Selbstschutz und Bunker: Deutschland plant für den Kriegsfall

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Gut 30 Jahre sind seit Ende des Kalten Krieges vergangen. Die damals eingeplanten Schutzräume geraten wieder in den Fokus, genauso wie private Keller.

Berlin – Die deutsche Bundesregierung bereitet sich auf den Ernstfall vor: Bei einem militärischen Angriff sollen die Bürgerinnen und Bürger in Kellern Schutz suchen können. So steht es im „Sachstandsbericht zur Entwicklung eines modernen Schutzraumkonzepts“, den der Spiegel nach eigenen Angaben einsehen konnte, bevor er bei der Innenministerkonferenz beraten wird. Diese findet vom 19. bis 21. Juni in Potsdam statt. Im Bericht wird vor allem auf private Schutzräume gesetzt.

„Zentral gelegene öffentliche Schutzräume“ seien für bis zu tausend Menschen keine geeignete Maßnahme. Vor allem „gegen moderne Präzisionswaffen, die gezielt einzelne kriegsrelevante Objekte zerstören und bei deren Angriff nur wenige Minuten Vorwarnzeit verbleiben“, zitiert der Spiegel den Bericht. Für die zivile Bevölkerung seien Kollateralschäden die größte Gefahr, die „Trümmer- und Splitterflug“ oder die Druckwelle bei einer Explosion auslösen würden.

Bunker sind im Kriegsfall hinfällig: Präzise statt flächendeckende Angriffe wahrscheinlich

Den Bericht haben laut Spiegel Expertinnen und Experten des Bundesinnenministeriums (BMI), des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) und der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) erarbeitet. Sie würden davon ausgehen, dass Räume unter der Erdoberfläche oder im Inneren von Gebäuden schon heute vor einigen möglichen Gefahren schützen würden. „Um die Schutzwirkung nochmals zu verbessern, kann auf freiwilliger Basis und mit einfachen, ohne handwerklichen Sachverstand ausführbaren Maßnahmen eine ‚Härtung‘ insbesondere von Kellerräumen erreicht werden“, zitiert der Spiegel weiter.

Luftschutzbunker in Kiew
Krankenhauspersonal sitzt während eines Luftangriffsalarms nordöstlich von Kiew in einem Keller, der als Luftschutzbunker genutzt wird. © Felipe Dana/AP/dpa

Die heutigen präzisen und wirksamen Waffen könnten bei einem direkten Treffen aber jeden Schutzraum zerstören. Von derartigen punktuellen Angriffen auf „verteidigungswichtige Anlagen“, Regierungs- und Verwaltungsgebäude sowie „weitere kritische Infrastrukturen“ anstatt flächendeckender Bombardements ist ebenfalls auszugehen, so der Bericht laut Spiegel.

„Schutzraumsharing“ und öffentliche Bunker – Experten rechnen mit 140,2 Milliarden Euro

Eigene Kellerräume stünden einem Großteil der Bevölkerung zur Verfügung, weiterhin empfehle der Bericht ein privates „Schutzraumsharing“. Es müssten so viele solche „Baulichen Selbstschutzräume“ (BSR) wie möglich geschaffen werden. In Ballungsräumen sei es allerdings notwendig, Schutz für Menschen anzubieten, die unterwegs von einem Angriff überrascht würden. So könnten etwa öffentliche Gebäude, Kaufhäuser, Tiefgaragen, U-Bahnstationen, Tunnel und noch vorhandene Bunker als „öffentliche Schutzräume“ genutzt werden.

Um etwa 85 Millionen Menschen zu schützen, müssen laut Expertinnen und Experten rund 210.100 größere Bunker gebaut werden – für schätzungsweise 140,2 Milliarden Euro. Für die Zukunft lege der Bericht nahe, „Hausschutzräume“ einzurichten, so der Spiegel. Mit einer stärkeren Bauhülle, Eingangsschleuse, Filterraum, Lüftungs-, Sanitär- und Versorgungseinrichtungen würden sie mehr Sicherheit als BSR bieten. Das würde aber mindestens mehrere Jahrzehnte erfordern.

Städte- und Gemeindebund: „Mehr moderne Schutzräume“ für den Kriegsfall

Schon im März dieses Jahres hatte der Städte- und Gemeindebund die Regierung aufgefordert, die Bevölkerung in Deutschland besser für den Kriegsfall vorzubereiten, unter anderem mit mehr Bunkern. Neben dem Sondervermögen für die Bundeswehr müsse der Bund „große Summen aufbringen, um die Widerstandsfähigkeit im Inneren zu gewährleisten“, sagte der Hauptgeschäftsführer André Berghegger damals den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Er nannte dabei für den Schutz der Zivilbevölkerung die Summe von mindestens einer Milliarde Euro in jedem der nächsten zehn Jahre.

Andre Berghegger
Andre Berghegger, ehemals CDU-Bundestagsabgeordneter, ist heute Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. © Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa

Konkret forderte Berghegger mehr Bunker in Deutschland. Es müssten neue, moderne Schutzräume gebaut werden. Das BBK listet auf seiner Webseite gegenwärtig 579 öffentliche Schutzräume mit insgesamt 477.593 Schutzplätzen für die Zivilbevölkerung auf. Diese seien aber „akut nur begrenzt nutzbar“.

Bunker in Deutschland sind „sehr ungleich verteilt“

2022 hat das Bundesinnenministerium im Zuge des russischen Angriffskrieges die BImA und das BBK mit einer Bestandsaufnahme der öffentlichen Schutzräume beauftragt, deren Erhaltung schon 2007 wegen der veränderten Sicherheitslage nach dem Kalten Krieg gestoppt wurde. Ein Bericht der BImA von 2023 legt nahe, dass eine Reaktivierung der öffentlich gewidmeten Bunker grundsätzlich möglich sei, Zeit- und Kostenaufwand würden vom gewünschten Schutzniveau abhängen. Zu den Bunkern im Bundesgebiet bemerkt das BKK, dass diese „sehr ungleich verteilt“ seien. (ses/dpa)

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