Kosten ruinieren Traditionslokale: Immer mehr Gastro-Betriebe müssen schließen

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In jüngerer Vergangenheit haben einige Kult-Gaststätten in München geschlossen. Auf dem Land ist der Trend noch weit dramatischer.

Lucullus, Sushi+Soul und zuletzt das von vielen heiß geliebte Pasta e basta: Viele Münchner Lokale haben in jüngerer Vergangenheit dicht gemacht. „Seit Beginn der Corona-Pandemie haben rund 15 Prozent der Münchner Restaurants geschlossen“, erklärt Manfred Schwaiger, Professor am LMU-Institut für Marktorientierte Unternehmensführung. Das ist kein Zufall: „Die Gewinnmargen in der Gastronomie sind zurückgegangen. Das liegt zum einen an den höheren Preisen für Energie und Lebensmittel, zum anderen an dem wieder erhöhten Mehrwertsteuersatz.“

Mehrwertsteuer seit 2024 wieder bei 19 Prozent für Speisen

Denn kurz nach Beginn der Corona-Pandemie 2020 war der Mehrwertsteuersatz für Speisen in Restaurants von 19 auf sieben Prozent gesenkt worden, um die Branche zu entlasten. Seit knapp über einem Jahr gilt wieder der normale Steuersatz – zulasten der Wirte, wie Thomas Geppert, Geschäftsführer beim Deutschen Hotel- und Gaststättenverband Dehoga in Bayern, erklärt: „Für Lieferdienste und Take Away gilt ein Steuersatz von sieben Prozent, für Essen im Sitzen 19 Prozent. Niemand hat so hohe Erträge, dass er das ausgleichen kann.“ Deshalb, so Geppert, mussten die Wirte die Preise erhöhen: „Aber die Kundschaft ist – durch die allgemeine Inflation – sehr preissensibel. Die Mehrwertsteuer ist also kein Durchlaufposten.“ Die Folge: Schlechtere Auslastung, noch höhere Kosten. Eine Abwärtsspirale.

Österreichische Gastronomie
Schnitzel wollen sich immer mehr immer weniger leisten. Die hohen Preise schrecken die Kundschaft ab, günstige Lokale können die Kosten oft nicht stemmen. © Christian Bruna, dpa

Für Geppert wäre ein reduzierter Mehrwertsteuersatz Teil der Lösung: „Wir hoffen stark auf die nächste Bundesregierung, damit dieser Fehler wieder ausgebessert wird.“

Energiekosten sorgen in der Gastronomie für Probleme: Verdopplung der Kosten

Manfred Schwaiger bezweifelt aber, dass das reichen würde: „Es gibt Überlegungen, den Mehrwertsteuersatz wieder zu senken, aber ich weiß nicht, ob das alleine das Problem lösen wird.“ Grundsätzlich seien die Bundesbürger Gastromuffel: „Die Deutschen geben nur 4,6 Prozent ihrer Konsumausgaben in der Gastronomie aus. Im EU-Durchschnitt sind es 5,4, in der Schweiz 6,6 Prozent, in Spanien 7,3 und in Portugal 8,4 Prozent.“ Dazu komme „eine krisenbedingte Zurückhaltung der Verbraucher. Das gilt auch für wohlhabende Städte wie München.“ Auch fehle eine große Zielgruppe, sagt Manfred Schwaiger: „Seit der Pandemie gibt es durch die Gewöhnung an virtuelle Treffen auch deutlich weniger Geschäftsreisende, die früher Geschäftsessen auf eine Spesenrechnung setzen konnten.“

Ein häufig unterschätzter Faktor sind auch die Energiekosten: „2022 hatten wir für ein Restaurant mit einem elektrischen Pizzaofen monatliche Stromkosten von 3500 bis 3800 Euro“, erklärt Sarang Alimardani, Co-Chef der Münchner-Pepe-nero-Restaurants. „2023, in der Energiekrise, waren es dann 8000 Euro. Durch die Preisbremsen mussten wir nur etwa 6000 bezahlen, aber das war trotzdem fast doppelt so viel“. Das hätte viele Gastronomen unerwartet getroffen: „Die Energierechnungen für das teure Jahr 2023 kamen erst Ende 2023. Man hatte also einen Riesenbatzen, den man in Raten abzahlen musste. Und das neben den laufenden Kosten.“

Fachkräftemangel trifft Gastro-Branche besonders hart

Und auch Personal ist knapp: „Viele haben sich in der Pandemie etwas anderes gesucht“, so Schwaiger. Denn: „Mit unserem allgemeinen Bild, wie viel Ungemach Arbeit bereiten darf, passen die vielfach am Abend und am Wochenende liegenden Arbeitszeiten in der Gastronomie auch immer weniger Menschen.“ Dazu käme, dass höhere Bruttolöhne nicht mehr netto für die Angestellten bedeuten, kritisiert Geppert. Denn die Kosten für Renten-, Pflege- und Krankenversicherung steigen ohne erkennbares Ende.

Die Systemgastronomie bekommt vom geschrumpften Kuchen ein größeres Stück.

Zusammen sorgen diese Faktoren für eine sinkende Zahl von Betrieben. Das wachsende München zieht den Schnitt dabei noch nach oben: „In München gab es zwischen Januar und November 2024 628 dauerhafte Schließungen und 820 Neugründungen – also einen Nettozuwachs“, sagt Dehoga-Chef Thomas Geppert. Auf dem Land sieht es aber ganz anders aus: „In ganz Bayern kamen auf 4463 Geschäftsaufgaben nur 4121 Eröffnungen. Auf dem Land sehen wir deshalb das klassische Wirtshaussterben.“ Er warnt vor „amerikanischen Verhältnissen“: „Systemgastronomie an den Hotspots, wo es sich lohnt, und Spitzengastronomie für wenige. Dann verlieren wir die Individualgastronomie, wo alle zusammenkommen und für die Bayern in der Welt bekannt ist.“

Mehr Ketten in der Gastronomie zu erwarten: Traditionslokale verschwinden

Auch Manfred Schwaiger glaubt, dass Ketten eine größere Rolle spielen werden: „Die Systemgastronomie hat gewisse Vorteile, weil sie Skaleneffekte nutzen kann. Ich glaube aber weniger, dass sie die Lücken füllt; wahrscheinlicher erscheint mir, dass sie vom geschrumpften Kuchen ein größeres Stück abbekommt.“

Damit die Gastro wieder in Schwung kommt, müssten die Gäste wieder mehr Kaufkraft haben, meint Manfred Schwaiger: „Solange wir aus dieser Rezession nicht herauskommen, sehe ich nicht, wie die Gastronomie sich erholen sollte“. Fragt man die Betriebe, hört man: „Die Energiepreise müssten runter. Vor allem, weil der CO₂-Preis ab 2027 noch einmal deutlich steigen wird“, so Sarang Alimardani. Wichtig wäre außerdem, „dass der Mehrwertsteuersatz wieder auf sieben Prozent gesenkt wird. Das ist etwas, wovon man als Gastronom leben kann.“

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