„Wollen etwas zurückgeben“: Bürgergeld-Ehepaar sammelt Müll – und bekommt Ärger

Von Talkshow-Diskussionen bis hin zu Online-Debatten: Die Forderung, dass Bürgergeld-Empfänger der Gesellschaft mehr zurückgeben sollen, ist allgegenwärtig. Arbeiten, sich einbringen, mithelfen – so lauten die Erwartungen. 

Doch was, wenn Menschen genau das tun wollen und ihnen plötzlich Steine in den Weg gelegt werden?

Bürgergeld-Empfänger wollen Müll sammeln – Stadt Duisburg erteilt Absage

Genau das haben Clarissa (34) und Marvin Rathmann (31) erlebt. Beide sind Bürgergeld-Empfänger und wollen sich mit täglichen Müllsammel-Aktionen ehrenamtlich engagieren. Ausgestattet mit Bollerwagen, Zangen und Handschuhen wollte das Paar durch Duisburg ziehen, die Stadt sauberer machen und mit ihren auffälligen Scooby-Doo-Kostümen auf die Verschmutzung der Umwelt aufmerksam machen. 

„Wir wollen dem Staat und der Gesellschaft mit der Arbeit etwas zurückgeben“, sagt Marvin Rathmann gegenüber der „Waz“.

Doch die Stadt machte dem Paar überraschend einen Strich durch die Rechnung: Ihre offizielle Anfrage bei den örtlichen Wirtschaftsbetrieben wurde abgelehnt. „In einem solchen Umfang ist das angeblich nicht möglich“, berichtet Rathmann enttäuscht im Gespräch mit der „Waz“. 

Stattdessen wurde das Paar auf den Verein „Offensive für ein Sauberes Duisburg“ verwiesen, der nur einzelne Aktionen im Jahr organisiert. Doch das war den beiden zu wenig: „Wir möchten uns nicht nur an ein paar Aktionen im Jahr beteiligen, sondern viel mehr machen“, so Rathmann.

„Viele Bürger haben unsere Arbeit wirklich wertgeschätzt“

Das hatte in ihrem vorherigen Wohnort in Oberhausen noch reibungslos geklappt: Die Stadt unterstützte das Engagement unbürokratisch: Die Rathmanns erhielten Müllsäcke, Westen und Greifzangen von den Wirtschaftsbetrieben, der Oberbürgermeister spendierte ihnen sogar einen Bollerwagen. 

Insgesamt sammelte das Paar von Oktober bis Dezember 2024 rund 210 Säcke Müll – bis zu 16 Stück am Tag. „Viele Bürger haben unsere Arbeit wirklich wertgeschätzt“, erzählt Rathmann der „Waz“ über die Aktion. 

Doch im Januar 2025 zog das Paar mit seinen Kindern ins nahegelegene Duisburg. Auch hier hatten die Rathmanns den Plan, täglich für drei bis vier Stunden Müll zu sammeln, während die Kinder in der Schule sind. 

In Duisburg drohen Bürgergeld-Ehepaar hohe Geldstrafen fürs Müllsammeln

Doch in ihrem neuen Wohnort stießen sie auf eine ganz andere Haltung:  „Leider hat das Paar deutlich gemacht, dass es sein Engagement ausschließlich in der Form wie in Oberhausen weiterführen möchte. Dies entspricht jedoch nicht den organisatorischen und logistischen Rahmenbedingungen in Duisburg“, äußerte sich ein Sprecher der Wirtschaftsbetriebe auf Anfrage der „Waz“. 

Ohne offizielle Genehmigung dürfen volle Säcke nicht irgendwo abgestellt werden, da diese sonst als illegale Müllablagerungen gewertet werden könnten – mit potenziellen Geldstrafen oder sogar einer Freiheitsstrafe.

„Das würde ja als wilde Müllkippen gewertet und kann hohe Geldstrafen bis zu einer Freiheitsstrafe nach sich ziehen“, erklärt Marvin Rathmann.

Stadt erlaubt Ehrenamt – aber erstmal nur als Testlauf

Der Familienvater schrieb daraufhin sogar den Duisburger Oberbürgermeister Sören Link direkt auf Instagram an, doch auch dort bekam er keine Unterstützung – sondern wurde erneut auf die Wirtschaftsbetriebe verwiesen. „Wir wurden immer nur vertröstet – das war schon ein Gefühl wie im falschen Film“, erzählt Rathmann.

Erst nachdem ein erster Bericht in der „Waz“ über das Ehepaar veröffentlicht worden war, kam Bewegung in die Sache: Die Wirtschaftsbetriebe lenkten ein – und gaben grünes Licht für das Projekt. Seitdem holen sie die Müllsäcke des Ehepaars regelmäßig ab. Allerdings vorerst im Rahmen eines Testlaufs. 

Die Wirtschaftsbetriebe wollen zunächst prüfen, wie viel Logistik durch das Engagement gebunden wird. Das Paar hat nun Sorge, dass das Projekt bei „zu viel Einsatz“ auch schnell wieder beendet werden könnte – etwa, wenn der logistische Aufwand zu groß wird. Ein seltsames Signal an Menschen, die freiwillig helfen wollen.

Bei aller berechtigten Anerkennung für ihr Engagement stellt sich jedoch eine Frage, die in den bisherigen Medienberichten unbeantwortet bleibt: Warum das Paar nicht arbeitet. Eine Erwerbstätigkeit wäre schließlich ebenfalls eine Möglichkeit, der Gesellschaft etwas zurückzugeben – durch Steuern, Sozialabgaben und langfristige Eigenständigkeit.