Wir glauben auch nicht, dass Zitronenfalter Zitronen falten. Aber weshalb glauben wir dann, dann Mietpreisbremsen Mietpreise bremsen?
Das ist so eine Milei-Frage, und die hat der argentinische Regierungschef so beantwortet: Er hat die Mietpreisbremse in Argentinien abgeschafft. Und das Ergebnis war: Das Wohnungsangebot nahm – in Rekordgeschwindigkeit – um 30 Prozent zu.
Gleichzeitig sanken die Mieten um 30 bis 40 Prozent, rechnet die liberale Wirtschaftsprofessor Philipp Bogus vor. Und weshalb hat das geklappt? Weil Zitronenfalter auch keine Zitronen falten.
Jetzt ist alles anders
Javier Milei hat seine Wahl gewonnen. Was bedeutsam ist, weil er von jetzt an wirklich regieren kann, mit Gesetzen im Parlament und nicht mehr nur mit präsidialen Verordnungen. So konnte er eine Arbeitsmarktreform nicht machen, dafür reichte seine Macht nicht.
Jetzt aber ist alles anders. Milei kann die Opposition, die Peronisten, also die Sozialisten, auskontern. Und Argentinien – ausgerechnet Argentinien – zu einem freiheitlichen Land machen. Damit schafft sich Freunde.
Donald Trump zum Beispiel. Und Gegner. Friedrich Merz zum Beispiel, von dem viele dachten, er sei ein Liberaler. Über Milei sagte Merz aber, erstaunlich hart, erstaunlich uninformiert, der ruiniere sein Land und „tritt die Menschen mit Füßen“. Nun haben 41 Prozent der Menschen, die Milei angeblich so knechtet, ihm zu einem grandiosen Wahlsieg verholfen. Zur Erinnerung: Merz brachte es auf 28 Prozent.
Hier kommt Mileis Erfolgsbilanz:
Milei hat die Armutsquote von 50 Prozent (man stelle sich das vor) binnen kurzer Zeit auf 31 Prozent gesenkt. Er hat zwei Millionen Kinder aus der Armut geholt. Milei hat die – arm machende - Hyperinflation drastisch gedrückt – von 20 Prozent (im Monat!) auf unter zwei Prozent.
Milei hat die erdrückenden Staatsausgaben um ein Viertel gesenkt. Man stelle sich für einen Moment vor, die deutsche Bundesregierung wollte die Staatsausgaben um 25 Prozent senken. Milei hat für einen ausgeglichenen Haushalt gesorgt. Mileis Maßnahmen führten zu einem Wachstum der Wirtschaft um fünf Prozent im Jahresvergleich. Apropos Vergleich:
Die deutsche Wirtschaft, jetzt unter der politischen Verantwortung von Friedrich Merz, wächst seit Jahren nicht mehr. Deutschland macht Rekordschulden, so viele, wie in seiner bisherigen Nachkriegs-Geschichte nicht. Und trotzdem fehlt der Bundesregierung Geld.
Immer mehr Betriebe wandern ab. Die energieintensive Industrie warnt inzwischen offen vor ihrem Ende am Standort Deutschland. Das Echo darauf ist erstaunlich ruhig – dabei geht es um Schlüsselindustrien, die Deutschland einst groß gemacht haben – wie die Chemie. In Deutschland wächst seit Jahren nur eins: der Staat. Es gibt immer mehr Beamte, auch in der Regierung.
Der Staatskonsum wächst unaufhörlich, seit 2015 um 25 Prozent. Dafür sinken die privaten Investitionen – bei, kein Wunder, stagnierendem Bruttoinlandsprodukt. „Wenn nichts passiert, stürzt Deutschland ab.“ Sagt Veronika Grimm. Grimm ist Wirtschaftsweise, eine kämpferische Liberale. Grimms Satz ist ein Milei-Satz.
In Deutschland: Deindustrialisierung
Die grassierende Deindustrialisierung Deutschlands macht immer mehr Deutschen Sorgen. Die Stimmung, Friedrich Merz beklagt dies öffentlich, ist mies und wird immer mieser. Die AfD wird stark und immer stärker.
Sozialdemokraten antworten mit: Die Schuldenbremse soll weg („reformiert werden“). Die Schulden sollen steigen. Die Steuern sollen steigen, schlagen jetzt sogar die Genossen vom rechten Flügel der SPD vor, der Seeheimer Kreis. Höhere Steuern auf Erbschaften, Steuern auf Vermögen. Haben höhere Steuern jemals zu mehr Investitionen geführt?
„Steuern sind Raub“, sagt Milei. Steuern sind sozial gerecht, sagen in Deutschland so gut wie alle. An Steuern, sagt der streitbare Ökonom, der in die argentinische Politik als temperamentvoller Quereinsteiger kam, sei nichts sozial und nichts gerecht, denn Steuern seien nicht sozial, sie verkleinerten den Kuchen für alle.
Steuern seien nicht gerecht, denn sie behandeln gleiche Menschen ungleich. Was man an der Steuerprogression, die wir gelernt haben, für selbstverständlich zu halten, sehen kann. Weshalb ist der letzte Euro, den etwa ein Klempnermeister verdient, nur die Hälfte wert? Weshalb steigen die Steuern überhaupt progressiv?
Denn: Auch wenn jeder denselben Steuersatz zahlen würde, trügen die starken Schultern erheblich mehr als die schwachen Schultern – weshalb soll es nicht reichen, dass, wer mehr verdient, mehr zahlt – weshalb muss es überproportional mehr sein? Weil es eine politische Entscheidung ist. Also kein ökonomisches Gesetz.
Team Freiheit oder Team Staat?
Aber: Kein Politiker stellt das in Deutschland überhaupt infrage. Schon gar nicht, seitdem Deutschland die Liberalen (die „richtigen Liberalen?“) abhandengekommen sind.
Milei tut das. Das macht ihn zum Exoten. Besser gesagt: Es machte ihn zum Exoten. Nun aber hat er seine Wahl gewonnen – mit überwältigendem Vorsprung vor den Sozialisten.
Sein Sieg ist nicht nur sein persönlicher Erfolg, sondern, und darin liegt die eigentliche Bedeutung: Zugleich der Sieg einer Idee, kurz gesagt, dieser – in den Worten des liberalen Wirtschaftsprofessors Philipp Bagus, der in Madrid lehrt: Das „Team Freiheit“ ist eben erfolgreicher als das „Team Staat.“
Die meisten Meldestellen werden unter Verantwortung der Union betrieben
Das Team Staat – das war in Deutschland etwa Robert Habeck. Habeck war nicht nur Habeck, der Grüne. Sondern Habeck war auch der machtvolle Träger einer Idee: Dass der Staat der bessere Ökonom sei. Besser, weil effizienter und gerechter.
Der Staat, der darum besser weiß: Welche Autos seine Bürger fahren sollen. Wie sie heizen sollen. Wie Energie gewonnen werden muss. Aber auch: Welche Art von Denken statthaft sein soll und welches eben nicht mehr statthaft ist.
Aktuell nennt man es: „Meldestellen“. Dazu ein Klassiker von Hoffmann von Fallersleben, das so oft wie falsch Kurt Tucholsky zugeschrieben wird: „Der größte Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant.“
Die meisten Meldestellen werden unter der Verantwortung der Union betrieben, von Landesregierungen wie in Nordrhein-Westfalen. Oder, wie man wieder in Hessen sehen konnte, von wo aus zuletzt die staatliche Verfolgung des Liberal-Konservativen Norbert Bolz ihren Ausgang nahm.
Was ein Anarcho-Kapitalist so will
Milei ist ein Liberaler. Ein Superliberaler. Also ein Libertärer. Milei nennt sich einen „philosophischen Anarcho-Kapitalisten“. Ein Anarcho-Kapitalist ist überzeugt von der Kraft der wirtschaftlichen Freiheit jedes Einzelnen. Und die hält er für segensreicher als jeden Eingriff des Staates.
Ein wenig flapsig gesagt: Für einen Anarcho-Kapitalisten ist der Ordoliberale Ludwig Erhard ein Linker. Denn Erhard glaubte, der Staat müsse der Wirtschaft erst einen Rahmen geben, in dem sie agieren müsse. Deshalb griff der „Vater des Wirtschaftswunders“ zu einem scharfen Schwert – und beschränkte die Freiheit der Unternehmen drastisch durch die Kartellgesetzgebung Mitte der Fünfziger Jahre.
Es war zugleich die Geburtsstunde für die Idee des Verbraucherschutzes: Es ist der Job des Staates, den Wettbewerb zu sichern und die Verbraucher vor Raubtierkapitalisten zu schützen. Das steckt dahinter.
Für die österreichische Schule ist die ganze Wirtschaft ein "Entdeckungsprozess"
Erhard Denkart, dass ist die Freiburger Schule – freiheitlich, aber nicht frei vom Staat. Es heißt: „Soziale Marktwirtschaft“. Aus der Sicht liberaler Ökonomen – wie Veronika Grimm oder Justus Haucap – hat sich das Erhardsche System Schritt für Schritt in eine staatsdominierte Wirtschaft verwandelt. Die Zahlen sprechen für diese These.
Neben der liberalen Freiburger Schule gibt es die liberale österreichische Schule – mit den Hauptrepräsentanten Ludwig von Mises und Nicolas Hayek. Sie sind – vereinfacht gesagt – der Meinung, dass der Staat, wo er als wirtschaftliches Subjekt agiert, alles nur schlimmer machen könne.
Weil der Staat nicht wissen kann, was Konsumenten konsumieren und Produzenten produzieren wollen. Für die österreichische Schule ist die ganze Wirtschaft, das Spiel von Angebot und Nachfrage, ein „Entdeckungsprozess“. Diese Denkschule hat nun ihre Klasse verlassen. Sie hat nun einen mächtigen Regierungschef in ihren Reihen: Milei.
Die Linke hat den Kulturkampf gewonnen
Deutschland ist nicht Argentinien, sagt Grimm. So schlimm, wie es dort war – letztlich war Argentinien ein gescheiterter Staat – ist es in Deutschland noch nicht. Aber: Die Parallelen des Abstiegs, argumentiert Professor Bogus, zuletzt in einem Vortrag vor der Mises-Gesellschaft, seien unverkennbar. Deutschland sei „infiziert vom Etatismus“.
Die Linke habe diesen „Kulturkampf“ Team Freiheit gegen Team Staat einstweilen gewonnen. Was jeder sehen könne – etwa am Verbrennerverbot. Oder den laxen Strafen gegen Vergewaltiger. Milei hat die Strafen verschärft – und damit für Täter deren Opferrabatt („schwere Jugend“, „schwierige Sozialisaition im Krieg“) verringert.
In Argentinien hatten auch die Sozialisten schon gewonnen. Jedenfalls – nun, da Milei für mindestens zwei Jahre weitgehend regieren kann, wie er es für richtig hält, ist ihm weltweite Aufmerksamkeit gewiss. Und auch in Bezug auf Deutschland gilt von jetzt an eine Wette: Wer führt sein Land erfolgreicher: Milei oder Merz?