Erdgasbohrung bei Reichling: Gegner sind kämpferisch und gründen Bürgerinitiative

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Voll besetzt war das Reichlinger Pfarrheim bei dem Infoabend, zu dem die Bürgerinitiative gerufen hatte. Links Referent Bernd Ebeling und Moderator Marvin Lüben („Greenpeace“). © Johannes Jais

Auch wenn das Bergamt Südbayern dem Gas-Unternehmen „Genexco Gas“ Ende Juni eine Zulassung für die Erkundungsbohrung bei Reichling erteilt hat, so gibt sich die neu gegründete Bürgerinitiative kämpferisch. Das wurde bei einem Informationsabend am Freitagabend deutlich, zu dem die neu gegründete „Bürgerinitiative Reichling-Ludenhausen – gegen die Ausbeutung unserer Heimat“ eingeladen hatte.

Reichling - Es regt sich Protest gegen die geplante Erdgasbohrung bei Reichling (wir berichteten): Der Druck auf die Politiker soll erhöht werden. Außerdem will man darauf hinwirken, dass für eine Trasse nach Denklingen – zum Anschluss an die bestehende Erdgasleitung – keine Grundstücke bereitgestellt werden. Das ist das Fazit einer Informationsveranstaltung im Reichlinger Pfarrheim.

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So viele Leute waren lange nicht mehr im Pfarrheim in Reichling: 150 interessierte Besucher füllten am Freitagabend den Saal und das Foyer. Franz Osterrieder von der neu gegründeten „Bürgerinitiative gegen die Gasbohrung in Reichling“ sagte in der Begrüßung, man habe den Happerger-Saal in Ludenhausen mieten wollen, der nahezu 300 Leute fasst. Doch der sei schon mit einem Veteranentreffen belegt gewesen. Und der Referent habe keinen anderen Termin freigehabt.

Ingenieur der Wasserwirtschaft kritisch in Sachen Gasbohrungen

Der Redner war mit dem Zug aus Niedersachsen angereist. Es war Bernd Ebeling, der seit 30 Jahren selbständig tätig ist als Ingenieur in der Wasserwirtschaft und sich kritisch mit dem Thema Gasbohrungen auseinandersetzt. Zunächst schilderte er Auswirkungen großer Erdgasprojekte wie zum Beispiel im Altmarkkreis Salzwedel, wo zu DDR-Zeiten mehr als 100 Menschen an freigesetzten Giften verstarben.

Zum Schluss des Abends kamen die Frauen und Männer, die sich in der neuen Bürgerinitiative gegen die geplante Erdgasbohrung engagieren, nach vorne.
Zum Schluss des Abends kamen die Frauen und Männer, die sich in der neuen Bürgerinitiative gegen die geplante Erdgasbohrung engagieren, nach vorne. © Johannes Jais

Im Bereich Groningen in den Niederlanden sei es auf dem größten Erdgasfeld Europas wegen Erdbeben zu Bodenabsenkungen gekommen. Dort seien mehr als 3000 beschädigte Gebäude abgerissen worden. Auch bei früheren Bohrungen in Niedersachsen seien Schadstoffe in der Luft, im Boden und im Wasser festgestellt worden.

Doch er müsse, so vollzog Ebeling den Schwenk in den Lechrain, ein Lob an das Wasserwirtschaftsamt Weilheim richten. Die Techniker dort würden heute andere und strengere Anforderungen festsetzen. Zudem mache das Bergamt Südbayern, das bei der Regierung von Oberbayern angesiedelt ist, konkrete Vorgaben.

Konkrete Vorgaben der Regierung von Oberbayern

Zu den Auflagen: Im Bescheid des Bergamtes wird die Zulassung für den sogenannten Hauptbetriebsplan am Bohrplatz „Kinsau I“ – dort wurde bereits im Jahr 1983 gearbeitet und ist ein Rohr bis in 1000 Meter Tiefe vorhanden – bis zum 30. Juni 2026 befristet erteilt. Eine Voraussetzung ist, dass zwischen Bohrplatz und Wasserschutzgebiet eine Grundwasser-Messstelle errichtet wird. Dies sei inzwischen bereits geschehen, sagt dazu Eckhard Oehm von der Firma „Genexco Gas“ auf Nachfrage der Redaktion.

Das Unternehmen hat laut Bescheid auch ein Trinkwasser-Notfallkonzept vorzulegen. Darin muss vor Beginn des Bohrplatzbaus, der heuer im Sommer erfolgen soll, eine ersatzweise Trinkwasser-Notfallversorgung für die Gemeinde Reichling aufgezeigt werden, falls es durch das Vorhaben zu einer Grundwasserverunreinigung im Einzugsgebiet der Versorgung im Erbistal käme.

„Greenpeace“-Mitglied moderiert die Veranstaltung

Eine Fülle an Fragen und Wortmeldungen folgte anschließend, als Marvin Lüben von der Umweltschutz-Organisation „Greenpeace“ das Forum in Reichling moderierte. Peter Satzger vom Bund Naturschutz im Kreis Landsberg war ebenso wie Referent Ebeling der Hinweis wichtig, bei allen Sorgen und Bedenken zur Bohrstelle – von technischen Störungen über den Lkw-Verkehr bis zur Zerstörung der Heimat – die Auswirkung aufs Klima in den Fokus zu rücken.

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Laut Bund Naturschutz ist die Förderung von fossilem Gas in Reichling „völlig aus der Zeit gefallen“. Um das von der Staatsregierung gesteckte Ziel der Klimaneutralität bis zum Jahr 2040 zu erreichen, „müssen wir unsere Energie darauf verwenden, den Gasverbrauch zu senken, statt neue Quellen zu erschließen und noch mehr zu verbrennen“, so der Bund Naturschutz in einer Stellungnahme (siehe Infokasten).

Der entscheidende Punkt, damit nach der Probebohrung auf zehn bis 15 Jahre hinaus eine Förderung aus bis zu 3000 Metern Tiefe folge, sei die Realisierung einer acht Kilometer langen Gasleitung zum Anschlusspunkt nach Denklingen, blickte BN-Kreisvorsitzender Peter Satzger voraus. Aber: Wenn da Druck aufgebaut werde und die erforderlichen Grundstücke dafür nicht bereitgestellt würden, habe das Projekt einer langfristigen Förderung nach der Erkundungsbohrung kaum Aussicht auf Erfolg, so Peter Satzger.

Kritik an der Gemeinde

In der anschließenden Diskussion ging es auch um „das Zuckerl“ der Geothermie, die im Anschluss an eine jahrelange Gasförderung laut „Genexco Gas“ über die vorhandenen Rohre aktiviert werden könne. Ein Fragesteller wollte wissen, warum diese klimafreundliche Variante nicht ohne vorherige Erdgasförderung geprüft werde.

Dazu erklärte Kasimir Buhr vom „Bund Naturschutz“, die Wirtschaftlichkeit der Geothermie hänge wesentlich von der Größe des Verteilnetzes ab. Allein die Haushalte von Reichling und Ludenhausen reichten dafür nicht aus.

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Saskia Reinbeck, „Greenpeace“-Vertreterin, sagte zur Erdgasbohrung, dass die Gemeinde Reichling finanziell von dem Projekt nichts habe. Gewerbesteuern entrichte das Unternehmen „Genexco Gas“, an dem auch ein kanadisches Konsortium Anteile halte, am Firmensitz in Mülheim an der Ruhr.

Kritik wurde auch daran laut, dass die Gemeinde Reichling der Forderung aus der Reichlinger Bürgerschaft nach einer eigenen Informationsveranstaltung mit Experten bislang noch immer nicht nachgekommen sei. Gemeinderat Benjamin Graf erklärte an dem Abend ebenso wie zuvor Hans-Jürgen Korn, dass die Reichlinger Gemeinderäte nicht informiert worden seien. „Das liegt auch an unserer Führungskraft“, ergänzte Graf und meinte damit Reichlings Bürgermeister Johannes Hintersberger.

Bürgermeister ist nicht anwesend

Hintersberger war auf der Veranstaltung der Bürgerinitiative, die ihn dazu im Vorfeld bei einem Treffen im Rathaus persönlich informiert hatte, nicht anwesend. Auf Nachfrage der Redaktion war er Ende der Woche telefonisch nicht zu erreichen. Eine Anfrage per Mail blieb unbeantwortet. Die Redaktion wollte wissen, ob denn ein eigener Abend zum Thema Gasförderung noch stattfinden wird und wann das der Fall sein soll.

Eckard Oehm von der Firma „Genexco“ bedauert die zurückliegende Entwicklung in Reichling. Er stünde für einen eigenen Informationsabend, auf dem mehrere Experten das Wort ergreifen sollten, weiterhin zur Verfügung. Sein Eindruck sei, dass „da was aufgebauscht“ werde. Oehm wörtlich: „Die Leute, die lautstark aufbegehren, hätten sich auch an uns wenden können.“

Unterschriftenliste und Appell

Zu den 150 Besuchern im Reichlinger Pfarrheim gehörten an diesem Abend auch Bürgermeister Fritz Schneider aus Rott und die frühere Reichlinger Bürgermeisterin Margit Horner-Spindler. Birgit Ertl aus Rott forderte derweil am Ende des Forums namens der Bürgerinitiative dazu auf, dass die Gegner der Gasförderung, die sich alle in eine Unterschriftenliste eintragen konnten, „an einem Strang ziehen“. Dann ließen sich gar „Berge versetzen“, ermunterte sie auf der Veranstaltung zu entschlossenem Einsatz.

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Das sagt der Bund Naturschutz

„Dieses Projekt ist völlig aus der Zeit gefallen“, sagt Martin Geilhufe, Landesbeauftragter des Bund Naturschutz in Bayern. „Bayern muss schnellstmöglich klimaneutral werden, das führen uns auch die immer häufigeren Extremwetter-Ereignisse deutlich vor Augen. Um das von der Staatsregierung gesteckte Ziel der Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen, müssen wir unsere Energie darauf verwenden, den Gasverbrauch zu senken, statt neue Quellen zu erschließen und noch mehr zu verbrennen!“

Der Vorsitzende der örtlichen BN-Kreisgruppe, Peter Satzger, ergänzt: „Mit Blick auf die Gefahren für Mensch und Natur vor Ort wundert es uns, dass im Bescheid zwar von einem Trinkwasser-Notfallkonzept gesprochen wird, eine Umweltverträglichkeitsprüfung aber als nicht nötig angesehen wird. Das passt nicht zusammen.“

Das sagt „Greenpeace“

„Nur wenige Wochen nach dem verheerenden Hochwasser in Bayern und Baden-Württemberg lässt das Bayerische Wirtschaftsministerium es jetzt zu, dass in Bayern erneut nach Gas gebohrt werden darf. Dabei haben uns die Fluten Anfang Juni doch brutal gezeigt, wie unsere Zukunft aussieht, wenn wir weiter klimaschädliches Gas verbrennen“, sagt Saskia Reinbeck, Energie-Expertin der Umweltschutzorganisation „Greenpeace“.

„Diese Genehmigung des Bergamtes und des Wirtschaftsministeriumns ist ein verstörender Schritt in eine völlig falsche Richtung. Hinzu kommt: Der Bohrplatz liegt unmittelbar neben einem europäischen Schutzgebiet für seltene Tiere und Pflanzen und dem Trinkwassereinzugsgebiet der Gemeinde Reichling. Hier mit Chemikalien zu hantieren und schwerwiegende Unfälle zu riskieren, ist unverantwortlich.

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