Mit Protestbrief widersetzt sich Faeser Lindners Spar-Hammer – „nicht ansatzweise verantwortbar“

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Christian Lindner animiert die Ampel-Minister zum Sparen. Doch mindestens drei Frauen sollen sich dagegen sträuben. Nancy Faeser schreibt gar einen bösen Brief.

Berlin – Als Finanzminister jongliert Christian Lindner mit Unmengen von Geld. Millionen- und Milliardensummen wandern imaginär durch seine Hände. In den nächsten Wochen erst recht, denn dann will der FDP-Chef den Haushaltsplan für das Jahr 2025 – das letzte Jahr der Ampel-Regierung in der aktuellen Legislaturperiode – entwerfen. Und entscheiden, welches Ministerium wie viel Euro zur Verfügung haben wird.

Faeser schreibt Protestbrief an Lindner: Sparplan laut Innenministerin „nicht ansatzweise verantwortbar“

Bevor Lindner so richtig loslegen kann, flatterte neben den Budgetbedürfnissen der Ministerkollegen auch ein böser Brief auf seinen Schreibtisch, wie der Spiegel berichtet (Artikel hinter einer Bezahlschranke). Absenderadresse: das Innenministerium. Verfasserin: Nancy Faeser. Es handelt sich dem Artikel zufolge um eine Art „Protestbrief, ohne allzu extensiven Gebrauch von Höflichkeitsfloskeln“.

In dem Schreiben, das dem Nachrichtenmagazin vorliegt, moniert die SPD-Politikerin, dass die Mittel ihres Ressorts von rund 13,3 Milliarden Euro auf 12,2 Milliarden Euro gesenkt werden sollen. Dies hält sie für „nicht ansatzweise verantwortbar“.

Es folgt eine klare Ansage wegen Lindners Spar-Hammer. Faeser erhofft sich, mit dem Finanzminister, Kanzler Olaf Scholz und Vize-Kanzler Robert Habeck „in einen konstruktiven Dialog über die inhaltlichen Themen und Herausforderungen meines Hauses zu kommen“. Dazu ließ sie kurz und knackig folgen: „Einem Gespräch sehe ich entgegen.“ Offenbar erwartet sich Faeser in dieser Runde unter acht Augen Rückendeckung von Regierungschef und Wirtschaftsminister.

Christian Lindner steht auf der Gangway eines Flugzeugs
Liebe Ministerinnen, der Mann mit dem Spar-Hammer ist da: Finanzminister Christian Lindner hat für 2025 nicht so viel Geld zu verteilen. © IMAGO / photothek

Faeser und die innere Sicherheit: SPD-Politikerin bringt auch Grenzkontrollen und Asylverfahren ins Spiel

Gerade die Frage nach der inneren Sicherheit scheint in diesen unruhigen Zeiten besonders großgeschrieben werden zu müssen. Denn sie wird wieder vermehrt gestellt. Angesichts des am Montag begonnenen ersten Prozesses gegen mutmaßliche Mitglieder einer offenbar von Reichsbürgern durchsetzten Vereinigung, die Umsturzpläne von innen heraus geplant haben sollen. Aber auch mit Blick auf Berichte über russische Cyber-Attacken auf Regierungsbehörden oder mutmaßliche Anschlagspläne von vier Jugendlichen aus Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg.

Faeser schrieb demnach in dem Brief, es brauche zusätzliche Mittel in Milliardenhöhe für die Zivile Verteidigung, ebenso „erhebliche Aufwüchse“ in Sachen Cyber-Sicherheit. Zudem bestünden erhebliche Zweifel, ob die Kontrollen durch die Bundespolizei an Deutschlands Grenzen ohne zusätzliche Mittel aufrechterhalten werden könnten. Hier bringt sie gekonnt die zurückgehenden Asylzahlen ins Spiel, was bei Lindner verfangen könnte.

Konkrete Finanzzahlen nennt sie demnach auch. So würde infolge der jüngsten Tariferhöhungen im Bereich Personal eine Milliarde Euro fehlen. Für Integrationskurse stehen Faeser zufolge rund 500 Millionen Euro zu wenig zur Verfügung, für die geplante „Beschleunigung und Digitalisierung“ der Asylverfahren seien es 300 Millionen Euro.

Wenn Blicke töten könnten: Innenministerin Nancy Faeser ist aktuell nicht sonderlich gut auf Finanzminister Christian Lindner zu sprechen. © IMAGO / Political-Moments, IMAGO / dts Nachrichtenagentur

Faeser schreibt an Lindner: „Kürzungen in nahezu sämtlichen Politikfeldern meines Hauses“ drohen

„Ein ‚Einfrieren‘ der Finanzplanung würde zu Kürzungen in nahezu sämtlichen Politikfeldern und Behörden meines Hauses führen“, verdeutlichte die 53-Jährige ihre Notlage. Lindner hatte bis zum Donnerstag (2. Mai) Sparvorschläge seiner Kabinettsmitglieder für den Haushalt 2025 eingefordert.

Offenbar fehlen 25 Milliarden Euro. Hintergrund sind die Mehrausgaben infolge des Ukraine-Kriegs, die schwache Wirtschaftslage Deutschlands oder auch das aufsehenerregende Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das ein Nachverhandeln des Haushalts 2024 nötig gemacht hatte. Zudem ist Lindner als Verfechter der Schuldenbremse bekannt.

Baerbock & Co. gegen Lindner: Außenministerin meldet wohl mehr Geld an als vom FDP-Chef vorgegeben

Gleich drei Ministerinnen – darunter Faeser – sollen dem Finanzminister und damit Herr der Zahlen jedoch bei seinen Sparplänen auf der Nase herumtanzen. So berichtete der Spiegel auch (Artikel hinter einer Bezahlschranke), dass neben der Innenministerin deren SPD-Kollegin und Entwicklungshilfeministerin Svenja Schulze sowie Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) nicht mit den Vorgaben Lindners einverstanden sind. Die drei Frauen haben demnach die grobe Absprache getroffen, sich nicht an die strikten Vorgaben des Chefs der Liberalen zu halten.

Baerbock hat demnach statt des von Lindner erwarteten Budgets von 5,1 Milliarden Euro sogar 7,39 Milliarden Euro angemeldet, was eine Erhöhung im Vergleich zu den 6,7 Milliarden Euro 2024 bedeuten würde. Allein 2,2 Milliarden Euro veranschlagt die einstige Kanzler-Kandidatin für humanitäre Hilfe, 400 Millionen Euro für Krisenprävention und 800 Millionen Euro für die Ukraine, etwa für den Schutz von deren Atomkraftwerken.

Schulze soll statt knapp 10,3 Milliarden Euro rund 12,2 Milliarden Euro beantragt haben. Denn ihr Ministerium trage auch zur Sicherheit des Landes bei, womit unvorhersehbare Aufgaben anstünden. Aktuell arbeitet die Sozialdemokratin mit rund 11,22 Milliarden Euro, größter Posten mit 5,15 Milliarden Euro ist die bilaterale staatliche Zusammenarbeit.

Annalena Baerbock (l.) und Nancy Faeser im Bundestag im Gespräch
Gute Laune sieht anders aus: Außenministerin Annalena Baerbock (l.) und Innenministerin Nancy Faeser sind keine Freundinnen der Sparpläne von Finanzminister Christian Lindner. © IMAGO / dts Nachrichtenagentur

Faeser und der Haushalt 2025: „Zeitenwende ist nicht nur Militär und Außenpolitik“

Faeser bekommt derweil Unterstützung für ihre Forderung nach einem höheren Budget. „Bei der Zeitenwende geht es nicht nur um Militär und Außenpolitik“, sagte Sebastian Hartmann, innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, laut Spiegel: „Wir brauchen deutliche Ausgabensteigerungen für innere Sicherheit und Zivilverteidigung. Das ist genau das Gegenteil von dem, was Christian Lindner will.“

Sebastian Schäfer, Berichterstatter der Grünen-Fraktion für den Wehretat, mahnt: „Sicherheit ist mehr als bloß der Verteidigungshaushalt.“ Es gehe darum, bei dem Thema „über Ressortgrenzen hinweg“ zu denken: „Die Bundesregierung braucht ein gemeinsames Verständnis, wie wir den Bedrohungen begegnen.“ Und offensichtlich deutlich mehr Geld, als Lindner rausrücken will. (mg)

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