Machtkampf in der Ukraine: Selenskyj will Saluschnyj feuern – General lehnt Rücktritt ab
Der Konflikt zwischen Präsident Selenskyj und Oberbefehlshaber Saluschnyj eskaliert. Dessen Entlassung ist schon beschlossene Sache. Dann kommt die Kehrtwende.
Kiew – In der Ukraine hält der Machtkampf zwischen Präsident Wolodymyr Selenskyj und seinem Oberbefehlshaber Walerij Saluschnyj weiter an. Übereinstimmenden Medienberichten zufolge soll Wolodymyr Selenskyj versucht haben, Saluschnyj mitten im Ukraine-Krieg zu entlassen.
Auf Druck der USA und Großbritanniens sowie hochrangiger Militärs habe Selenskyj diese Entscheidung jedoch rückgängig machen müssen, berichtete die britische Times. Der Guardian meldete unter Berufung auf Oppositionsabgeordnete, der Präsident habe Saluschnyj am 29. Januar zum Rücktritt aufgefordert, was dieser jedoch abgelehnt habe. Auch die New York Times berichtete über Selenskyjs Plan.
Spannungen zwischen Selenskyj und Saluschnyj nehmen zu
Seit Wochen gelten die Beziehungen zwischen Selenskyj und Saluschnyj angesichts der gescheiterten Gegenoffensive als gespannt. Der 50-jährige Saluschnyj wurde wenige Monate vor dem russischen Einmarsch vom Februar 2022 Oberbefehlshaber der Armee. Unter seinem Kommando hielten die ukrainischen Truppen der Invasion stand und eroberten sogar besetzte Gebiete zurück. Der General gilt als beliebt bei seinen Soldaten und in der Bevölkerung. Deshalb wurden ihm auch politische Ambitionen nachgesagt, die er aber dementierte.
Die Times berichtete nun, Saluschnyj sei nach Angaben hochrangiger Offiziere am Montag zu einem persönlichen Treffen mit Selenskyj vorgeladen worden. Dort habe er den Präsidentenberatern mitgeteilt, dass ihre Einschätzungen der militärischen Lage eher positiv als realistisch seien. Danach sei er zum Rücktritt aufgefordert worden. Als er sich geweigert habe, habe Selenskyj gesagt, er werde ein Dekret zu seiner Entlassung unterzeichnen.
Ukraine dementiert Berichte über Entlassung von Saluschnyj
Potenzielle Nachfolger sollen das Angebot, das Amt des Oberbefehlshabers zu übernehmen, jedoch abgelehnt haben. Dadurch sei Selenskyj gezwungen gewesen, einen Rückzieher zu machen und zunächst an Saluschnyj festzuhalten, hieß es in dem Bericht weiter. Bereits am Montag hatte das ukrainische Verteidigungsministerium Berichten über eine Entlassung von Oberbefehlshaber Saluschnyj widersprochen. „Sehr geehrte Journalisten, wir antworten allen zugleich: Das stimmt nicht“, teilte das Ministerium auf Telegram mit.
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Entlassung von Saluschnyj würde unabsehbare Folgen für die Ukraine haben
Fachleute warnen vor unabsehbaren Folgen bei einer Absetzung des ukrainischen Oberbefehlshabers. Der ukrainische Verteidigungsminister sei zwar der wichtigste Gesprächspartner ausländischer Staaten in Fragen der militärischen Unterstützung, aber die Unterstützungsanfragen von Verbündeten und Partnern basierten in erster Linie auf den von General Saluschnyj und seinem Führungsstab festgelegten Prioritäten, schreibt Militärexperte Mick Ryan auf seinem Blog Futura Doctrina. Der Oberbefehlshaber unterhalte auch enge Beziehungen zu den Militärchefs der USA und der Nato, die für beide Seiten ein hervorragender Gesprächspartner und für die Umsetzung der vom ukrainischen Verteidigungsminister erwirkten Militärhilfe von entscheidender Bedeutung seien.
Laut Ryan könnten besonders die Kritiker der Hilfen im US-Kongress die Absetzung als Instabilität der Regierung ansehen. Das wäre ein Grund dafür, Hilfen für das Land zu blockieren. Auch könnte eine Absetzung Saluschnyjs den russischen Präsidenten Wladimir Putin stärken. Putin täte so, als befände er sich auf dem Weg zum Sieg in der Ukraine. Gerade im Vorfeld der Russland-Wahlen könnte das Putin zusätzlich stärken. „Auch wenn die Absetzung des Oberbefehlshabers in jeder Demokratie das Recht einer zivilen Führungspersönlichkeit ist, wird sie doch mit politischen und informationsstrategischen Kosten verbunden sein“, warnt Ryan. (erpe/dpa)