In Hamburg-Harvestehude - Volker wird nach 18 Jahren aus Wohnung verjagt, er wittert abgekartetes Spiel
Der erste Brief kam im Sommer vor zwei Jahren: „Unser Wunsch wäre es, das Mietverhältnis einvernehmlich mit Wirkung zum 31.12.2024 aufzuheben.“ Für viele der 31 Mieter in den Gelbklinkerhäusern an der Hamburger Rothenbaumchaussee ein Schock.
Um die Belastung für die Mieter „in Grenzen zu halten“, bot die Eigentümerin Give eGbR ihnen an, dass sie auch früher ausziehen könnten und bei der Wohnungssuche unterstützt würden. Die alte Wohnung könnten sie einfach unrenoviert übergeben.
Von einem geplanten Abriss war im Schreiben keine Rede
Dass den Häusern in der Rothenbaumchaussee 189, 191 sowie dem Gebäude um die Ecke (Oberstraße 93) ein Abriss bevorsteht – davon stand nichts in dem Schreiben. Das „Abendblatt“ berichtete zuerst.
„Wir hören das nur von anderen“, sagt Christina H. Die 66-Jährige hat einen unbefristeten Mietvertrag für ihre Wohnung und möchte unbedingt bleiben. Rund 900 Euro Miete zahlt sie für ihre 48 Quadratmeter in bester Lage.
„Wenn die Häuser weg sind, dann kann man hier natürlich Luxus hinbauen“
„Rauswerfen lasse ich mich nicht“, sagt auch Mieter Volker Struck. Der 74-Jährige wohnt seit 18 Jahren in einer Einzimmerwohnung.
Seine Rente ist bescheiden, inzwischen hat er auch noch gesundheitliche Einschränkungen. „Wenn die Häuser weg sind, dann kann man hier natürlich Luxus hinbauen“, vermutet er.
Seit einigen Monaten seien nun die Gartenpflege, der Hausmeisterservice und die Treppenhausreinigung eingestellt worden, sagt Christina H. An der Miete habe sich aber nichts geändert.
Tatsächlich liegt im Vorgarten der Gelbklinkerhäuser eine Menge Laub, die Fläche wirkt ungepflegt. Die Gebäude an sich seien aber nicht marode, finden die Mieter.
Schicker Neubau statt Gelbklinker
Dieser Zustand stört auch Norbert Peemüller, er betreibt seit fast 20 Jahren ein Geschäft für Raumausstattungen im Erdgeschoss der Hausnummer 189.
Sein Vertrag läuft Ende 2026 aus, doch ginge es nach den Eigentümern, sollte er wohl lieber früher raus.
Von fremden Maklern sei er unvermittelt angerufen worden, erzählt Peemüller, die wollten ihm bei der Suche nach neuen Räumlichkeiten helfen. Denn in dem neuen Gebäude ist kein Gewerbe mehr vorgesehen.
Anstelle der Häuser aus den 1960er und -70er Jahren soll ein schicker Neubau entstehen – wieder mit 31 Wohnungen. Die MOPO hat dazu auch die Give eGbR angefragt. Eigentümerin Andrea Brandt verweist auf einen Artikel im „Abendblatt“.
Hier hatte sie beteuert, dass keine Luxuswohnungen geplant seien. Den alten Gebäuden mangle es aber an Wärmedämmung und Schallschutz, zudem sei die Gebäudetechnik veraltet. Eine Sanierung sei da nicht zielführend.
Auf die Frage, warum sie den Mietern nicht angeboten habe, nach dem vorübergehenden Auszug in den Neubau zurückzukehren, sagte Brandt der Zeitung: „Es hat noch keiner danach gefragt.“
Der MOPO schreibt Brandt, ihr wäre es lieber, wenn keine weiteren Berichte zum Thema erscheinen würden – denn die Baugenehmigung für den Neubau liegt noch nicht vor.
„Man sollte nicht sofort die Flucht ergreifen und tun, was der Vermieter verlangt“
Was können Mieter tun, wenn der Vermieter sie plötzlich raus haben will, um das Haus abzureißen? „Erstmal durchatmen“, sagt Rolf Bosse, Geschäftsführer vom Mieterverein zu Hamburg. Als nächstes sei es ratsam, sich einen Überblick über die Situation zu verschaffen und den Vermieter um eine schriftliche Begründung zu bitten.
„Man sollte nicht sofort die Flucht ergreifen und tun, was der Vermieter verlangt“, so Bosse. Meist sei es in solchen Fällen auch hilfreich, eine rechtliche Beratung einzuholen.
„Das mit den Briefen war mindestens ungeschickt“
Einige Mieter aus der Rothenbaumchaussee haben inzwischen den Mieterverein eingeschaltet. „Das mit den Briefen war mindestens ungeschickt“, sagt Bosse. „Wir wollen den Mieterinnen und Mietern helfen eine Wohnperspektive zu finden und einen Ausgleich der Interessen.“
Wer einen unbefristeten Mietvertrag hat, habe dabei erstmal „alle Trümpfe in der Hand“. Denn einen Eigenbedarf gebe es in diesem Fall nicht und bislang liege auch kein Gutachten vor, das besage, dass das Haus nicht mehr tragfähig ist. Anfang kommender Woche wollen sich Mieterverein und Vermieterin zu einem ersten Gespräch treffen.
Von Ann-Christin Busch
Das Original zu diesem Beitrag "Wohnungszoff im feinen Harvestehude: Unsere Vermieterin will uns rausdrängen!" stammt von Hamburger Morgenpost.