Aus Sorge vor einem Burnout: Pfarrer Reithemann verlässt den Starnberger See
„Der graue Schleier über der schönen Landschaft hat sich aufgelöst“: So geht es Pfarrer Bernd Rei㈠themann, seit er sich entschlossen hat, Seeshaupt und vor allem seine Aufgabe dort zu verlassen. Um nicht krank zu werden, geht er neue Wege – beeindruckt von der Region und ihren Menschen.
Vor einem Jahr hat Pfarrer Bernd Reithemann gemerkt, dass etwas nicht stimmt. „Ich hatte schon mal einen Burnout, vor elf Jahren“, erzählt der 54-Jährige im Garten des Pfarrhauses in Seeshaupt. „Ich kenne das Gefühl.“ Reithemann macht noch ein paar Monate mit dem unguten Gefühl weiter, dann fasst er einen Entschluss. „Ich wollte rechtzeitig die Reißleine ziehen, damit es nicht wieder zu einem Burnout kommt.“ Am 14. Januar diesen Jahres sei er damit zu seinem Personalchef gegangen. „Ich habe darum gebeten, dass wir zusammen eine neue Stelle für mich finden, eine ohne Leitungsverantwortung.“ Auch sein Arzt habe ihm dazu geraten.
Tatsächlich tut sich eine Chance für ihn auf. Und Reithemann ergreift sie: Ab November wird er im Dekanat Günzburg als Pfarrer zur Mithilfe ausschließlich seelsorgerisch tätig sein – vor allem in der Wallfahrtskirche Maria Vesperbild. Sein Nachfolger ist kein Unbekannter in der Region: Konrad Maria Bestle, der vor Jahren in Weilheim Diakon war, dann nach Rom ging und nun in den Landkreis zurückkehrt. Für beide Männer ist es ein Neuanfang.
„Es war schwer, anzukommen“
Den hat Reithemann auch vor vier Jahren in Seeshaupt gewagt. Im September 2020 beginnt der Schwabe sein Amt in der Pfarreiengemeinschaft Seeshaupt – Bernried – Iffeldorf. Mitten im ersten Jahr der Corona-Pandemie. „Es war schwer, anzukommen, Kontakte zu knüpfen“, erinnert er sich. Doch auch das Arbeitspensum hat ihn von Anfang an viel Kraft gekostet. Man müsse nur den vergangenen Sonntag anschauen: „9 Uhr Heilige Messe in Hohenberg, 10.15 Uhr Familiengottesdienst in Bernried, danach eine Kurzvisite bei der Eröffnung einer Kunstausstellung in Bernried, dann noch zum Künstlermarkt in Seeshaupt, Kaffee und Kuchen und sich sehen lassen. Abends war ich rechtschaffen müde.“
Nun also reine Seelsorge
Aber geht es nicht vielen Pfarrern so, nachdem die Pfarreiengemeinschaften wegen des Priestermangels immer größer werden? „Ja, ich kenne mehrere Priester, denen es so geht“, sagt Reithemann. Das Bistum Augsburg setze weiterhin auf eine flächendeckende Seelsorge, alle Pfarreien sollen einen Pfarrer haben – obwohl auch hier Fachkräftemangel herrscht. „Ich glaube, dass uns nichts anderes übrig bleibt, als irgendwann Zentralpfarreien einzuführen.“ Das Bistum Freiburg gehe schon einen ähnlichen Weg. „Die Leute müssen dann zu den Zentren kommen.“ Dennoch sei der Job des aufsuchenden Pfarrers, wie ihn das Bistum jetzt fordert, bewerkstelligbar. „Für Personen, die Nerven wie Drahtseile haben. Und die gibt es unter uns Pfarrern.“ Vielleicht schaffe er das nach einer Zeit des Kürzertretens ja auch wieder. Im Moment aber nicht.
Nun also reine Seelsorge, mit zwei Chefs: „Dekan und Wallfahrtsdirektor von Maria Vesperbild. Das ist eine neue Situation für mich, hoffentlich gerate ich nicht zwischen die Fronten“, sagt Reithemann und lacht. 21 Jahre lang war er leitender Pfarrer. Ein Karriererückschritt? „Weltlich betrachtet ja. Jesus Karrieredenken geht aber nach unten statt nach oben. Damit kann ich also wunderbar leben.“ Auf die neue Aufgabe freue er sich sehr. „Das ist meine Passion.“ Gottesdienste, Beichten, Pilgergruppen empfangen. Maria Vesperbild sei ein „Kraftort“, jeden Tag kämen Menschen, „um zu beten“.
Abschied beim Pfarrgottesdienst
Völlig ohne Wehmut verlässt er Seeshaupt und die anderen Gemeinden aber nicht. Die traumhafte Landschaft sei das eine. Vor allem hätten ihm aber die rührige Pfarreiengemeinschaft und die vielen ehrenamtlichen Mitarbeiter imponiert. Das sei nicht selbstverständlich, schließlich läge in der Pfarrei der Anteil derer, die noch in der Kirche sind, bei unter 50 Prozent. „Das ist im Schwäbischen noch nicht so.“ Seit seiner Entscheidung geht es Reithemann trotzdem wesentlich besser. „Der graue Schleier über der schönen Landschaft hat sich aufgelöst.“
Meine news
Pfarrer Reithemann feiert am 25. August um 10.15 Uhr beim Pfarrgottesdienst in Seeshaupt Abschied. Anschließend findet ein Stehempfang im Pfarrgarten statt.