Fachkräftemangel in der Medizin: Jeder achte Arzt ohne deutschen Pass
Ein Drittel der praktizierenden Ärzte wird in den nächsten Jahren in Pension gehen. Können Fachkräfte aus dem Ausland die Lücke schließen? Ein Drittstaat verzeichnet hierzulande eine besonders hohe Anerkennungsrate für Ärzte.
Berlin - In den kommenden Jahren wird Deutschland einen erheblichen Teil seiner Ärzteschaft verlieren, da viele vor der Pensionierung stehen. Laut aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamt Destatis waren im Jahr 2023 rund 31 Prozent der Human- und Zahnmediziner 55 Jahre oder älter. Auch wenn die Gesamtzahl der Ärzte in der Human- und Zahnmedizin in den letzten zehn Jahren um etwa 23 Prozent auf 502.000 gestiegen ist, hat der Anteil der älteren Ärzte ebenfalls zugenommen. Gleichzeitig ist der Anteil der Ärzte im mittleren Alter gesunken: Waren 2013 noch 54 Prozent der Ärzte zwischen 35 und 54 Jahre alt, so sind es 2023 nur noch 48 Prozent. Der Anteil der jungen Ärzte unter 35 Jahren blieb nahezu unverändert bei rund 20 Prozent.
Fachkräftemangel durch ausländische Ärzte schließen?
Der Anteil ausländischer Ärzte in der Human- und Zahnmedizin ist dafür deutlich angestiegen, besonders in den letzten zehn Jahren. Rund ein Viertel aller Ärzte in Deutschland ist aus dem Ausland zugewandert. 2023 arbeiteten daher insgesamt 115.000 zugewanderte Mediziner in der Human- und Zahnmedizin, das entspricht 23 Prozent der gesamten Ärzteschaft. Einige davon haben mittlerweile die deutsche Staatsbürgerschaft erlangt. 62.000 Ärzte hatten im Jahr 2023 noch keine deutsche Staatsangehörigkeit und davon waren etwa die Hälfte jünger als 35 Jahre.
Im Jahr 2022 wurden in der Human- und Zahnmedizin über 6.100 ausländische Abschlüsse vollständig anerkannt. Rund 5.500 Ärzte erhielten in Deutschland die volle Gleichwertigkeit ihrer Abschlüsse, wobei neben deutschen Staatsbürgern mit 8 Prozent die größte Gruppe aus Syrien stammte. In der Zahnmedizin erhielten etwa 600 ausländische Abschlüsse die volle Anerkennung, wobei syrische Zahnärzte 17 Prozent ausmachten. Die größte Gruppe waren deutsche Staatsbürger, die ihre Medizinstudien anerkennen ließen. Die Daten zur Anerkennung ausländischer Abschlüsse verdeutlichen, dass viele deutsche Medizinstudierende aufgrund der Zulassungsbeschränkungen in Deutschland ihr Studium im Ausland absolvieren müssen.
Fachkräftemangel auch in der ambulanten Versorgung hoch wie nie
Der Fachkräftemangel ist auch in der ambulanten Versorgung spürbar: Bis 2040 droht der Versorgungsgrad in Deutschland auf 74 Prozent des heutigen Niveaus abzusinken, da jährlich etwa 2.500 ärztliche Nachbesetzungen fehlen. Laut dem Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) würden von 2022 bis 2040 somit kumuliert rund 50.000 Ärzte fehlen, um die Versorgung der 73 Millionen gesetzlich Versicherten auf dem aktuellen Niveau zu halten.
„Ohne Berücksichtigung der Zuwanderung von Ärztinnen und Ärzten aus dem Ausland droht bis 2040 ein allmähliches Absinken des vertragsärztlichen Versorgungsgrads auf dann nur noch 74 Prozent des heutigen Niveaus“, kommentiert das Zi die aktuelle Lage in einer Aussendung dieses Jahres. Selbst eine kurzfristige, drastische Anhebung der humanmedizinischen Studienplätze würde wegen der Gesamtdauer der Ausbildung erst nach etwa 15 Jahren in der ambulanten Versorgung ankommen.
Europaweiter Kampf um Mediziner: „Frühere Versäumnisse in der Ausbildung nicht mehr aufzuholen“
„In ganz Europa zeichnet sich ein zunehmender Fachkräftemangel in der medizinischen Versorgung ab. Wir befinden uns mitten in einem ‚war for talents‘ um ausgebildete Medizinerinnen und Mediziner. Es dürfte daher künftig noch herausfordernder werden, das heutige medizinische Leistungsangebot in Zukunft flächendeckend zu stabilisieren und eine Benachteiligung strukturschwächerer Regionen zu verhindern“, kommentiert Zi-Vorstandsvorsitzender Dr. Dominik von Stillfried. „Unsere Analyse zeigt, dass frühere Versäumnisse in der Ausbildung in den kommenden zehn Jahren nicht mehr aufzuholen sind. Der Mangelumfang wird aber auch stark davon abhängen, wie gut es gelingt, international attraktive Rahmenbedingungen für die ärztliche Tätigkeit zu schaffen und Ärztinnen und Ärzte dazu zu motivieren, möglichst lange und engagiert in der medizinischen Versorgung zu bleiben“, so Stillfried.