500 Opernfans lauschen den Arien

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Lauschige Stimmung: Franz Erl (r.) präsentierte heuer seinen 34. Belcanto-Abend am Unteren Markt bei besten Bedingungen. © Heske

Dorfen - Der 34. Belcanto-Abend von Franz Erl fand bei bestem Wetter statt und bescherter den Zuhörern eine wunderbare Atmosphäre, nur die Auswahl der Wagner-Arien spaltete das Publikum.

„Bel canto“ heißt „schöner Gesang“ – der jährliche Abend, an dem Franz Erl aus seiner umfangreichen Opernsammlung Stücke für sein Open-Air aussucht, ist eine Tradition. Knapp 500 Besucher lauschten in der lauen Sommernacht am Freitag den Arien aus Lohengrin und Tannhäuser. 

„Mein lieber Schwan“ – ein Hauch von Bayreuth wehte durch Dorfens Stadtkern. Die Aufnahme stammte aus dem Jahr 1964, Jess Thomas und Elisabeth Grümmer sangen dieses Duett am Schluss der romantischen Oper Lohengrin. „Ich bin gespannt, wie das ankommt“, sagte Erl vor der Veranstaltung. Er habe extra eingängige Arien von Richard Wagner ausgesucht, darunter auch sein Lieblingsstück: „Die Walküre“ – eine ekstatische Musik“, so der Opernkenner. 

„Unschlagbare Atmosphäre“

„Ach du grüne Neune, das meint er nicht ernst“, seufzte Inge Schmederer spontan, als sie den Zettel mit dem Programm las. „Ich liebe Wagner schon – zumindest Lohengrin, Tannhäuser und den Ring der Nibelungen“, meinte ihr Mann Georg. „Hier sitzen wir jedenfalls bequemer als in Bayreuth“, erklärte das Ehepaar unisono, das gemütlich mit Freunden an einem der Biertische am Unteren Markt saß. Denn die alten Stühle bei den Festspielen in der Wagner-Stadt seien extrem hart, zudem gab es beim dritten Belcanto-Abend, den die Karnevalsgesellschaft Dorfen ausgerichtet hatte, wieder Häppchen, Wein und Bier. 

„Die Musik von Wagner zieht richtig rein, da musst du mitgehen, da kannst du nicht aussteigen“, freute sich Anneliese Mayer aus Taufkirchen auf das mittlerweile 34. Event mitten in Dorfens pittoresker Altstadt.

Luise Greiner aus St. Wolfgang ließ sich hingegen gar nicht erst nieder: „Dieser Komponist war ein großer Antisemit und bekennender Nationalist – das muss ich mir nicht geben“, kritisierte sie.

Die Dorfenerin Christine Gauster erklärte diplomatisch: „Die Person Richard Wagner mag ich nicht – seine Musik gefällt mir aber sehr gut.“ 

Auch Ernst Bartmann trennte Künstler und Werk: „Man stempelt Wagner zu unrecht als schwere Kost ab. Franz Erl hat sich die guten Häppchen ausgesucht“, so der Dorfener Kirchenmusiker und Komponist. Allen Kontroversen zum Trotz: „Unschlagbar, diese Atmosphäre, da stimmt heute einfach alles“, sprach Bartmann wohl vielen Zuhörern aus dem Herzen.  

Wiedergutmachung zum Vorjahr

Im vergangenen Jahr hatte es große Schwierigkeiten mit der Technik gegeben, der Tontechniker hatte kurzfristig abgesagt. Die KG musste improvisieren, die Anlage war ein Provisorium – der Ton fiel immer wieder aus, die Aufnahmen knarzten. Für den Perfektionisten Erl „die Hölle“, wie er sagte. „Der Kenner hat es schon gehört“, erinnerte sich Inge Schmederer an das Vorjahr. Dennoch sei es ein herrlicher Abend gewesen.

Gewissermaßen als Entschuldigung legte Opernkenner Erl im zweiten Teil dann nochmals all jene Aufnahmen auf, die „letztes Jahr vor die Hunde gingen“, dieses Mal in gewohnter Vollendung. Darunter Verdi, Bellini und Rossini, nun kamen auch die Freunde veronesischen Flairs auf ihre Kosten. Das Finale: „O soave fanciulla“, ein Duett aus dem ersten Akt von Giacomo Puccinis Oper „La Bohème“. Zum Schluss gab's frenetischen Applaus. 

Heuer mehr junge Gäste

Überraschend, dass mittlerweile so viele junge Leute unter den Besuchern waren. Etwa die 18-jährige Rayvon Storm aus Dorfen, die von den Inszenierungen der Opera Incognita im Jakobmayer-Saal so begeistert war, dass sie sich, gemeinsam mit ihrer Freundin, das Belcanto-Potpourri anhören wollte. Oder der 22-jährige Michael Berger. Der Erdinger blieb vor dem Grammophon stehen, bewunderte den orangeroten Trichter und die Schellack-Scheibe. Er selbst habe sich von seinem ersten Lohn einen Plattenspieler gekauft, erzählte er. 

Dass Erls Aufnahmen aus der Retorte, sprich von CDs, kommen, fand Berger ein wenig schade: „Vinyl-Platten klingen viel wärmer“, findet der junge Mann. In diesem großen Rahmen biete sich das nicht an, erklärte ihm Erl, moderne Tonträger geben außerdem die grandiosen Stimmen in einer Top-Qualität wieder: „Elisabeth Rethberg oder Lauritz Melchior und Kirsten Flagstad sowie Herbert Janssen – nicht zu vergessen, die göttliche Callas“, schwärmte Erl von den großen Sopranistinnen und Tenören.  

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