19 Sparten, rund 3500 Mitglieder: Der TSV Gilching-Argelsried zählt zu den größten Sportvereinen im Landkreis Starnberg. Vor 100 Jahren wurde er von sportbegeisterten Menschen gegründet. Das wird am kommenden Wochenende gefeiert.
Christoph „Wuddy“ Seemüller, einst Trainer der erfolgreichen TSV-Fußballdamen, erinnert sich gut an ein Fußballtraining in Sommerhitze, das einst in einer Wasserpistolenschlacht endete. Er lief mit zwei kleinen Spritzchen auf, seine TSV-Damen allerdings waren mit Pumpguns bewaffnet. Bis auf die Unterhose sei er nass gewesen. Seine Erinnerungen und die von weiteren TSV-Größen sind Teil der Aktionen, die der TSV Gilching-Argelsried heuer anlässlich seines 100. Geburtstags initiiert hat. Auch die Ausrichtung des Landkreislaufs zählt dazu. Und ein großes Festwochenende, das am Freitag beginnt.
Die Gründung des Vereins
Aufbruchstimmung herrschte, als der TSV 1925 von Alfons Sendlinger sen. gegründet wurde. Der Krieg war vorbei, die Sportbewegung hatte vor allem die Jugend erfasst. Schon 1921 gab es den FC Argelsried, in einem Nebenraum der Gaststätte Koch legten die Turner unter Georg Suttner aus Gilching und Ingo Stangl aus Jesenwang sonntags los, obgleich es Auseinandersetzungen gab mit der Kirche, weil die Sportstunden die Jugend vom Gottesdienst fern hielt. Auch der Spießbürger war kritisch. Nach vielen Verhandlungen wurde schließlich der Turnverein Gilching-Argelsried aus der Taufe gehoben, mit dem Koch-Saal als Turnraum. Gründungsmitglieder waren neben Alfons Sendlinger Alfons Johann Gerbl, Otto Karotta, Nikolaus Reis, G. Schmidhuber und Xaver Stocker.
„Turnübungen in Ästhetik und Schönheit waren das Gebot der Stunde, daher wurde Fußball zu Beginn noch von der Gesellschaft abgelehnt“, ist in der umfangreichen Chronik zu lesen, die der TSV zum 100. Geburtstag aufgelegt hat. 1927 war es dann aber doch endlich so weit. Bis 1937 zählte der Verein 37 Mitglieder. Dann jedoch wurde der Spiel- und Sportbetrieb wegen des 2. Weltkriegs eingestellt.
Es dauerte, bis sich der TSV nach den Kriegsjahren erholte. 1947 zählte der Verein 36 erwachsene und elf jugendliche Mitglieder, damals lebten in Gilching 2500 Einwohner. Die meisten Aktiven frönten der Leichtathletik, einige spielten Tischtennis oder boxten, dafür hatte das amerikanische Hauptquartier in Oberpfaffenhofen sogar Boxhandschuhe gestiftet. 1947 wurde neben der Brauerei an der Römerstraße ein neuer Sportplatz eingeweiht, was dann auch nach und nach die Fußballer nach Gilching zurücklockte. 1947 gründeten sich weitere Abteilungen wie Handball und Ski. 1948 begann der Verein mit dem Bau einer hölzernen Turnhalle hinter der Brauerei Lenz. Seit 1949 ist der TSV schließlich auch eingetragener Verein. Die Mitgliedszahlen wuchsen beständig, 1955 waren es 174, 1956 schon 210.
Mehr als 2000 Mitglieder
1966 reifte der Plan für ein Sportzentrum heran, es wurde an der Talhofstraße realisiert, ebenso wie eine Mehrzweckhalle, 400 000 Mark kostete diese damals, 1970 wurde sie eröffnet. Sie löste einen neuen Boom aus, mehr als 1000 Mitglieder und neun Abteilungen verzeichnete der Verein 1972. In diesem Jahr wurde auch das Olympische Feuer durch Gilching getragen, ein erhebender Moment. 1976 folgte der Bau eines neuen Vereinsheims, der Mitgliedsbeitrag betrug 48 Mark für Erwachsene. 1985 knackte der Verein die 2000-Mitglieder-Marke.
Das Seilbahn-Unglück in Sölden im September 2005 war ein Schock. Neun Menschen starben, darunter sechs Kinder. Gilchings Skilehrer Dirk Dresen und Ski-Pressewart Hauser kamen ums Leben, zwei Kinder aus dem Verein wurden verletzt.
Seit 2010 führt Peter Kramer nun als Vorsitzender den TSV. Als 2015 die Rathausturnhalle als Erstaufnahmelage für rund 300 Asylsuchende gesperrt werden muss, helfen Kirche und Sozialdienst mit Räumlichkeiten aus. Zahlreiche Mitglieder traten damals aus. Die Corona-Pandemie brachte die nächste Herausforderung und die Finanzen zwischenzeitlich in Schieflage. Doch unbeirrt machten Vorstand und Sportler weiter, der Verein erholte sich, im Mai 2025 zählte er 3364 Mitglieder und 19 Abteilungen, darunter Einradfahren, Cricket, Badminton, Bogensport, Crossathletik, Frauenfußball, Judo und viele mehr. Nicht zu vergessen das TSV-Quiz, das heuer zum 50. Mal stattfand.
Interviews mit TSV-Urgesteinen
Gefeiert wird der 100. Geburtstag das ganze kommende Wochenende (siehe Kasten). Neben einer Chronik veröffentlicht der TSV auf Youtube auch Interviews mit TSV-Urgesteinen wie beispielsweise Fußballer Markus Babbel, der ein Urenkel von Gründer Alfons Sendlinger ist und dessen Opa Erwin Belfert, der den Verein nach dem 2. Weltkrieg „quasi aktiviert“ hat, wie er in dem Youtube-Film sagt. Oder Eduard „Edi“ Segerer, der 1972 von seinem Nachbarn mit zum Verein genommen wurde. Segerer prägte die Leichtathletikabteilung des TSV über mehr als 30 Jahre. Er war Deutscher Jugendmeister im Hochsprung und stellte mit 2,16 Metern den bayerischen Hochsprung-Rekord auf. „Die größte Herausforderung war, dass man allen eine Heimat bietet“, sagt er über die Vereinsarbeit. Er begleitete auch den Beitritt zur LG Würm Athletik 1999, „damit haben wir die Leichtathletik weitergebracht“. Europameister Tobias Giehl über 400 Meter Hürden ging aus dieser Gemeinschaft hervor. Dem Verein wünscht Segerer mehr Visionen und „dass er nicht nur verwaltet wird“.
Peter „Schuppi“ Schubert hat 1983 als Jugendtrainer im Fußball angefangen, und ist auch Archivar. „Ich habe am meisten Wert darauf gelegt, dass sie Spaß haben an der Sache und Kameradschaft entwickeln“, sagt er. „Einmal Gilching, immer Gilching“, antwortet er auf die Frage, was ihm der Verein bedeutet. Lukas Schraftstetter, ambitionierter Crossathlet seit der Jugend „hat dieser Sport durch alle Lebenslagen begleitet“. Gemeinschaft, Spaß und Leiden, so bringt er die Crossatlethik auf den Punkt. Und eben Christoph „Wuddy“ Seemüller, 18 Jahre Trainer der TSV-Fußballdamen, der 1973 mit seinen Eltern nach Gilching zog. Seine Kumpels brachten ihn zum Fußball, der Zufall 1993 zum Trainerjob. Sein Motto: „Mit viel Spaß den höchstmöglichen Erfolg zu erzielen.“ Dem TSV Gilching-Argelsried wünscht er „vernünftige Funktionäre, die ihn gesund halten. Finanziell und zwischenmenschlich“.
Das Jubiläumswochenende beginnt am Freitag, 18. Juli, um 16 Uhr mit der offiziellen Eröffnung und einer Sportlerehrung, ab 17 Uhr spielt die Musik. Am Samstag findet ab 9 Uhr auf dem gesamten TSV-Gelände eine Sportveranstaltung aller Abteilungen statt. Ab 17 Uhr gibt es Live-Musik mit „Die Chilies“. Am Sonntag beginnt um 10.30 Uhr ein Festgottesdienst in der „Kiesarena“, gegen 11.30 Uhr startet ein abschließendes Weißwurstessen. Programm: tsv-ga.de.