Chinesische Mission enthüllt die Geheimnisse der Mond-Rückseite
Die „dunkle Seite“ des Mondes gibt ihre Geheimnisse preis. Gesteinsproben liefern überraschende neue Erkenntnisse vom kosmischen Begleiter der Erde.
Peking – Die Rückseite des Mondes hat lange Zeit ihre Geheimnisse bewahrt – doch das ist vorbei, seit die chinesische „Chang‘e 6“-Mission im Jahr 2024 erstmals Bodenproben von der erdabgewandten Seite des Mondes zur Erde brachte. Seitdem untersuchen Forschende unter anderem die fundamentale Asymmetrie zwischen der erdzugewandten Seite und der Rückseite des Mondes.
Rückseite des Mondes kann man von der Erde aus nicht sehen
Auf der Seite des Mondes, die man von der Erde aus sehen kann, gibt es charakteristische dunkle Flächen, die sogenannten Mare. Auf der Rückseite gibt es stattdessen Krater. Die Unterschiede zwischen den beiden Hälften gehen jedoch weit über die oberflächliche Topografie hinaus – es geht auch um Unterschiede in der Krustendicke und vulkanischer Aktivität. Warum der nächste kosmische Nachbar der Erde zwei so unterschiedliche Hälften hat, war lange ein Rätsel – bis „Chang‘e 6“ insgesamt 1935,3 Kilogramm Mondgestein von der Rückseite des Mondes zur Erde brachte.
Die Proben stammen aus dem Südpol-Aitken-Becken (SPA), einem gewaltigen Mondkrater. Er ist mit 2500 Kilometern Durchmesser nicht nur der größte und tiefste bekannte Einschlagkrater des Mondes, sondern auch einer der ältesten. Bisherige Forschungen datieren die Entstehung des SPA auf etwa 4,25 Milliarden Jahre zurück – verursacht durch einen kosmischen Einschlag von unvorstellbarer Wucht. Die freigesetzte Energie übertraf die einer Billion Atombomben.
Vier überraschende Entdeckungen revolutionieren das Verständnis vom Mond
Die Analyse der zurückgebrachten Proben durch Forschungsteams der Chinesischen Akademie der Wissenschaften führte zu bisher vier bahnbrechenden Erkenntnissen, die das Verständnis des Erdtrabanten grundlegend verändern:
- Langanhaltender Vulkanismus: Entgegen früherer Annahmen war die vulkanische Aktivität auf der Mondrückseite ein langwieriger Prozess. Die Wissenschaftler identifizierten zwei vulkanische Phasen – eine vor 4,2 Milliarden Jahren und eine weitere vor 2,8 Milliarden Jahren. Diese Entdeckung belegt eine vulkanische Aktivitätsspanne von mindestens 1,4 Milliarden Jahren.
- Fluktuierendes Magnetfeld: Die Untersuchung der paläomagnetischen Signaturen in den Basaltfragmenten offenbarte unerwartete Schwankungen im Mondmagnetfeld. Besonders bemerkenswert: Ein Wiederanstieg der magnetischen Intensität vor etwa 2,8 Milliarden Jahren. Dies deutet darauf hin, dass der Monddynamo nicht gleichmäßig abnahm, sondern Schwankungen unterlag.
- Asymmetrische Wasserverteilung: Die Analysen zeigten, dass der Mantel unter der Mondrückseite signifikant wasserärmer ist als jener unter der Vorderseite – ein weiteres Element der grundlegenden Asymmetrie des Erdtrabanten.
- „Ultra-verarmte“ Mantelzusammensetzung: Die geochemische Signatur des untersuchten Basalts weist auf eine stark verarmte Mantelquelle hin. Diese könnte entweder primordial entstanden sein oder durch massive Schmelzextraktionen nach gewaltigen Einschlägen.
„Chang‘e 6“-Mission zeigt, wie gewaltige Einschläge den Mond prägen
Die präzise Datierung des SPA-Einschlags auf 4,25 Milliarden Jahre bietet zudem einen wichtigen chronologischen Fixpunkt für die Erforschung der frühen Entwicklungsgeschichte unseres Sonnensystems. Sie ermöglicht neue Einblicke in die Prozesse der Planetenentstehung und trägt zum Verständnis bei, wie gewaltige Einschläge die innere Struktur von Himmelskörpern nachhaltig prägen können. Die Ergebnisse der „Chang‘e-6“-Mission haben nicht nur das Rätsel der Mond-Asymmetrie teilweise gelöst, sondern auch die Tür zu einem tieferen Verständnis der komplexen Geschichte des Mondes geöffnet. (tab)