Die Optikerin aus dem Wüstendorf: Marokkanerin trotzt Widrigkeiten für Berufseinstieg

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„Ich muss noch viel lernen“: Smahane El Mrabet mit Florian und Johanna Förster im gleichnamigen Optikergeschäft. © Boris Forstner

Von einem winzigen Dorf in der Wüste Marokkos als Optikerin nach Weilheim – der Weg von Smahane El Mrabet war lang und beschwerlich. Jetzt ist sie die womöglich erste Augenoptikerin Deutschlands, die außerhalb von EU und Schengen-Raum ausgebildet wurde.

Vor zwei Jahren „sind wir durch ein großes Tief gegangen“, sagt Johanna Förster, Assistentin ihres Bruders und Geschäftsführers Florian im gleichnamigen Optikergeschäft auf dem Weilheimer Marienplatz. Fast auf einen Schlag seien damals in der zwölfköpfigen Belegschaft fünf langjährige Mitarbeiter weggebrochen, weil sie sich zum Teil umorientiert hatten oder in Ruhestand gingen. „Mancher Rentner hat noch Teilzeit weitergearbeitet, aber für meinen Bruder und mich hat das 50 bis 80 Stunden Arbeit pro Woche bedeutet“, sagt sie.

Über einen klassischen Aufsteller „Suchen Mitarbeiter“ vor dem Haus habe man zwischendurch einen neuen Kollegen gefunden, doch die vielen Stellengesuche auch in den sozialen Medien hatten nicht die Resonanz, die die Förster sich erhofft hatten. „Da kam zwar viel, aber das meiste war nicht brauchbar“, sagt Johanna Förster. Und ihr Bruder ergänzt: „Die hatten zum Teil gar nicht Optik studiert oder schrieben nur ,ich mache alles‘.“ Bis sich Smahane El Mrabet gemeldet hat.

„Sehr schwer, als Optikerin in Marokko einen Job zu bekommen“

Die 27-Jährige ist mit drei Schwestern und einem Bruder in einem 100-Einwohner-Dorf in Marokko aufgewachsen. Doch sie war schon immer ehrgeizig und hatte von Anfang an ein klares Berufsziel vor Augen: Optikerin. „Das fand ich schon immer interessant“, sagt El Mrabet. Nach der Schule schloss sie 2021 ihr Feinoptiker- und Optometriestudium mit DIplom ab, dazu machte sie noch einen Bachelor in Soziologie. „Aber es war sehr schwer, als Optikerin in Marokko einen Job zu bekommen“, sagt sie. Praktika durfte sie machen, aber angestellt wurde sie nicht.

Deshalb reifte bei El Mrabet der Entschluss, ins Ausland zu gehen. Und nicht etwa nach Frankreich, was naheliegend gewesen wäre – schließlich arbeitet dort bereits eine ihrer Schwestern in der IT-Branche, zudem spricht sie die Sprache perfekt ebenso wie Arabisch und Englisch. Nein, Deutschland sollte es sein. „Das Land der Maschinen“, sagt sie mit strahlenden Augen. Also brachte sie sich selbst per Sprachen-App auch noch deutsch bei und schaffte es bis zum Abschluss B1, was gute Sprachkenntnisse bedeutet, aber noch keine fortlaufende Kommunikation möglich macht.

Mit diesem Hintergrund machte sie sich auf die Suche nach einem Arbeitgeber in Deutschland. „Ich musste alle Unterlagen übersetzen lassen, das war viel Arbeit“, sagt El Mrabet. Sie schrieb mehr als hundert Mails – und fand schließlich bei den Försters ein offenes Ohr. „Ich habe selten eine Bewerbung gehabt, die von der Qualifikation so heraussticht“, sagt Johanna Förster. Das Bewerbungsgespräch fand im Frühjahr 2024 per Zoom statt, und schnell war klar, dass man es probieren will.

Viele Hürden bis zur Anerkennung

Doch damit ging die Arbeit für die Försters erst richtig los. Denn der Aufwand, eine Optikerin aus Nordafrika in Deutschland anerkennen zu lassen, war immens. Viele Stellen haben sie angesprochen, bis sie schließlich über die Handwerkskammer ein Gleichwertigkeitsprüfungsverfahren durchführen konnten, wo verglichen wurde, ob die Ausbildung vergleichbar ist mit der in Deutschland. Schließlich wurde El Mrabet als teilqualifiziert eingestuft. In den ersten neun Monaten in Deutschland kann sie sich im Betrieb nachqualifizieren. „Zumindest in Bayern ist sie sicher die erste Optikerin aus dem EU-Ausland, und auch aus Deutschland hatte niemand von einem ähnlichen Fall gehört“, sagt Johanna Förster.

Doch bis es soweit war, mussten noch viele weitere Hürden überwunden werden. Johanna Förster hat in den vergangenen neun Monaten immer wieder Kontakt mit El Mrabet gehabt, sie aufgemuntert, wenn wieder eine neue Hürde aufgetaucht war. „Ich bin schließlich auf die Fachstelle für Einwanderung von Fachkräften gestoßen. Das ist ein Dienstleister, der die 400 Euro, die wir bezahlt haben, wirklich wert war. Die haben sich um alle Formalitäten gekümmert“, sagt Johanna Förster begeistert.

Seit eineinhalb Wochen im Betrieb

Sogar eine Übergangs-Wohnung in Weilheim haben die Försters für die 27-Jährige gefunden. Vor eineinhalb Wochen schließlich war es soweit und El Mrabet kam mit zwei Koffern am Weilheimer Bahnhof an, bereit für ihr neues Leben. Seitdem ist sie im Betrieb, schaut den Kollegen über die Schulter und saugt alles auf wie ein Schwamm. Sogar eher unspektakuläre Arbeiten am Computer faszinieren die 27-Jährige: „In Marokko wird vieles noch handschriftlich festgehalten“, sagt sie und lacht.

El Mrabet wird mit kleinen Sachen anfangen und die Abläufe kennenlernen. „Ich muss noch viel lernen“, weiß sie, vor allem der Praxis-Bezug hat ihr im Studium gefehlt. Sie übt schon für den besseren Sprachstandard B2, und wer so viele Widrigkeiten überwunden hat, der ahnt: In neun Monaten wird Smahane El Mrabet eine voll anerkannte Optikerin sein.

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