Fachkräftemangel kostet deutsche Wirtschaft Milliarden: Jedes dritte Unternehmen betroffen
Der Fachkräftemangel in der deutschen Wirtschaft wirkt sich aus: Für 2024 werden Einbußen in der Höhe von rund 49 Milliarden Euro erwartet. Jedes Dritte Unternehmen ist davon betroffen. Ein Überblick.
Berlin – Die Fachkräftelücke wird immer größer und kostet viele Milliarden im Jahr. An jeder Ecke fehlt es an Personal, ob an Erziehern, Pflegekräften oder Handwerkern. Auch Ärzte sind stark betroffen, schon jetzt hat jeder achte Arzt keinen deutschen Pass. Dadurch produzieren auch die deutschen Unternehmen, nicht so viel, wie sie könnten. Der Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) beziffert den Verlust durch den Fachkräftemangel auf 49 Milliarden Euro. Je größer die Kluft wächst, desto höher wird der Verlust werden. Im Jahr 2023 seien insgesamt fast 573.000 Stellen nicht besetzt gewesen. Die Fachkräftelücke habe sich in Deutschland seit dem Jahr 2010 verzehnfacht. Auch deshalb plant die Ampel-Koalition nun Steuererleichterungen für ausländische Fachkräfte.
Fachkräftemangel: IW fordert Erhöhung der Lebensarbeitszeit
Nicht einberechnet habe das IW die Folgekosten der Personalprobleme. Der zusätzliche Stress für die Belegschaften durch Mehrarbeit oder entgangene Innovationen durch unbesetzte Stellen kämen noch obendrauf. Mit der Pensionierungswelle der Babyboomer, der geburtenstarken Jahrgänge von 1959-1969, wird sich das Problem noch einmal vergrößern. Der deutschen Wirtschaft würden im Jahr 2027 dadurch 74 Milliarden Euro entgehen, warnt das IW. Es fordert Auflockerungen für die qualifizierte Zuwanderung, bessere Kinderbetreuung, damit Frauen ihre Arbeitszeit ausweiten können, sowie die Erhöhung der Lebensarbeitszeit. Die deutschen Unternehmen sollen die älteren Jahrgänge motivieren, länger im Betrieb zu bleiben.

Jedes dritte Unternehmen hat Personalnot: Kanzleien besonders betroffen
Das neue „Fachkräftebarometer“ von KfW und Ifo Institut stellt ebenfalls akuten Fachkräftemangel unter den deutschen Unternehmen fest. Über einem Drittel fehlt es an qualifiziertem Personal, wobei Dienstleister mit 42 Prozent besonders beeinträchtigt sind, in der Industrie sind es 25 Prozent. Besonders betroffen seien laut Umfrage Kanzleien von Rechtsanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern - 71 Prozent gaben an, negativ beeinflusst zu sein. Im Handel liegt die Quote im Sommer bei 28 Prozent und im Baugewerbe bei 27 Prozent. Kleinere Unternehmen seien im zweiten Quartal etwas weniger betroffen gewesen als Großbetriebe. Der Osten mehr, als der Westen.
„Die Fachkräfteknappheit bleibt weiter ein großes Thema für die Unternehmen in Deutschland, auch wenn sie aufgrund der konjunkturellen Schwächephase erneut etwas zurückgegangen ist“, meint KfW-Chefvolkswirtin Dr. Fritzi Köhler-Geib. „Mit 35 Prozent behindert sie immer noch einen erheblichen Teil der Unternehmen. Alle Wirtschaftsbereiche sind betroffen, große Unternehmen etwas häufiger als der Mittelstand“. Ein Ende sei nicht in Sicht, denn mit dem erwarteten Anziehen der Konjunktur, würde sich auch der Mangel an Fachkräften wieder verstärken. Es müsse mehr Anreize für eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen und Älteren geben, qualifizierte Zuwanderung sowie die Qualifizierung und Umschulung von Arbeitnehmern gefördert und auch die Digitalisierung vorangetrieben werden.
Könnte die Vier-Tage-Woche die Lösung für den Fachkräftemangel sein?
Unternehmen werden immer kreativer, um Personal zu halten oder anzuwerben. Laut Ifo-Umfrage bieten elf Prozent aller deutschen Unternehmen eine Vier-Tage-Woche an. Dafür verzichten in diesen Betrieben mehr als die Hälfte der Mitarbeiter auf einen Teil ihres Gehalts. 39 Prozent leisten ihre volle Arbeitszeit in vier statt bisher fünf Tagen. Nur 10 Prozent können ihre Arbeitszeit bei vollem Lohn verringern. Auch wenn sich das Modell der Vier-Tage-Woche positiv auf die Work-Life-Balance auswirken kann, kann sie sich negativ auf die bereits bestehende Personalnot auswirken: 59 Prozent der Befragten gaben an, dass dadurch mehr Personal nötig wäre. Nur 3 Prozent hatten keine Bedenken. Der Fachkräftemangel beeinflusst die Entscheidung maßgeblich, ob ein solches Modell ausprobiert werde. Während 42 Prozent der befragten Unternehmen sich gegen eine Einführung aussprachen, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, sind nur 16 Prozent eher dazu geneigt.
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Die Bundesregierung will das Wirtschaftswachstum laut Manager Magazin mit einem „Konjunkturpaket“ ankurbeln. Steuervorteile für Unternehmen, Anreize für das Arbeiten im Alter und Maßnahmen zum Bürokratieabbau sind am 5. Juli 2024 angekündigt worden. Dem Fachkräftemangel will Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) zufolge mit Steueranreizen für ausländische Fachkräfte entgegenwirken. Sie sollen in den ersten drei Jahren ihrer Tätigkeit in Deutschland einen Steuerrabatt erhalten – zunächst 30, dann 20, dann zehn Prozent.