„Kunst der Täuschung“: Ukraine will Putins Truppen mit F-16-Kampfjet-Fakes überlisten

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Sein oder Schein? Mit F-16-Attrappen will die Ukraine jetzt die russische Hatz nach den westlichen Kampfjets gehörig erschweren (Archivfoto) © Efrem Lukatsky/AP/dpa

Sperrholz, Abwasserrohre, Folie: Russlands teure Raketen zerstören mitunter simple Attrappen. Und mit jedem Treffer wächst der Stolz der Verteidiger.

Riwne – „Krieg ist die Kunst der Täuschung: Wer überlistet, gewinnt!“, schreibt Apate. Das ukrainische Unternehmen produziert Modelle für den Ukraine-Krieg, um Wladimir Putins Invasionstruppen in die Irre zu führen. Der neueste Bausatz ist wohl eine komplette F-16, wie Apate auf seinem Telegram-Kanal veröffentlicht hat. „Wir stellen Modelle von Ausrüstung und Waffen her“, schreibt das Unternehmen.

Das Gefechtsfeld in der Ukraine ist eine gnadenlose Todesfalle geworden – die gegenseitige, fast lückenlose Aufklärung lähmt offenbar die Kräfte beider Seiten. Tarnen und Täuschen seien wieder zu den Generaltugenden einer modernen Armee zu zählen, erklärte beispielsweise Oberstleutnant Martin Winkler, Leiter des Sachgebietes „Auswertung“ im Kommando Heer, im Bundeswehr-Podcast Nachgefragt. Bei den Einsätzen beispielsweise in Afghanistan oder Mali waren Armeen im Gegenteil darum bemüht, wie Winkler sagte, „offen Präsenz zu zeigen und zu stabilisieren“.

Gläserner Ukraine-Krieg: Umso wichtiger das Legen falscher Fährten und das Vermeiden eigener Spuren

Das wird in kommenden militärischen Konflikten überholt sein, das Gefechtsfeld wird gläsern werden. Umso wichtiger sei das Legen falscher Fährten beziehungsweise das Vermeiden eigener Spuren. Und das geht einher mit dem Gefecht um die Informationshoheit. Im vergangenen Sommer hatte der britische Sender Sky News berichtet über eine Behauptung der Ukraine, Russland sei ihr auf den Leim gegangen. Aufhänger war ein von Russland in soziale Netzwerke eingespeister Film, der einen Angriff auf den Flugplatz Dovhyntseve gezeigt haben soll.

Wir zählen nicht die Anzahl der hergestellten Köder, sondern die Anzahl der zerstörten, und das ist für uns das Wichtigste. Je früher unsere Modelle zerstört werden, desto besser für uns.

Angeblich – wie die ukrainische Luftwaffe behauptete. Ihr zufolge hat sie die Russen ausgetrickst und dazu verleitet, Attrappen von Kampfflugzeugen und Luftabwehrsystemen anzugreifen. „Vielen Dank an alle, die mit den hochwertigen Modellen der Flugzeuge und SAM-Systeme (Surface-to-Air Missile) geholfen haben. Der Feind hat jetzt weniger Iskander-Raketen und es werden mehr Modelle geliefert“, schrieb Mykola Oleshchuk. Der ukrainische Luftwaffenkommandeur nutzte ebenfalls soziale Medien, um die Botschaft in alle Ecken der verstreuten ukrainischen Bevölkerung zu senden.

Wie Psychologen an der britischen Cambridge University herausgefunden haben wollen, förderten Beiträge, die die nationale und kulturelle Einheit eines angegriffenen Landes feierten, das Online-Engagement deutlicher als abfällige Beiträge über die Aggressoren. Die Forscher haben ihre Ergebnisse anhand von Umfragen Ende vergangenen Jahres veröffentlicht. Attrappen wären solche Erfolgs-Geschichten, vor allem weil vor Ankunft der F-16-Kampfjets Russlands Außenminister Sergej Lawrow getönt hatte, dass die F-16 brennen würden – was noch auf sich warten lässt.

Putins Erbe: Das planmäßige Täuschen des Gegners über eigene Absichten ein Relikt der Sowjetunion

Die Bundeswehr publiziert, dass vor allem die Sowjetunion „das planmäßige Täuschen des Gegners über eigene Absichten“ aus dem Zweiten Weltkrieg kopiert und vollendet hatte. „Im großen Stil standen während des Kalten Krieges täuschend echt aussehende Gefechtsfahrzeuge, Raketenstellungen oder Artilleriesysteme zur Verfügung. Mit den Attrappen hätten im Konfliktfall Truppenkonzentrationen vorgetäuscht oder der Gegner zu Angriffen auf Scheinstellungen verleitet werden können – ein Konzept, das schon im Zweiten Weltkrieg mehrfach mit Erfolg eingesetzt wurde“, wie die Bundeswehr schreibt.

Die F-16 scheint das Meisterstück von Apate zu sein. Ihre Werkstatt liegt vermutlich in der Großstadt Riwne im Nordwesten der Ukraine mit etwa 250.000 Einwohnern. Aber Apate ist nur eine von mehreren Unterstützern der ukrainischen Armee mit militärischer Augenwischerei. Und offensichtlich ist die F-16 auch fast das größte Modell, das eingesetzt wird. Die Bilder machen den Eindruck, als hätte Apate die Größe des 15 Meter langen Kampfjets nahezu übernommen.

Angefangen hat die Maskerade in der Ukraine mit einem Rückgriff auf eine mehr als 100-jährige militärische Taktik: mittels einer Puppe. Eine der Innovationen des Stellungskriegs von 1914 bis 1918 war in der Ukraine wieder aufgetaucht in Form einer Scharfschützenattrappe, wie das Magazin The War Zone (TWZ) eingangs des zweiten Kriegsjahres berichtet hatte. „Bei der fraglichen Attrappe handelt es sich um eine lebensgroße Schaufensterpuppe in Winterkleidung und mit einer Atemschutzmaske aus der Sowjetzeit, die auf Sandsäcken an der Innenwand eines von der ukrainischen 24. Mechanisierten Brigade genutzten Schützengrabens lehnt“, schrieb TWZ-Autor Thomas Newdick.

Russlands Gegner im Ukraine-Krieg: Leopard aus Radioreflektoren und Folie

Dem Puppenkopf war unter dem Helm eine altertümliche Atemschutzmaske aus Sowjetzeiten übergestülpt worden, um zu vermeiden, einen realistischen Kopf nachbilden zu müssen, um die Luftaufklärung zu überlisten. Ansonsten scheint möglicherweise Pappmaché die Puppe stabilisiert zu haben. Über das Material zum Bau der F-16-Attrappe fehlen jegliche Informationen, allerdings nutzen andere Unterstützer verschiedene Materialien für verschiedene Einsätze oder Nachbildungen verschiedener Waffen. Apate führt 82-Millimeter-Mörser, 120-Millimeter-Mörser und sogar falsche Starlink-Schüsseln im Portfolio.

Die ersten nachgebildeten Waffen der Ukraine soll die Panzerabwehrlenkrakete Stugna gewesen sein, wie Mykhailo Roman der Euromaidan Press Mitte vergangenen Jahres erzählt hat. Der Koordinator der „Militärischen Unterstützungsbewegung Transkarpatien-Wynohradiw“ beschrieb der Autorin Jewhenia Maartyniuk die Attrappen als Fälschungen aus Metall, Kunststoff-Abflussrohren und Holz; und olivgrüner Farbe.

Zwischen den Lenkraketen auf einem Dreibein und der F-16, die auf einem Tieflader zum Standort verbracht werden muss, liegen verschiedene Stufen der ukrainischen Mühen. Vorgetäuschte Radarstationen genauso wie Patriot-Stellungen aus dem Baumarkt-Regal. „Um feindliche Radargeräte zu täuschen, werden flexible Radioreflektoren und eine spezielle radioreflektierende Folie verwendet“, schreibt das Magazin Militarnyi über einen Leopard-A2, den die Ukraine mittels eines Benzin- oder Dieselmotors innerhalb von zehn Minuten aufpusten kann.

Nutzlose Offensiven im Ukraine-Kreig: Aus aufblasbaren Plastik-Planen auch Double von HIMARS-Werfern

Aus aufblasbaren Plastik-Planen sollen auch Double von HIMARS-Werfern produziert worden sein – offenbar von Inflactech, einem tschechischen Unternehmen mit dem entsprechenden Knowhow auch schon aus der Vorkriegszeit, wie Euromaidan Press schreibt. Und die Herstellung des speziellen Produkts soll erst nach der völkerrechtswidrigen Invasion aufgenommen worden sein. Die Euromaidan Press habe keine Belege, dass die Ukraine zu deren Kunden zähle; wohl aber, dass fast 50 Prozent des tschechischen Unternehmens russischen Bürgern gehören soll, wie das Magazin schreibt.

Der spendabelste Gönner ist das Unternehmen Metinvest von Rinat Achmetow, dem mehrere Wirtschaftsunternehmen und mindestens ein Fußballclub gehören. Und Achmetow klotzt: Er fälscht aus Stahl, dem Hauptprodukt von Metinvest. Beispielsweise Geschütze, wie er offensiv publiziert: „Metinvest hat die Produktion von Modellen sowjetischer Haubitzen D-20, amerikanischer Haubitzen M777, Mörser, ukrainischer und westlicher Radarsysteme und anderer Ausrüstung aufgenommen. Jetzt kann das Unternehmen zehn bis 15 verschiedene Modelle pro Monat herstellen“, schreibt das Unternehmen auf seiner Website.

Neben Patriotismus mag auch ein gehöriges Maß an Unternehmergeist hinter seinem Engagement stecken – was Achmetow von Organisationen wie Apate unterscheiden mag. Jedenfalls bedeute Wladimir Putin für Metinvest Konjunktur, wie Oleg Davydenko nahelegt: Laut dem Direktor der Abteilung für Unternehmenskommunikation bei Metinvest, steige die Nachfrage nach neuen Fälschungen – was zeige, dass sie ihre Funktion effektiv erfüllten, wie er auf seiner Website publiziert.

Ein anonym bleibender Geschäftsführer eines der zur Metinvest-Gruppe gehörenden Firmen pflichtet ihm bei. Russische Truppen hätten eine Kh-35-Rakete im Wert von etwa einer Million Euro abgefeuert, um ein Dummy-Radarsystem zu zerstören, dass weniger als 1.000 Euro gekostet habe. Für Oleg Davydenko eine simple Gleichung: „Wir zählen nicht die Anzahl der hergestellten Köder, sondern die Anzahl der zerstörten, und das ist für uns das Wichtigste. Je früher unsere Modelle zerstört werden, desto besser für uns.“ (Karsten Hinzmann)

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