Gärtnereiquartier: Gemeinderatssitzung dauerte bis zur Geisterstunde
Eine wahre Monstersitzung haben Zuschauer und Gemeinderatsmitglieder in Seeshaupt in der vergangenen Woche hinter sich gebracht. Thema: Gärtnereiquartier. Bis zur Geisterstunde verlasen die drei Bürgermeister die Einwendungen gegen den ausgelegten Bebauungsplan – das Ergebnis: ernüchternd.
32 Einwendungen, insgesamt 51 Seiten Lesestoff, viereinhalb Stunden Dauervortrag: Die Zuschauer verließen den Sitzungssaal des Seeshaupter Rathauses passend zur Uhrzeit bleich wie Gespenster. Dass Gemeinderatssitzungen einmal länger dauern, geschenkt. Beinahe bis zum nächsten Tag, das ist aber schon bemerkenswert.
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Gut einen Monat war der Bebauungsplan für das Gärtnereiquartier ausgelegt. Die Öffentlichkeit sowie Behörden hatten in dieser Zeit Gelegenheit, sich zu den Plänen zu äußern. Das Thema ist heikel, streiten Grundstückseigentümerin Katharina Heider und die Gemeinde ja seit Jahren über die Bebauung des riesigen Areals (wir berichteten). Dass der B-Plan allerdings derart viele Einwendungen hervorruft, damit hat der Gemeinderat wohl nicht gerechnet. Und nachdem diese in Gänze verlesen werden müssen, war man am Dienstag gut beraten, sich für den Abend nichts anderes mehr vorzunehmen.
Bebauungsplan war einen Monat ausgelegt
Zehn Träger öffentlicher Belange äußerten Bedenken, darunter zum Beispiel die Regierung von Oberbayern. Diese attestiert der Planung von einer „Kombination aus villenartiger Architektur, parkähnlichen Gartenbereichen sowie Einzel- und Doppelhausbebauung“ einen „Zielkonflikt zwischen dem sparsamen Umgang mit Grund und Boden und der Entwicklung eines neuen Wohnquartiers mit Gartendorfcharakter“.
Die Ringerschließung – auf die die Gemeinde besteht – sei „unwirtschaftlich“, außerdem solle die „Zahl der zulässigen Wohnungen deutlich“ angehoben werden, um „kleine und damit kostengünstige Wohnungen“ zu ermöglichen. Auch das Landratsamt Weilheim-Schongau äußerte sich kritisch. Demnach sei die Tiefgaragenpflicht – auch hierbei bleibt die Gemeinde – „bedenklich“.
Auf noch zig andere Punkte wiesen die Träger öffentlicher Belange hin. Die Abwägungen der Gemeinde, denen das Gremium immer, wenn auch knapp, zustimmte, fielen größtenteils knapp aus: „Der Hinweis wird zur Kenntnis genommen.“ Das eine oder andere Mal wurden kleinere Anregungen übernommen. In der Summe aber stimmte der Gemeinderat dafür, die Planungen so zu lassen, wie sie sind.
22 private Einwände gegen Planung
Gleiches geschah bei den privaten Einwendungen – 22 an der Zahl. Architekten, Planer, Privatpersonen und schließlich Katharina Heider selbst brachten in vielen Seiten ihre Kritik am geplanten Bebauungsplan folgendermaßen zum Ausdruck: Warum werde der Rahmenplan von 2018 nicht mehr weiterverfolgt? Brauche Seeshaupt weitere Villen? Die Ringstraße sei eine „Übererschließung“. „Warum wurde kein Mobilitätskonzept erstellt?“
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Bestandsgebäude waren auch Thema
In der Mammutsitzung zum Gärtnereiquartier wurde auch der Antrag auf Vorbescheid zum Erhalt, der Ertüchtigung und Umnutzung der Bestandsgebäude zu Wohnzwecken beraten. Katharina Heider hatte beantragt, vier Gebäude – ein Wohnhaus, die ehemalige Lagerhalle, das Gesindehaus und die Packhalle – zu sanieren. Unter anderem will sie bestehende Balkone erweitern, Dämmmaßnahmen vornehmen und Anbauten umsetzen. Weil auf dem gesamten Gelände eine Veränderungssperre bis Juni dieses Jahres liegt, entschied der Gemeinderat mit knapper Mehrheit, den Vorhaben eine Absage zu erteilen. Die Argumente waren die altbekannten: Während die einen davor warnten, die Planungshoheit aus der Hand zu geben, forderten die anderen, auf Heider zuzugehen und ihr die Sanierung der Bestandsgebäude zuzugestehen.
Die Grundstücksbesitzerin selbst bezeichnete die Villenplanung als „anachronistisch“ und „asozial“. Der Gemeinderat stimmte auch bei diesen Privateinwendungen – und wieder knapp – den Abwägungen zu. Man nahm die Kritik größtenteils zur Kenntnis, erklärte in dem ein oder anderen Fall, warum man beim eigenen Standpunkt blieb oder verwies auf vorherige Abwägungen. So wird der Bebauungsplan nun erneut ausgelegt – ohne große Änderungen.
Für eine Überraschung sorgte ganz zum Schluss noch Gemeinderatsmitglied Maximilian Amon (PFB). Er wies darauf hin, dass die Einwendung eines Juristen fehle. Bürgermeister Fritz Egold (CSU) konnte sich das nicht erklären, vermutete, dass sie vielleicht nicht fristgerecht eingegangen sei.
Zweite Sitzung binnen eines Monats
Wie sich herausstellt, handelt es sich bei der fehlenden Einwendung um die von Heiders Juristen. Diese sei, so die Grundstückseigentümerin, fristgerecht bei der Gemeinde angekommen. Unter den Tisch fällt sie nicht: Am heutigen Dienstag, 15. April, wird die Einwendung in einer zweiten April-Sitzung des Gemeinderats behandelt. Beginn ist um 19.30 Uhr, wie die Gemeinde jetzt mitteilte.