Ungewöhnlicher Protest am Marienplatz: Demonstranten stehen für Inklusion auf, indem sie sich hinsetzen

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„Menschen mit Handicap müssen endlich in der Mitte der Gesellschaft ankommen“: Heidi Hein (2. v. l.) , die mit ihrem Sohn Philipp (3. v. l.) gekommen war, äußerte diesen Wunsch. Zeigten ebenfalls ihre Verbundenheit mit der Aktion: Robert Wäger, stellvertretender Vorsitzender der Lebenshilfe (vorne 2. v. l.) , sowie Bezirksrätin Marianne Heigl (FW) machten mit. © Lehmann

Mit einem ungewöhnlichen Protest haben Freisinger auf Defizite bei der Inklusion hingewiesen. Die Demo war still, umso klarer wurden Forderungen formuliert.

Freising – „Menschen mit Handicap müssen endlich in der Mitte der Gesellschaft ankommen!“ Diesen dringlichen Wunsch äußerte Heidi Hein am Samstag, als sich die Lebenshilfe Freising zu einem stillen Protest am Marienplatz einfand. Um auf das zentrale Thema „Selbstbestimmt Leben – ohne Barrieren“ hinzuweisen, setzten und legten sich am Samstag über 50 Betroffene, Betreuende, wie auch Angehörige vor die Freisinger Mariensäule. Ihre Körper, so das Statement, symbolisierten jene Barrieren, mit denen Menschen mit Behinderung tagtäglich zu kämpfen haben.

Für den Geschäftsführer der Lebenshilfe Freising, Johannes Reicheneder, hatte das Hinsetzen am Marienplatz für rund zwei Stunden noch eine andere Bedeutung. „Für mich heißt das auch, dass die Inklusion am Boden ist“. Obwohl in Freising seiner Meinung nach schon vieles gut laufe, gäbe es dennoch deutlichen Nachbesserungsbedarf, wie etwa in puncto Inklusion an Schulen oder der Beschäftigung von Menschen mit Handicap in Betrieben außerhalb der Werkstätten.

Manuela Mühlhammer bietet das beste Beispiel

Wie es zur Aktion in Freising kam, erklärte Reicheneder, dessen Lebenshilfe schon lange für eine konsequente Inklusion eintritt, so: „Voriges Jahr hatten wir an diesem Tag eine Radltour gemacht. Danach haben sich einige auf die Straße zum Ausruhen gelegt. Heuer wollten wir das halt hier am Marienplatz machen – aber als Protest.“

Demo für Inklusion am Marienplatz Freising, Mai 2024
Spontane Solidarität: Stadträtin Charlotte Reitsam (Grüne, r.) schloss sich ebenfalls der stillen Demo an. Saskia Bichlmeier, Leiterin der Offenen Hilfen bei der Lebenshilfe Freising, freute sich darüber. © Lehmann

Das beste Beispiel, wie gut das funktionieren kann, zeigt sich an Manuela Mühlhammer, die an einem sogenannten Außenarbeitsplatz im Marriott-Hotel tätig ist. Als Selbstvertreterin der Menschen mit Behinderung wünscht sich Mühlhammer: „Es sollten uns einfach mehr Firmen einstellen“.

Was sie sonst noch in Sachen fehlende Barrierefreiheit stört: „Es gibt Menschen, die verstehen die Busfahrpläne nicht oder können gar nicht lesen – da wären Geräte gut, die das durchsagen.“ Auch zum Thema Kopfsteinpflaster-Fugen am Marienplatz meinte sie deutlich: „Die sollte man ausgießen.“

Vize-Landrat spricht von „zahlreichen Barrieren im Kopf“

So drastisch würde Robert Wäger, stellvertretender Vorsitzender der Lebenshilfe und Vize-Landrat, nicht rangehen. Allerdings würde auch er sich dort mehr barrierefreie Gehstreifen wünschen. Was ihn nachdenklich macht: „Es gibt noch zahlreiche Barrieren im Kopf bezüglich Menschen mit Behinderung wie etwa in der Arbeitswelt.“ Da brauche es vor allem jetzt Mut.

„Das hat sich keiner ausgesucht“, betonte Heidi Hein, die mit ihrem Sohn Philipp zur Demo gekommen war, um das Thema mehr in den Fokus zu rücken. Hein meinte weiter: „Die Angehörigen müssen mehr finanziell unterstützt werden. Das ist ein 24/7-Job.“ Wäger formulierte sein Credo so: „Nehmt uns ernst!“ Er möchte Menschen mit Handicap auch in einem Stadt- oder Gemeinderat sehen.

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