Bis 67 im Einsatz: So bewerten Feuerwehr-Kommandanten die geplante Anhebung der Altersgrenze

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„Es muss mehr passieren“, sagt Kommandant Hubert Schmid aus Oberbiberg. Die Anhebung der Altersgrenze greift ihm zu kurz. © ot

Bis 67 sollen Feuerwehrleute künftig ausrücken dürfen. Wie bewerten Kommandanten aus dem Landkreis München die geplante Anhebung der Altersgrenze? Wir haben nachgefragt.

Wenn beim Nachbarn graue Rauchschwaden aufsteigen, wählt man die 112 und kann sich sicher sein, dass ein paar Minuten später die Drehleiter anfährt. Was aber, wenn keiner kommt? Weil nicht mehr genug Einsatzkräfte bei der Feuerwehr im Dienst sind. Damit das nicht passiert, will Innenminister Joachim Herrmann (CSU) die Altersgrenze um zwei Jahre anheben und sie an das gesetzliche Renteneintrittsalter von 67 Jahren anpassen. Ein Vorschlag, für den sich am Donnerstag auch alle Fraktionen im Landtag ausgesprochen haben. Die Idee kommt freilich auch bei den Feuerwehren im Landkreis gut an, gerade bei kleineren Wehren. Doch nicht alle sind restlos überzeugt.

„Anhebung kauft zwei Jahre“

„Die Anhebung kauft uns zwei Jahre Zeit“, sagt Kreisbrandrat Harald Stoiber. „Das tatsächliche Problem wird es aber nicht lösen.“ Und das ist der Nachwuchsmangel. Laut einer Studie der Brandwacht Bayern wird die derzeitige Zahl von 330 000 ehren㈠amtlichen Feuerwehrleuten im Freistaat bis ins Jahr 2041 um etwa ein Drittel schrumpfen. Der Grund: Immer mehr ältere Feuerwehrleute hören auf, aber es kommen nicht genug nach. Sollte die Altersgrenze tatsächlich steigen, würde sich Stoiber für die älteren Kameraden freuen.

Bei der Freiwilligen Feuerwehr Harthausen fallen Kommandant Georg Schachtner mindestens drei Kameraden ein, die nicht aufhören wollten. 65 aktive Mitglieder hat die Wehr – nicht schlecht für ein so kleines Dorf. Trotzdem findet Schachtner die Idee, die Altersgrenze anzuheben, super. „Wir haben viele Mitglieder, die noch topfit sind. Wenn die noch weitermachen dürften, wäre das ein Gewinn für unsere Feuerwehr.“ Vielleicht würden sie nicht mehr in brennende Häuser laufen, aber bei Unfällen könnten die U65-Feuerwehrmänner die Straße absperren, bei Überflutung Wasser abpumpen oder Ölspuren beseitigen. Dass sie an ihrem Ehrenamt kleben, obwohl es der Körper nicht mehr zulässt, glaubt Schachtner nicht. „Wenn sie nicht mehr einsatzbereit sind, würden sie von selbst austreten.“

„Irgendwann kommt man nicht mehr so leicht aus dem Bett“

Kommandant Hubert Schmid aus Oberbiberg, einem Ortsteil von Oberhaching, hat hingegen „gemischte Gefühle“. Vereinzelt könnten ältere Feuerwehrleute im Einsatz mithelfen, vollwertig einsatzfähig seien sie aber nicht. Der 51-Jährige gehört zu den dienstältesten Kommandanten im Landkreis. 18 000 berufliche Einsätze hat er während seiner Berufszeit in einer Werksfeuerwehr geleistet. „Irgendwann kommt man nicht mehr so leicht aus dem Bett, wenn um halb zwei der Alarm losgeht“, sagt er.

Genügend Einsatzkräfte zu haben, reicht nicht aus. Pro Löschfahrzeug müssen vier Atemschutzträger mitfahren. Fast 25 Kilogramm wiegt die Schutzausrüstung. „Richtige Feuerwehr heißt harte Arbeit“, sagt Schmid. Auch die Anforderung an die Einsatzkräfte seien heute höher als noch vor hundert Jahren. Damals gründeten sich die Feuerwehren, um Brände zu löschen. Heute befreien sie Unfallopfer aus Autos, leiten den Verkehr von der Autobahn ab und pumpen Wasser ab. Daneben steige in den wachsenden Gemeinden der Bedarf. „Die Zugereisten treten nicht bei, weil sie keinen Bezug zu uns haben“, berichtet Kommandant Schmid. „Gleichzeitig verlieren wir gute Leute, weil sie sich hier keine Wohnung leisten können und wegziehen.“

Schüler gezielt ansprechen

Auch der Lebensalltag hat sich verändert: Junge Eltern wollen den Sonntagmorgen statt mit den Kameraden bei einer Übung lieber mit ihren Kindern verbringen. Während der Arbeitszeit können immer weniger zum Einsatz ausrücken, weil das Büro 15 Kilometer entfernt in München liegt.

Kreisbrandrat Stoiber weiß, dass deutlich mehr passieren muss. Aber ob eine Aufwandsentschädigung wie im Nachbarbundesland Baden-Württemberg das richtige Mittel ist, bezweifelt er. Auch eine Wohnung nur für Feuerwehrleute sei nicht fair. Dann müsste der Freistaat Wohnraum für alle Ehrenämter schaffen. Stattdessen schlägt er vor, die Jugend abzuholen und das Eintrittsalter zu senken. „Wir müssen die Schüler gezielt in der Schule ansprechen.“ Immerhin: Mit der angehobenen Altersgrenze blieben dem Freistaat zwei weitere Jahre, um eine langfristige Lösung zu finden.

Bayerns Feuerwehren

In Bayern ist der größte Teil der Feuerwehrleute ehrenamtlich im Einsatz. Berufsfeuerwehren gibt es nur in den sieben Großstädten, dazu kommen etwa 200 Werks- und Betriebsfeuerwehren. Nach Angaben des Landesfeuerwehrverbands gab es im Freistaat zum 1. Januar 2024 knapp 330 000 aktive Mitglieder in den 7476 freiwilligen Feuerwehren.

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