Schock-Video zu illegalen Pushbacks: Serbien-Grenzschutz schickt halbnackte Migranten zurück
Videos sollen die Misshandlung von Geflüchteten an der serbischen Grenze dokumentieren. Die Zahl der Pushbacks in Kooperation mit der EU steigt.
Lojane - Innerhalb von zwei Tagen haben serbische Vollzugskräfte über 70 Menschen gezwungen, sich bei drei Grad Außentemperatur auszuziehen und das Land zu Fuß nach Nordmazedonien wieder zu verlassen. Die Informationen stammen von der nordmazedonischen Menschenrechtsorganisation „Legis“, die sie in einem Thread auf der Plattform „X“ postete, zusammen mit einem vermeintlichen Beweisvideo.
Die Videoaufnahme ist aus einem Fahrzeug heraus gefilmt und zeigt Menschen, die im Dunkeln – nur in Unterwäsche gekleidet und die Arme um den Oberkörper geschlungen – den Rand einer Straße entlanglaufen.
Geflüchtete bei Pushback auch geschlagen und ausgeraubt
Der Guardian berichtet über den Vorfall und gibt an, dass es sich bei den Menschen laut „Legis“-Mitarbeitern um Geflüchtete aus Syrien handelt. Bei den Ereignissen vom 10. Februar geht es also um einen illegalen Pushback. Die NGO berichtet auf „X“ auch, dass die Personen geschlagen und ausgeraubt worden seien. „Legis“ ist nach eigenen Angaben im nordmazedonischen Grenzdorf Lojane mit den Menschen in Kontakt gekommen.
Der „X“-Post weist auch auf einen engen Zusammenhang mit einem Treffen zwischen der EU und Serbien einige Tage zuvor hin. Dort seien „die weitere Kooperation im Kampf gegen den Schmuggel von Migranten, Rückführungsfragen, Kapazitäten für die Aufnahme von Asylsuchenden und Grenzmanagement“ besprochen worden.
Serbien hat Vereinbarung zur Grenzüberwachung mit der EU
Grundsätzlich haben sowohl Serbien als auch Nordmazedonien als Drittstaaten bereits sogenannte Statusvereinbarungen mit der EU, die auch Einsätze der Grenzüberwachungsagentur Frontex auf ihrem Territorium ermöglichen. Letztere steht selbst in der Kritik, illegale Pushbacks von Geflüchteten zu koordinieren, teils mithilfe modernster Überwachungstechnologien. Mit Serbien handelt die EU nach eigenen Angaben derzeit eine erweiterte Vereinbarung aus.
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Wir können sagen, dass es mittlerweile eine gängige Praxis ist.
Als Beitrittskandidatin für die EU ist Serbien genötigt, sich auf deren Forderungen einzulassen. So hat das Land etwa 2022 auf den Druck Brüssels hin die Visa-freie Einreise aus Ländern wie Indien, Tunesien und Burundi abgeschafft.
Der Geschäftsführer des Asylschutzzentrums in Serbien, Rados Djurovic, berichtet laut Guardian von einem Anstieg der gemeldeten Pushbacks aus Serbien nach Nordmazedonien. Er bezeichnet sie sogar als eine „gängige Praxis“. Dazu passt auch der Bericht der Belgrader NGO „Klikaktiv“ vom letzten Jahr, der die Zunahme von Pushbacks an der serbischen Südgrenze bestätigt. An den Einsätzen seien neben serbischen auch deutsche Polizeibeamte beteiligt gewesen.
Menschenrechtskommissarin: Pushbacks sind „dringendes pan-europäisches Problem“
Dunja Mijatović, Europarat-Menschenrechtskommissarin, spricht dem Guardian gegenüber von einer besorgniserregenden Entwicklung in den Mitgliedstaaten. Sie fordert eine sofortige Aufklärung des Falles an der serbischen Grenze. Dieser verstoße gegen die Europäische Menschenrechtskonvention. Illegale Pushbacks seinen ein „dringendes pan-europäisches Problem“.
Menschenrechtsorganisationen wie „Pro Asyl“ kritisieren die Vorgehensweise der EU in Grenzfragen schon lange. Die Kriminalisierung der Einreise von Geflüchteten steht ohnehin im Widerspruch zum allgemeinen Recht auf Asyl. Mithilfe von Abkommen würden Drittstaaten wie Serbien als „Türsteher“ eingespannt und dafür mit Privilegien entlohnt. Das stärke insbesondere autoritäre Staaten.
NGOs kritisieren Kriminalisierung Geflüchteter
In der Kritik steht auch, dass die EU statt in Seenotrettung, die erwiesenermaßen kein Pull-Faktor für Geflüchtete ist, in Militäreinsätze, etwa in Form von Küstenwachen, investiert.
Andere NGOs wie „Borderline Europe“ stellen auch die massive Kriminalisierung von Schleppern infrage. Sie führt etwa dazu, dass diese Flucht-Boote und -Fahrzeuge vorzeitig verlassen und die Geflüchteten sie selbst weiterführen müssen. Dadurch machen sie sich strafbar und riskieren jahrelange Haft. (ses)