Indiens Modi bei Wladimir Putin: Warum die größte Demokratie der Welt weiter zu Russland hält

  1. Startseite
  2. Politik

KommentareDrucken

Es geht um Waffen, Öl – und einen gemeinsamen Nachbarn: Die erste Auslandsreise von Narendra Modi nach seiner Wiederwahl führt den indischen Ministerpräsidenten ausgerechnet in den Kreml.

Vielleicht war es nur Terminproblem, vielleicht aber war es ein gezielter Affront. Als sich Mitte der Woche in Astana die Mitgliedsländer der Shanghai-Organisation für Zusammenarbeit (SCO) trafen, schickte Indiens Ministerpräsident Narendra Modi seinen Außenminister vor, während aus China, Russland oder dem Iran die Staatsoberhäupter in die kasachische Steppe geflogen waren. Die Organisation scheint für Modi nicht so wichtig, und mit Chinas Staatschef Xi Jinping, der treibenden Kraft hinter der SCO, zeigt sich Modi ohnehin nur ungern. Beide Länder streiten seit Jahrzehnten über den Verlauf der gemeinsamen Grenze, immer wieder kommt es im Himalaya zu blutigen Scharmützeln.

Sich mit Diktatoren und Autokraten zu treffen, das aber ist für Modi an sich kein Problem: Am Montag wird der 73-Jährige in Moskau erwartet, zu zweitägigen Gesprächen mit Wladimir Putin. Während vor allem westliche Länder seit Beginn des Ukraine-Kriegs auf Abstand zum Kreml gegangen sind, kennt Modi im Umgang mit Putin keine Berührungsängste. Es ist Modis erste Reise nach Moskau seit Kriegsbeginn und seine erste Auslandsreise, seit er vor wenigen Wochen wiedergewählt wurde. Nach den letzten beiden Wahlen war er zuerst stets in Nachbarländer geflogen. Für Moskau ist Modis Besuch – sein erster in Russland seit fünf Jahren – ein diplomatischer Punktsieg, er zeigt, dass der Kreml auch mehr als zwei Jahre nach Kriegsbeginn international alles andere als isoliert ist.

Wladimir Putin und Narendra Modi im Dezember 2021 in Neu-Delhi
Wladimir Putin und Narendra Modi im Dezember 2021 in Neu-Delhi: Trotz des russischen Kriegs gegen die Ukraine verbindet beide Staatschefs eine enge Partnerschaft. © Money Sharma/AFP

Indien und Russland: nur verhaltene Kritik am Ukraine-Krieg

Modi hat den russischen Einmarsch in die Ukraine nie explizit verurteilt, auch den westlichen Sanktionen gegen Russland hat sich seine Regierung nicht angeschlossen. An der Friedenskonferenz in der Schweiz vor ein paar Wochen nahm Indien zwar teil, stimmte der Abschlusserklärung aber nicht zu. Immerhin: Bei seinem letzten Treffen mit Putin, am Rande eines SCO-Treffens in Usbekistan vor zwei Jahren, erklärte Putin dem Kreml-Herrscher, man lebe „nicht in einer Ära des Krieges“.

In Moskau sollen nun Sicherheitsfragen diskutiert werden, erklärte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow, ganz oben auf der Agenda stünde zudem die wirtschaftliche Zusammenarbeit. Modi und Putin verbinde eine „sehr vertrauensvolle“ Beziehung. Von indischer Seite hieß es, auch Fragen der militärischen Zusammenarbeit würden diskutiert werden.

Waffen sind ein Hauptgrund, warum Indien – das bevölkerungsreichste Land und die größte Demokratie der Erde – nicht vom Kreml abrückt. Die indische Luftwaffe besitzt derzeit mehr als 400 Kampfjets sowie Dutzende U-Boote, Panzer und Hubschrauber aus russischer oder sowjetischer Produktion. Zwar versucht Modi, durch Verträge mit Ländern wie Italien, Israel, Frankreich und den USA seine Rüstungseinkäufe zu diversifizieren; für das bestehende Material aber ist Indien noch über Jahrzehnte auf russische Ersatzteile und russisches Know-how angewiesen.

Indien ist von russischem Öl abhängig

Noch deutlich abhängiger als von russischen Waffen ist Indien von russischem Öl. Noch 2021, im Jahr vor Kriegsbeginn, kamen nur zwei Prozent der indischen Rohöleinfuhren aus Russland. Weil Moskau infolge der westlichen Sanktionen neue Abnehmer gesucht und sein Öl deutlich verbilligt hat, stieg der Anteil auf zuletzt 38 Prozent. Indien ist der weltweit drittgrößte Verbraucher von Rohöl, der Discount-Deal mit dem Kreml hat dem Land laut einer Studie der indischen Ratingagentur ICRA binnen knapp zwei Jahren rund 13 Milliarden US-Dollar eingespart.

Dass Narendra Modi erstmals seit 2019 wieder nach Moskau reist, ist wohl auch der neuen Nähe zwischen Russland und China geschuldet. Kurz vor Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine schlossen Putin und Xi Jinping eine „grenzenlose Freundschaft“, der Handel zwischen beiden Ländern stieg zuletzt auf ein Rekordhoch, chinesische Unternehmen unterstützen Russlands Krieg mit militärisch nutzbaren Gütern. Modi beäugt die Entwicklung seit Längerem argwöhnisch, sein Besuch in Moskau soll nun ein endgültiges Abgleiten der Russen in den chinesischen Orbit verhindern. Aus indischer Perspektive sei der russisch-chinesische Kuschelkurs so, „wie wenn der beste Freund mit dem Feind schläft“, sagte Swasti Rao vom Manohar Parrikar Institute For Defence Studies and Analyses in Neu-Delhi der Nachrichtenagentur Bloomberg.

Modis schwieriger Spagat: Freund von Russland – und dem Westen

Gleichzeitig will Modi auch dem Westen gut Freund sein. Indien ist Mitglied der Quad, einem losen Militärbündnis, dem auch die USA, Japan und Australien angehören. Im vergangenen Sommer wurde Modi zudem in den USA von US-Präsident Joe Biden zu einem seltenen Staatsbesuch empfangen. Für den Westen ist Indien die demokratische Alternative zu China, erste Unternehmen verlagern ihre Produktion von der Volksrepublik auf den Subkontinent. Für Unmut im Westen sorgt allerdings Modis zunehmend autoritärer Regierungsstil, im Wahlkampf hatte er massiv Stimmung gegen Indiens rund 200 Millionen Muslime gemacht.

Im Kreml wird sich Modi derartige Kritik kaum anhören müssen.

Auch interessant

Kommentare