"Bei hohen Temperaturen": Bürgermeister verniedlicht sexuelle Übergriffe in Bad

Neun Mädchen zwischen elf und 17 Jahren sollen am vergangenen Sonntag im Freibad Gelnhausen (Hessen) Opfer sexueller Belästigung geworden sein. Vier Männer – laut Polizei syrische Staatsbürger im Alter zwischen 18 und 28 Jahren – sollen sie gegen ihren Willen im Strudelbereich des Bades berührt, bedrängt und deren Aufforderungen, damit aufzuhören, ignoriert haben. Drei der mutmaßlichen Täter wurden festgenommen und mit Hausverbot belegt. Die Polizei prüft, ob es weitere Betroffene gibt.

Während die Ermittlungen laufen, rückt jedoch nun das Verhalten des Freibadpersonals in den Fokus: Die Mutter eines der betroffenen Mädchen hat den Bademeistern laut Informationen der „Bild“-Zeitung schweres Versagen vorgeworfen: Erste Hilferufe seien ignoriert, die Situation heruntergespielt worden.

„Macht euch bemerkbar, wenn was ist“: Mädchen nach Übergriffen  zurück ins Wasser geschickt

Die Kritik wiegt schwer – und sie bekommt nun zusätzliche Brisanz: Ein Beitrag der "hessenschau" scheint die Vorwürfe der Mutter zu bestätigen. 

„Die ersten Mädchen kommen bereits gegen Mittag, wenden sich in ihrer Not an die Schwimmmeister“, heißt es hier. Doch das Personal nimmt die Situation offenbar nicht ernst – zumindest nicht ernst genug. 

Eine Aussage von Badeleiter Nils Tischer wirft ein beunruhigendes Licht auf das Verhalten der Aufsicht: „Da wir nicht genau sehen konnten, was passiert ist, haben wir sie erstmal wieder ins Wasser geschickt – mit dem Hinweis: Macht euch bitte bemerkbar, wenn was ist. Laut und stark in der Gruppe“, so Tischer im Interview mit der "hessenschau“.

Eine Aussage, die aufhorchen lässt. Denn damit wurde den Mädchen genau das empfohlen, was sie bereits getan hatten: sich an das Personal zu wenden und auf das Problem aufmerksam zu machen. Statt sie zu schützen und einzuschreiten, wurden sie aber offenbar einfach zurück ins Becken geschickt – mit der Aufforderung, sich beim nächsten Mal noch deutlicher bemerkbar zu machen.

Verwarnung statt Konsequenz: Erst bei erneutem Hilferuf ruft das Bad die Polizei

Auch nachdem das Aufsichtspersonal beobachtet habe, wie die Männer weiter versuchten, die Mädchen „nass zu machen in irgendeiner Form“, wurden diese laut Tischer lediglich verwarnt: „Wir haben sie aus dem Wasser geholt, mit denen gesprochen, dass sie das bitte zu unterlassen haben, ansonsten müssen wir sie des Hauses verweisen.“

Erst als am späten Nachmittag eine weitere Gruppe von Mädchen gemeinsam mit einer Mutter das Personal alarmierte – eines der Mädchen habe dabei laut Badeleiter Tischer „stark geweint“ –, wurde schließlich die Polizei verständigt.

Vor diesem Hintergrund wirken die Aussagen des Polizisten Christopher Leidner vom Polizeipräsidium Südosthessen im selben Beitrag beinahe ironisch: „Die Mädchen haben alles richtig gemacht“, so Leidner. Sein Rat: „Sofort sich ans Personal wenden oder auch das Schweigen brechen, aufmerksam machen, um Hilfe schreien.“ Nur weil die Mädchen genau das getan hätten, habe man die mutmaßlichen Täter so schnell identifizieren können.

Bürgermeister: "Bei hohen Temperaturen liegen die Gemüter manchmal blank"

Doch während die Betroffenen offenbar vorbildlich reagierten, passierte auf Seiten des Freibads zunächst – nichts. Die Täter blieben trotz mehrfacher Hinweise stundenlang im Bad. 

Am Sonntag ging es weiter mit den erstaunlichen Aussagen der Verantwortlichen zu diesem Fall. Der Bürgermeister von Gelnhausen verstieg sich im Interview mit "Welt" zu der Einschätzung: "Immer bei hohen Temperaturen liegen die Gemüter manchmal blank." Sprich: Alles nicht so wild, bei hohen Temperaturen kann das ja mal passieren, Weiter versprach er auch: "Unser Personal ist entsprechend geschult, wir werden weiter sensibilisieren."

Ähnlicher Fall im Allgäu: 44-Jähriger betatscht Kinder und Jugendliche

Unter langjährigen Badegästen des Freibads zeigt sich nach den Übergriffen nun Verunsicherung. Während einige das Personal im „hessenschau“-Beitrag loben – „ ich fühle mich gut hier, die haben ziemlich viel Personal und die achten auch drauf“ –, sagen andere: „Wir haben seit über 20 Jahren eine Dauerkarte hier. Es wird immer schlimmer.“

Der Fall von Gelnhausen ist kein Einzelfall. Nur wenige Tage zuvor, am 19. Juni, wurde ein sehr ähnlicher Vorfall aus dem Allgäu bekannt: Auch im Buchloer Freibad soll es im Strudelbereich zu Übergriffen auf mehrere Kinder und Jugendliche gekommen sein.

Die Polizei ermittelt dort gegen einen 44-jährigen, offenbar betrunkenen Mann, der im Wildwasserkanal des Bades mehrere Personen zwischen zehn und 20 Jahren sexuell bedrängt haben soll. Nach Angaben der Ermittler soll er die Opfer am Gesäß, an der Brust und im Intimbereich berührt haben. 

Auch in Buchloe reagierte das Personal offenbar nicht sofort – laut Medienberichten wurden die Ermittlungen erst nach Hinweisen von Badegästen aufgenommen. Die Polizei spricht zwar von einem „Ausnahmefall“, betont aber zugleich die Schwere der Tat: Dass Kinder und gleich eine größere Zahl von Personen betroffen seien, komme äußerst selten vor.

Wie sind Ihre Erfahrungen aus dem Freibad? Wie ist Situation in Ihrer Gegend? Haben Sie Ähnliches erlebt? Schreiben Sie uns gerne Ihre Geschichte per E-Mail an mein-bericht@focus.de.