaufsicht im Landratsamt vorgelegt wurde. „Wir sind in einem guten Austausch“, sagt Ortlieb. In Kürze sollen rechtlich alle Fragen zur Vorgehensweise geklärt sein.
Geld aus Härtefallfonds wird an Privatpersonen mit Haupt- und Nebenwohnsitz in Benediktbeuern ausgeschüttet
Geld aus diesem Fonds wird in einem Punkteverfahren an Privatpersonen, die ihren Haupt- oder Nebenwohnsitz in Benediktbeuern haben, ausgeschüttet. Für Gebäudeschäden kann man als maximale Unterstützungssumme 3000 Euro beantragen, für Inventarschäden 1000 Euro. Nicht nur Eigentümer, sondern auch Mieter können Geld beantragen, und zwar für Inventarschäden in Höhe von maximal 1000 Euro. Ausbezahlt wird unabhängig von der Versicherung, vorausgesetzt, man kann es entsprechend nachweisen. „Es gibt ja auch Bürger, deren Versicherung nicht alle Kosten übernommen hat“, sagt Ortlieb.
Wo und wie man den Antrag bei der Gemeinde stellen kann, werde in Kürze bekannt gegeben, so Ortlieb. Es wird eine Frist geben, innerhalb derer die Anträge einzureichen sind. Man wird das Formular auch auf der Internet-Seite der Gemeinde abrufen können.
Auch Privatpersonen haben zu Spendenaktionen aufgerufen
Über die Vergabe „wacht“ ein Gremium, das neben dem Bürgermeister noch aus jeweils einem Vertreter von katholischer und evangelischer Kirchengemeinde, Nachbarschaftshilfeverein Zammlebn und VdK besteht. „Der Datenschutz hat oberste Priorität“, sagt Ortlieb. Das Gremium werde alle Anträge durchschauen. Sollte es Unklarheiten geben, werde man auf jeden Fall Belege einfordern, sagt Ortlieb. Wenn die Ausschüttung an Privatpersonen beendet ist, aber noch immer Geld im Fonds zur Verfügung steht, können sich auch Vereine bewerben. „Wir werden das dann kommunizieren“, sagt Ortlieb.
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Wenige Tage nach dem Unwetter hatten zudem Privatpersonen öffentlich zu Spendenaktionen aufgerufen – beispielsweise Beate Kreichgauer. Sie bat um Spenden und Aufräumhelfer für ihren Bekannten Pit Blachetta in Bichl. Der Mann ist blind. Seine kleine Unterkunft hatte schweren Wasserschaden genommen, und alles war voller Scherben. Unsere Zeitung berichtete kurz nach dem Unglückstag über Kreichgauers Hilferuf. „Die Resonanz war riesig“, sagt sie. Am folgenden Wochenende seien rund 40 Freiwillige gekommen, „vom Schüler über Handwerker bis zum Doktor“. Gemeinsam hätten sie aufgeräumt, die Böden erneuert, gestrichen und, was handwerklich selbst zu machen war, wieder hergerichtet. Außerdem seien nach dem Zeitungsbericht rund 6000 Euro an privaten Spenden eingegangen. „Das Geld wurde komplett aufgebraucht für die Erneuerung der Wohnungseinrichtung sowie für Dinge, die wir zum Reparieren kaufen mussten.“
„Ich kriege heute noch Gänsehaut, wenn ich an die Unterstützung denke“
Was sie auch freute, war die Tatsache, dass ein Bichler Landwirt seinen Hänger zur Verfügung stellte, um die Sachen auf den Sperrmüll zu bringen, der Benediktbeurer Supermarkt Getränke spendierte und die Wirtin des „Bayerischen Löwen“ aus Bichl drei Tage lang das Essen für die Helfer zur Verfügung stellte. „Das war großartig. Ich krieg heute noch Gänsehaut, wenn ich an die Unterstützung denke.“
Das Dach des kleinen Anwesens, berichtet Kreichgauer weiter, wurde vom Eigentümer neu eingedeckt, die Fenster wurden ebenfalls ersetzt. Das lief über die Versicherung. Kreichgauer lud im Dezember die Helfer zum Essen ein. „Wir sind mittlerweile eine sehr nette Gruppe und ein fester Kern von rund 15 Leuten, die per WhatsApp Kontakt halten. Wäre die Aktion für Pit nicht gewesen, hätten wir uns nicht kennengelernt.“
Eine öffentliche Spendenaktion hatten im vergangenen September auch die Benediktbeurer „Oldtimerspezl“ initiiert, und zwar über die Online-Plattform „Go fund me“. Der Seite ist zu entnehmen, dass 93 Personen insgesamt 5221 Euro gespendet haben. Wie der Verein auf Nachfrage unserer Zeitung mitteilt, wird man das Geld in Kürze auch an den Fonds der Gemeinde spenden. (müh)
Info zum Härtefallfonds gibt es online auf der Seite des Finanzministeriums: www.finanzministerium.bayern.de/service/finanzielle_hilfen/unwetter_202308/
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