Neues Rüstungsziel geistert über Nato-Gipfel – dabei hat Deutschland bereits mit dem aktuellen Probleme

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Nach 20 Jahren hat Deutschland erstmalig das Zwei-Prozent-Ziel erreicht. Andere Staaten fordern bereits mehr Ausgaben für die Verteidigung.

Washington D.C. – Beim Gipfeltreffen der Nato in dieser Woche steht weiterhin ein Thema im Fokus: der Ukraine-Krieg. Dabei geht es nicht allein um Hilfen für die Ukraine, sondern auch um die eigene Verteidigungsfähigkeit angesichts der Bedrohung durch Russland. Während Deutschland erstmals das Zwei-Prozent-Ziel der Nato erreicht hat, denken andere Länder schon weiter – und fordern ein Drei-Prozent-Ziel.

Zwei-Prozent-Ziel erreicht: Olaf Scholz lobt Ausgaben für Verteidigung

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zeigte sich auf dem Gipfel des Bündnisses sichtlich zufrieden: Auch in den kommenden Jahren sollen Ausgaben von zwei Prozent des Bruttoinlandproduktes für die Verteidigung ausgegeben werden. Dafür werde man „das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen“ nutzen und ab 2028, wenn dieser Kredit erschöpft sei, die zwei Prozent „aus dem Bundeshaushalt direkt“ finanzieren, erklärte Scholz in Washington. Statt den derzeitigen 52 Milliarden Euro, sollen künftig 80 Milliarden für die Bundeswehr eingeplant werden.

„Die Bundeswehr kann davon ausgehen, dass Deutschland eine Nato-Quote von zwei Prozent in den nächsten Jahren immer einhalten wird und deshalb kann sie auch in den ganzen 20er Jahren und in den beginnenden 30er Jahren Bestellungen wirksam werden lassen, die für die Sicherheit des Landes wichtig sind“, versprach Scholz beim Treffen in Washington. Woher das Geld für die Differenzsumme von knapp 30 Milliarden Euro stammen soll, ist angesichts des ohnehin umstrittenen Ampel-Haushalts jedoch unklar. Scholz erklärte allerdings: „Deutschland ist das größte Land in Europa innerhalb des Nato-Bündnisses“, und versprach: „Daraus erwächst uns eine ganz besondere Verantwortung. Wir werden, ich werde dieser Verantwortung gerecht werden.“

Olaf Scholz mit Joe Biden und Jens Stoltenberg
Olaf Scholz ist beim Nato-Gipfel guter Dinge. © IMAGO/Beata Zawrzel

Nato-Gipfel: Estland, Lettland, Litauen fordern Drei-Prozent-Ziel

Während Deutschland das erstmalige Erreichen des Zwei-Prozent-Ziels als Erfolg abfeiert, fordern andere Staaten bereits eine Erhöhung des Nato-Ziels. „Zwei Prozent sind nicht genug“, sagte Hanno Pevkur, der estnische Verteidigungsminister, im Gespräch mit Welt und Politico. „Wir müssen auf 2,5 Prozent, vielleicht sogar auf drei Prozent gehen“, forderte er. Verantwortliche aus Litauen und Lettland stimmten zu. Erstmals forderte Polens Präsident Andrzej Duda bereits im März bei einem Washington-Besuch das Drei-Prozent-Ziel. Nur so könne man Russland abschrecken, sagte er damals.

Deutschlands Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte auf der Münchener Sicherheitskonferenz ebenfalls bereits angedeutet, dass zwei Prozent künftig nicht ausreichen würden. Das sei lediglich die Untergrenze und könne „nur der Anfang sein“. Vielleicht würden in Zukunft „drei oder dreieinhalb Prozent“ erreicht, sagte er im Februar.

Drei-Prozent-Ziel: Deutschland müsste 120 Milliarden für Verteidigung ausgeben

Zwar investieren bereits 23 Nato-Staaten mindestens zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistungen in die Verteidigung, die restlichen neun Länder werden das Ziel laut offizieller Nato-Statistik im Jahr 2024 aber nicht erreichen. Auch Deutschland brauchte zwanzig Jahre, um erstmalig die Marke zu knacken.

Als drittgrößte Volkswirtschaft müsste Deutschland bei einem Drei-Prozent-Ziel etwa 120 Milliarden jährlich für die Verteidigung ausgeben, berichtet die Welt. Das entspricht knapp einem Viertel des gesamten Bundeshaushaltes und würde das Land mutmaßlich vor große Probleme stellen. Die Regierung müsste wohl in großem Umfang Sozialleistungen kürzen, um die Finanzierung zu stemmen – was zu einem großen Streitpunkt werden dürfte. Eine weitere Option wären höhere Steuern oder Schulden.

Umfrage in Deutschland: Zufriedenheit mit Zwei-Prozent-Ziel – mehr nicht gewollt

Ein Drei-Prozent-Ziel und die damit einhergehenden Kürzungen würden sicherlich auch bei den Deutschen zu Kritik führen. Denn bereits das Zwei-Prozent-Ziel war in Deutschland lange Zeit unpopulär. Der russische Angriff auf die Ukraine hat das geändert.

Die Mehrheit der Deutschen ist nun damit einverstanden, mindestens zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben – laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur. 51 Prozent sprachen sich für eine langfristige Einhaltung des Nato-Ziels aus. Eine Erhöhung des Nato-Ziels könnte die neugewonnene Zustimmung jedoch wieder kippen lassen. Zwar sprechen sich 21 Prozent gar für höhere Investitionen aus, 24 Prozent ist aber das bisherige Ziel schon zu hoch. Hinzu kommen die 30 Prozent, die zwei Prozent als richtige Marke ansehen.

Druck auf Deutschland: Nato-Ziel für Verteidigung könnte künftig angehoben werden

Offiziell stand ein neues Nato-Ziel von drei Prozent beim Nato-Gipfel nicht auf der Tagesordnung: „In den Nato-Gremien in Brüssel war die Debatte über das Drei-Prozent-Ziel bisher noch kein Thema“, sagte ein Nato-Diplomat gegenüber Welt. „Trotzdem ist das Thema da. Es kann sein, dass irgendwann zunächst eine Einigung auf 2,5 Prozent erfolgen wird.“ Abzusehen sei, dass auch ohne eine neu festgelegte Marke der Druck auf Deutschland steigen wird, mehr in Verteidigung zu investieren. (dpa/hk)

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