Zu hohe Schulden: Bayerischer Milliardenkonzern in massiver Krise
Eine bayerische Institution steht vor großen Schwierigkeiten: Der Agrarkonzern Baywa hat so hohe Schulden, dass ein Sanierungsgutachten notwendig wird.
München – Deutschlands größter Agrarhändler steckt offenbar in einer handfesten Krise: Der in Milliardenhöhe verschuldete Baywa-Konzern, ein bayerisches Traditionsunternehmen, hat einen Sanierungsgutachter an Bord geholt. Das Gutachten soll die „angespannte Finanzierungslage“ verbessern, wie der Münchner Agrarhandels- und Energiekonzern mitteilte. Der Vorstand bekundete gleichzeitig seinen Optimismus, dank „konstruktiver Gespräche mit den Finanzierungspartnern“ und der eingeleiteten Maßnahmen die Finanzsituation nachhaltig stärken zu können.
Baywa: Über 100 Jahre alter Traditionskonzern hat Milliardenschulden
Mit dem Gutachten wurden laut der Frankfurter Allgemeinen Zeitung die Sanierungsberater von Roland Berger beauftragt. Ihre Aufgabe ist es nun zu analysieren, wie das Unternehmen überlebensfähig gehalten werden kann. Das Problem: Auf dem bayerischen Konzern, der 1923 als „Bayerische Warenvermittlung landwirtschaftlicher Genossenschaften AG“ gegründet wurde, lasten Verbindlichkeiten von rund sechs Milliarden Euro.
Deshalb sollen laut der FAZ die kreditgebenden Banken darauf gedrungen haben, dass dem Vorstand noch ein sogenannter Chief Restructuring Officer zur Seite gestellt wird und beruft sich dabei auf Informationen aus Branchenkreisen. Ein Konzernsprecher habe diese Information am Sonntag bestätigt, verwies ansonsten aber auf die Ad-hoc-Meldung vom Freitagabend.
Diese Pflichtmitteilung, die am Freitagabend nach Börsenschluss veröffentlicht wurde, sorgte dafür, dass es im nachbörslichen Handel auf der Plattform Tradegate für die Baywa am Freitagabend steil abwärts ging – um rund 20 Prozent sackte die Aktie ab. Doch wie konnte es so weit kommen?
Bayerischer Agrarkonzern schreibt rote Zahlen
Das größte Problem der Baywa sind ihre hohen Schulen und die daraus resultierende Zinsbelastung: Noch im Februar 2023 hatte die Baywa mit einer großen Gala ihren 100. Geburtstag gefeiert – und das Jubiläumsjahr mit einem Nettoverlust von 93 Millionen Euro beendet. Im ersten Quartal rutschte die Baywa mit einem Minus von 108 Millionen Euro noch tiefer in die roten Zahlen.
Ende des ersten Quartals drückten lang- und kurzfristige Schulden in Höhe von fast 5,6 Milliarden Euro die Baywa. Schon auf der Hauptversammlung im Juni hatte Baywa-Chef Marcus Pöllinger sozialverträglichen Stellenabbau und Verkäufe nicht wesentlicher Geschäftsbereiche angekündigt. Die Baywa hat zurzeit gut 24.000 Mitarbeiter.
Baywa: Expansion auf Kredit - mit böser Überraschung
Diese Schulden gehen zu Großteil auf die Amtszeit des langjährigen Vorstandschefs Klaus Josef Lutz zurück, der den ehedem auf den Agrarhandel beschränkten Konzern bis Frühjahr 2023 leitete. Der Manager expandierte auf Kredit quasi rund um den Globus. Lutz baute vor allem das Geschäft mit erneuerbaren Energien als zweites Standbein des Konzerns auf.
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Doch auch im Agrarhandel kaufte die Baywa in Lutz‘ Amtszeit zu: So wurde die Baywa Mehrheitseignerin des großen neuseeländischen Apfelanbauers Turners and Growers, der seine Plantagen überall auf der Welt betreibt. Auch viele deutsche Verbraucherinnen und Verbraucher, denen das Unternehmen kein Begriff ist, haben Baywa-Früchte in der Hand: Dazu zählen beispielsweise Äpfel der Sorten „Kanzi“ und Jazz“.
Der heutige Chef Pöllinger ist allerdings kein Baywa-Novize, der die Probleme nur geerbt hätte: Er gehört dem Vorstand seit Ende 2018 an. Unerfreulicherweise für die Baywa ging der Anstieg der Verschuldung einher mit dem rasanten Anstieg der Kreditzinsen seit 2022, eine Entwicklung, die auch andere Unternehmen schon in Schwierigkeiten gebracht hat.
Der Vorstand hatte offenkundig mit langfristig niedrigen Zinsen kalkuliert und wurde böse überrascht. 2021 zahlte die Baywa knapp 122 Millionen Euro Kreditzinsen, 2022 waren es 202 Millionen, 2023 schoss die Zinsbelastung dann auf 362 Millionen Euro in die Höhe. Das war die maßgebliche Ursache der Verluste, denn im operativen Geschäft schrieb die Baywa schwarze Zahlen.
Die Uhr tickt bei der hoch verschuldeten Baywa
Die drückende Zinslast ist jedoch nicht das einzige Problem: Ein beträchtlicher Teil der Schulden ist in einem Konsortialkredit mit einem Rahmen von bis zu zwei Milliarden Euro gebündelt, Ende 2023 hatte die Baywa davon 1,4 Milliarden in Anspruch genommen, wie im Geschäftsbericht 2023 nachzulesen. Die Uhr tickt: Der Konsortialkredit läuft im September 2025 aus.
Sehr unerfreulich ist die Entwicklung auch für den früheren Vorstandschef Lutz. Er war 2023 unmittelbar auf den Sessel des Aufsichtsratschefs gewechselt, legte den Posten aber Anfang dieses Jahres nach internen Streitigkeiten nieder. Doch aus dem Rampenlicht ist er nicht verschwunden: Als Präsident des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags ist Lutz einer der prominentesten Repräsentanten der heimischen Wirtschaft. Mit Material der dpa