Scholz muss Vertrauensfrage verlieren: Was passiert, wenn der Bundestag nicht mitspielt?

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Mit der Vertrauensfrage will Scholz den Weg für Neuwahlen frei machen. Ein Sieg des Bundeskanzlers könnte schwerwiegende Konsequenzen haben.

Berlin – Daran, dass Olaf Scholz (SPD) die anstehende Vertrauensfrage im Bundestag für sich entscheiden kann, glaubt eigentlich kaum jemand. Doch theoretisch wäre ein solches Szenario natürlich denkbar. Aber was würde geschehen, wenn ihm am Montag (16. Dezember) überraschend eine Mehrheit das Vertrauen ausspricht?

Scholz stellt Vertrauensfrage im Bundestag – Was passiert bei einer Mehrheit für den Bundeskanzler?

Die vermutlich schwerwiegendste Konsequenz wäre, dass es nicht zu den geplanten Neuwahlen im Februar kommen würde. Denn damit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den Bundestag auf Vorschlag von Scholz auflösen kann, muss der Bundeskanzler bei der Vertrauensfrage scheitern.

Allerdings gilt es als recht unwahrscheinlich, dass Scholz trotz gewonnener Vertrauensfrage als Kanzler weiter regieren wird. Vor allem, weil er einen Sieg wohl nur mit Stimmen der in Teilen rechtsextremen AfD erhalten könnte. Dass die Rechtspopulisten für Scholz stimmen könnten, sei laut Politikwissenschaftler Prof. Dr. Eric Linhart von der TU Chemnitz zwar unwahrscheinlich, aber durchaus denkbar. „Man hat auch an anderer Stelle schon gesehen, dass sich die AfD aus strategischen Gründen auf eine gewisse Weise verhält – nur um Chaos zu stiften und parlamentarische Prozesse ad absurdum zu führen“, sagte Linhart im Gespräch mit IPPEN.MEDIA. Laut Linhart wird Scholz in einem solchen Fall wohl erneut die Vertrauensfrage stellen.

Olaf Scholz zeigt mit dem Finger in Richtung Kamera bei der SPD-Wahlsiegkonferenz.
Olaf Scholz hat wohl keine Chance, bei der Vertrauensfrage als Sieger hervorzugehen. Aber was, wenn doch? © Michael Kappeler/dpa

Um diesem Szenario allerdings von vorneherein zu entgehen, könnten sich SPD-Abgeordnete bei der Abstimmung zur Vertrauensfrage enthalten, wodurch die Stimmen der AfD weniger ins Gewicht fallen würden. „Das scheint mir ein sinnvoller Weg zu sein, um das Risiko gar nicht erst einzugehen, dass andere Parteien die Abstimmung missbrauchen“, so Linhart.

Scholz gewinnt die Vertrauensfrage: Was, wenn er weiter Bundeskanzler bleibt?

Von anderen Parteien, wie etwa der CDU, kann Scholz dagegen eher keine Stimmen erwarten – auch, weil die Abstimmung im Bundestag nicht anonym stattfinden wird. Im Anschluss wird einsehbar sein, welche Abgeordneten dem Kanzler ihr Vertrauen ausgesprochen haben, oder eben nicht.

Sollte Scholz sich allerdings im unwahrscheinlichen Falle eines Sieges dazu entscheiden, weiter Bundeskanzler zu bleiben, steht dem Sozialdemokraten eine schwierige Zeit bevor. Denn dann müsste er gemeinsam mit den Grünen weiter in einer Minderheitsregierung agieren und für Gesetzesvorhaben immer wieder um Mehrheiten im Bundestag verhandeln.

Dass dies durchaus erfolgreich sein kann, zeigt das beschlossene Steuerpaket der ehemaligen Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP. Damit sind die Abschaffung der kalten Progression und der Anstieg des Kindergeldes für 2025 trotz Minderheitsregierung noch beschlossen worden.

Misstrauensvotum als letzte Chance – Merz könnte Scholz absägen

Wenn Scholz entgegen aller Erwartungen nicht nur die Vertrauensfrage für sich entscheiden, sondern auch noch an seinem Amt als Bundeskanzler festhalten will, könnte der Bundestag den Sozialdemokraten auch aus dem Amt wählen. Ein entsprechendes Instrument dazu wäre das konstruktive Misstrauensvotum.

Damit ist es grundsätzlich möglich, dem amtierenden Bundeskanzler das Vertrauen zu entziehen und stattdessen einen Gegenkandidaten zu wählen. Als wahrscheinlichster Kandidat kommt wohl Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz infrage, dessen Parteienbündnis aus CDU und CSU in den Umfragen aktuell deutlich vorne liegt. Sollte sich die Mehrheit des Bundestages für Merz statt Scholz entscheiden, kann der Bundestag den Bundespräsidenten ersuchen, den Kanzler zu entlassen und dafür den Gegenkandidaten einzusetzen. Doch auch hier stellt sich die Frage, ob Merz auf genügend Rückhalt im Bundestag zählen kann.

Scholz stellt Vertrauensfrage im Bundestag – wann die Abstimmung beginnt

Die namentliche Abstimmung im Bundestag folgt einem streng geregelten Ablauf. Um 13 Uhr startet Scholz mit einer 25-minütigen Erklärung. Anschließend ist eine zweistündige Aussprache im Parlament geplant. Erst danach können die Abgeordneten entscheiden, ob sie Scholz das Vertrauen aussprechen oder eben nicht. Die Sondersitzung im Bundestag kann über verschiedene Kanäle live verfolgt werden.

Nach der Abstimmung tritt allerdings nicht sofort eine neue Regierung in Kraft. Die Neuwahlen sind für den 23. Februar 2025 geplant. Bis dahin bleibt der aktuelle Bundestag und die amtierende Bundesregierung handlungsfähig. Erst mit dem Zusammentreten des neu gewählten Bundestages wird dieser aufgelöst. (nhi)

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